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Landeshauptstadt: „Potsdam droht Wildwuchs“

Der Lichtdesign-Experte Volker von Kardorff weiß, wie man Städte mit Licht inszeniert. Im Interview erklärt er, wieso Potsdam einen Lichtmasterplan braucht, wo es den größten Nachholbedarf und wo es Lichtblicke gibt

Stand:

Herr von Kardorff, woran erkennt man eine gute Stadtbeleuchtung?

Eine gute Stadtbeleuchtung muss dem Charakter, der Identität, der Atmosphäre einer Stadt gerecht werden. Es gibt zwar allgemeingültige Kriterien, aber viel entscheidender ist, wie das Licht auf die Stadt eingeht.

Welchen Eindruck haben Sie von Potsdam bei Nacht?

Potsdam ist in meinen Augen recht einzigartig. Sie haben eine völlig geschlossene Lichtfarbe in dieser Stadt, ein orangefarbenes Straßenlicht, ein Natriumdampflicht. Und es gibt – außergewöhnlich für eine touristische Stadt – kaum Anstrahlungen von Gebäuden. Wenn Sie sich mal überlegen, wie Potsdam durchstrukturiert ist von Monumenten: Das fängt schon bei der Nikolaikirche an – dunkel. Davor der aufwendig gebaute neue Landtag – dunkel. Gegenüber der Marstall – dunkel. Die kleine charmante Moschee, das Dampfturbinenhaus – dunkel. Nur auf das Schloss Sanssouci strahlt ein Scheinwerfer, aber da kommen Sie nachts nicht hin, weil der Park geschlossen ist.

Die Grünen und die FDP im Stadtparlament fordern jetzt einen Lichtmasterplan.

Ich finde diesen politischen Vorstoß absolut richtig. Potsdam ist abhängig davon, nach außen zu wirken. Es ist eine Stadt, die sich in der Nacht viel besser präsentieren könnte. Mich wundert, dass das nicht schon viel früher geschehen ist.

Ein Masterplan kostet Geld. Was hätte die Stadt dabei zu gewinnen?

Städte sind aufgefordert, die Zukunft zu strukturieren – mit Leitlinien dazu, was man erwartet, welchen Anteil eine Stadt verantwortet und welchen Anteil Private zu verantworten haben. Ein Plan liefert auch Argumente: Wenn Sie zum Beispiel einem Geschäftsinhaber Neonwerbung an der Fassade nicht genehmigen wollen, müssen Sie erklären können, dass nur eine attraktive Stadt Menschen anzieht. Potsdam kann von Glück reden, dass bisher nichts schiefgelaufen ist.

Was meinen Sie damit?

Es gibt viele Beispiele von Städten, wo das Licht außer Kontrolle geraten ist. Solcher Wildwuchs könnte auch in Potsdam kommen. Es ist aber viel einfacher, in der Dunkelheit eine bessere Atmosphäre zu erzeugen als bei einer Überstrahlung. Ein Masterplan sollte die Weiterentwicklung zu besserem Licht strukturieren.

Wie kann das aussehen?

In Berlin, wo wir an einem solchen Masterplan mitgewirkt haben, war das eher eine Frage des Rückbaus. In Potsdam müsste es darum gehen: Welche von allen Monumenten sind uns wichtig und sollen besonders in Szene gesetzt werden? Umgekehrt bedeutet das auch: Bei allen anderen lassen wir nichts zu. So wird die Stadt besser strukturiert.

Nicht nur ein Masterplan, auch die Beleuchtung selbst kostet Geld

Das muss nicht alles die Stadt zahlen. Es ist immer die Frage, was Sie einfordern: Wollen Sie zum Beispiel Spenden für die für die Beleuchtung der Gebäude? Durch einen Lichtmasterplan können die Aktivitäten in der Stadt kanalisiert werden. Wir bieten der Stadt als Hochschule auch an, da zu unterstützen. Unsere Studenten haben 2012 im Auftrag der Stadt Berlin mehr als 100 Orte Berlins lichttechnisch bewertet und analysiert, wo Handlungsbedarf besteht. Das hätten wir natürlich genauso gern für Potsdam getan!

Was sind aus Ihrer Sicht die dringendsten Baustellen?

