Homepage: Potsdam dominiert
Studie zur Hochschulsituation in Ostdeutschland mit der Region um die Landeshauptstadt zufrieden / Studierquote bemängelt
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Der Studienstandort Potsdam hat in einer aktuellen Studie des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FIBS) sehr gute Noten erhalten. So zeichne sich der Raum Potsdam durch Spezialisierungen im Bereich der informationsindustriellen Produktion aus, deren ökonomische Potenziale durch die Potsdamer Filmhochschule HFF und die Fachhochschule Potsdam – in den Bereichen Neue Medien und Wissensmanagement – sowie die FH Brandenburg – Digitale Medien – flankiert würden.
Als naturwissenschaftlichen „Gegenpol“ zu diesem Medien-Schwerpunkt macht das Institut zahlreiche Forschungseinrichtungen im Bereich der Geowissenschaften aus, die sich vor allem in Potsdam konzentrieren. Ergänzt werde dieser Bereich durch die Umweltwissenschaften. „Es wäre daher zu prüfen, inwieweit hier eine Brücke zum Spezialisierungsgebiet der Automobilindustrie und des Flugzeugbaus geschlagen werden könnte“, schreibt das Institut. Zumindest die aktuelle Ansiedelung des Unternehmers Uwe Braun, der am Campus Golm ab Dezember forschungsnah hochentwickelte Automobiltechnologie in Potsdam fertigen will, scheint ein erster Schritt in diese Richtung zu sein.
Weiterhin betonen die Autoren der Studie, dass die einzige Lehrerausbildung in Brandenburg an der Universität Potsdam stattfindet: Das verstärke noch die Dominanz der Region innerhalb der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft Brandenburgs. 56 Prozent der Brandenburger Studierenden sind demnach in der Region Havelland-Fläming an einer Hochschule eingeschrieben. Insgesamt, so die Studie, sei Havelland-Fläming eine forschungsstarke und hinsichtlich der Branchenzusammensetzung diversifizierte Region, die auch ein gutes Studienangebot zur „Unterfütterung“ ihrer im ostdeutschen Vergleich hochentwickelten Wirtschaftsstruktur offeriere.
Allerdings weisen die FIBS-Forscher auf ein Manko der Brandenburger Hochschullandschaft hin: Die Hochschulen sind stark auf die Mitte und den Süden des Landes konzentriert. Der ehemalige Brandenburger Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein sprach unlängst von einem „Brandenburg-Äquator“, der sich von der Stadt Brandenburg über Potsdam und Wildau nach Frankfurt/Oder ziehe. Nördlich davon ist nur an der FH Eberswalde ein Studium möglich.
Hinzu komme, dass durch die Nähe zu Berlin die Quote der Brandenburger Abiturienten an den landeseigene Hochschulen mit rund 40 Prozent recht gering ist. Allerdings würden mehr Brandenburger mit Abitur zum Studium nach Berlin gehen als umgekehrt. Generell bemängelt die Studie, dass die Hochschulen Brandenburgs den Frauen nicht genug zu bieten haben (PNN berichteten). Im Land sei ein eklatantes Ungleichgewicht zu beklagen: 75 Prozent der abwandernden Studienanfänger sind demnach weiblich, 90 Prozent der zugezogenen Erstsemester hingegen Männer.
Die Bundeshauptstadt Berlin ist nach Ansicht der FIBS-Forscher von „entscheidendem Einfluss“ für die weitere Entwicklung Brandenburgs: Nicht nur für die Bildungsinfrastruktur sondern auch für die Bevölkerungsentwicklung. Die Autoren der Studie werfen vor diesem Hintergrund die Frage auf, ob sich Brandenburg hinsichtlich seiner Hochschulstruktur „defensiv“ an Berlin „angliedern“ sollte. Zwar wäre dies mit einem „weiterhin recht geringen Ausgabenniveau“ für den Hochschulbereich verbunden. „Allerdings hätte dies auch zur Folge, dass das Land weiter mit starken Wanderungsverlusten in der Fläche zu kämpfen hätte“.
Da vor allem junge Frauen abwandern, bilde sich unter den verbleibenden Männern eine „negative Auslese“ heraus. „Hierzu trägt auch die teilweise recht unglückliche Profilbildung zwischen den Hochschulen bei, wodurch sich zum Beispiel in Cottbus und Brandenburg relativ niedrige Anteile von weiblichen Studierenden und – damit einhergehend – Frauen an der jüngeren Bevölkerung ergeben“, kritisieren die Sozialwissenschaftler. Auch stelle die räumliche Nähe der BTU Cottbus und der FH Lausitz mit „sehr ähnlichen Fächerstrukturen“ ein Problem dar.
Letztlich schlägt die Studie eine integrative Strategie vor, die allerdings auch ihren Preis habe: „Sollte sich das Land dazu entschließen, eine offensive Politik zu betreiben, die die Hochschulen implizit auch dazu nutzt, um Regionalpolitik zu betreiben, dann müssten die Ausgaben insgesamt wohl erhöht werden“, schreiben die Forscher. Dabei müsse auch das Fächerspektrum, insbesondere an der BTU Cottbus diversifiziert und stärker auf die Interessen von Frauen ausgerichtet werden. „Wobei es nicht darum geht, den Stereotypen zu entsprechen, sondern innovative Bereiche zu entwickeln, die auch jungen Frauen eine Zukunftsperspektive versprechen.“ Hierzu sollten insbesondere auch die Fachhochschulen miteinbezogen werden.
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