Es gibt in Potsdam eine ganz klare Struktur: Die Innenstadt ist ausschließlich mit Laternen beleuchtet, wenn Sie herauskommen, gibt es eine technische Straßenbeleuchtung. Was mir fehlt, ist die Akzentuierung des Übergangs von der Kernstadt zur äußeren Stadt – keines der drei Eingangstore ist beleuchtet. Zweitens ist Potsdam nicht nur von Monumenten, sondern auch von wenigen Plätzen geprägt: Aber gehen Sie mal nachts über den Platz der Einheit – da gibt es Licht nur durch die Straßenbeleuchtung rundherum. Es wirkt, als wäre der Platz ein Loch in der Stadt, nicht ein Zentrum. Auch die Peter-und-Pauls-Kirche steht auf einem völlig dunklen Platz. Oder die städtebaulich sehr spannende Situation am Luisenplatz mit dem Brandenburger Tor und dem Übergang zur Brandenburger Straße: Das ist in der Nacht nicht erlebbar. Diese Plätze könnte man von Löchern zu Fokuspunkten in der Stadt machen.

Gibt es vielleicht auch schon Lichtblicke?

Ja. Das gleichmäßige Licht ist nicht hoch genug einzuschätzen. Wir haben hier bisher sehr zurückhaltende Private und Geschäftsbetreiber. Das heißt: Wenn ich das Licht in Potsdam verbessern will, muss ich nicht gegen Leute kämpfen, sondern kann zusammen entwickeln. Außerdem ist die Lichtqualität hier besser als beispielsweise in Steglitz oder Zehlendorf.

Wie meinen Sie das?

Die Straßenbeleuchtung in Potsdam ist technisch sehr professionell gemacht. Das Licht ist gleichmäßig, die Abstände der Straßenleuchten sind perfekt, Sie finden kaum eine kaputte Lampe – das fällt im Deutschlandvergleich auf. Potsdam hat das Stadtlicht funktional im Griff. Das sind beste Voraussetzungen dafür, das jetzt zu strukturieren und fortzuentwickeln.

Welches Energiesparpotenzial gibt es bei der Stadtbeleuchtung?

Potsdam ist in Relation zu Städten in den alten Bundesländern schon sehr energieeffizient beleuchtet. Man darf nicht erwarten, dass da noch 50 Prozent Energie gespart werden kann. Es gibt aber auch hier ein Riesenthema: Die Zukunft der öffentlichen Beleuchtung liegt in LED. Die haben aber eine ganz andere Lichtfarbe, ein weißes Licht, das es in Potsdam bisher so nicht gibt.

Gibt es keine gefärbten LED-Leuchten?

Nicht standardmäßig. Die momentan verfügbaren Leuchten würden eine ganz andere Lichtatmosphäre in der Stadt erzeugen. Die Stadt muss sich genau überlegen, wie sie langfristig mit diesem Technologiewechsel umgeht. LED mit einer anderen Lichtfarbe müsste man gezielt anfordern. Sie können die alten Lampen auch nicht einfach hier und dort gegen die neue Technologie auswechseln – dann fällt Ihnen die Stadt auseinander. Man müsste gezielt quartiersweise vorgehen. Das alles gehört zu einem Lichtmasterplan.

Wie entwickelt man so ein Konzept?

Zuerst muss man die Stadt analysieren und verstehen. Dann geht es um das Hierarchisieren: Was sind die Dinge, auf die wir hinweisen müssen? Daraus leitet sich ab, welches Lichtniveau man sich wünscht. Dafür gibt es keine Normen: Wie in allen Städten ist auch in Potsdam ein ganz bestimmtes Lichtempfinden, eine Gewohnheit entstanden – und daran müssen Sie anknüpfen.

Wie kommt man dieser Gewohnheit auf die Spur?

In Leipzig zum Beispiel haben wir umfängliche Befragungen gemacht: bei politischen Parteien, Kirchen, Bürgervereinen, Hoteliers, Taxifahrern – also Leuten, die die Stadt kennen. Das unglaublich Überraschende dabei war, wie gleich sich die Menschen ihre Stadt im Licht wünschen. Wenn es um die Stadtidentität geht, ist Licht ein sehr integrativer Faktor.

Auch in einer in vielen Fragen zerstrittenen Stadt wie Potsdam?

Ja. Ich bin sicher, für eine wirklich gute Beleuchtung für das Nauener Tor, das Brandenburger Tor und das Jägertor werden Sie hier einen ganz breiten gesellschaftlichen Konsens finden.

Das Interview führte Jana Haase.

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