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Der PNN-Newsletter - heute von Jana Haase.

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Potsdam Heute, 17. März 2023: Eine Villa mit Geschichte

Die wichtigsten Termine, die interessantesten Themen und News. Alles, worüber Potsdam spricht, im PNN-Newsletter „Potsdam Heute“.

Stand:

Guten Morgen,

wann sind Sie zum letzten Mal an der Bertinistraße spazieren gegangen? Dort gibt es dieser Tage ein trauriges Schauspiel zu beobachten: Die Villa Louis Hagen wird abgerissen. Die Stadt verliert damit nicht nur eines der wenigen Beispiele des "Neuen Bauens", sondern auch einen Ort, der für eine bemerkenswerte deutsch-jüdische Familiengeschichte steht und nicht zuletzt auch Filmgeschichte schrieb.

Die einstigen Eigentümer, die aus Köln stammende jüdische Bankiersfamilie Levy, war zunächst in Berlin heimisch geworden und 1905/06 zum deutsch klingenden Namen Hagen gewechselt. Zur gleichen Zeit ließ Carl Hagen am Templiner See in Potsdam die Villa Carlshagen - heute Domizil einer Privathochschule - als Sommersitz errichten. Er machte mit dem Bankhaus Hagen & Co ein Vermögen und wirkte auch als Mäzen für Kunst und Wissenschaft, kaufte zum Beispiel für die Berliner Nationalgalerie Werke von Manet, Monet und Renoir.

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Carls 1888 geborener Sohn Louis Georg Hagen sollte sich mit den fünf Kindern in der nach ihm benannten Villa am Jungfernsee niederlassen. Sie glich zunächst einer Art orientalischem Märchenschloss und wurde Ende der 1920er Jahre im Bauhausstil umgebaut. Louis Hagen war offenbar auch sonst für fortschrittliche Ideen zu haben: Für seine Kinder und einige Nachbarskinder hatte er eine Mini-Privatschule im Garten eingerichtet, bei der sich die Kinder den Lehrstoff selbst erarbeiten sollten. Als Lehrerin fungierte die Animationsfilmpionierin Lotte Reiniger, die in der Gartenhaus-Garage der Villa drei Jahre lang am Scherenschnittfilm "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" arbeitete - er gilt heute als der älteste noch erhaltene Animations-Langfilm der Welt.

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Die Kinder von Louis Hagen emigrierten Mitte der 1930er Jahre nach England und in die USA, nachdem Louis Hagen Junior als Teenager wegen einer NS-kritischen Postkarte einige Wochen im KZ Lichtenburg einsitzen musste. Den Eltern, die ebenfalls einige Monate inhaftiert waren, gelang die Flucht über Japan in die USA noch 1940. Aber nicht alle Familienmitglieder entkamen den Nazis: Hermann Hagen, Louis' Bruder und der Großvater der bekannten Sängerin Nina Hagen, wurde 1942 im KZ Sachsenhausen ermordet. Und Vater Carl Hagen war 81-jährig im Januar 1938 in Potsdam gestorben, wenige Wochen nachdem sein Bankhaus von den Nazis liquidiert worden war.

Die Familie hinterließ auch nach der Potsdamer Zeit Spuren. Als Louis Hagen Junior im Jahr 2000 starb, erinnerte die britische Tageszeitung The Guardian mit einem Nachruf an den Bestseller-Autoren, Filmproduzenten und Journalisten. Er hatte sich während des Zweiten Weltkriegs zur britischen Armee gemeldet, war 1944 als Segelflieger an der Schlacht um Arnheim beteiligt und danach als Reporter für die Alliierten unter anderem in Asien unterwegs. Mit Lotte Reiniger, die er aus den Potsdamer Kindertagen kannte, gründete er in den 1950er Jahren in London eine Produktionsfirma für Kinderfilme.

Die Villa Louis Hagen lag nach dem Zweiten Weltkrieg im deutsch-deutschen Grenzgebiet, sie diente zu DDR-Zeiten als Rechenzentrum. Nach dem Mauerfall verfiel sie und wechselte mehrfach den Eigentümer. Die Abrissgenehmigung erhielt der damalige Besitzer 2009 - die Stadt hielt den finanziellen Aufwand für eine Sanierung für nicht zumutbar. Ob diese Entscheidung heute auch so fallen würde? Dass auch bereits aufgegebene Gebäude wiederbelebt werden können, wenn der Wille nur da ist, hat zuletzt Hasso Plattner mit dem Kunstmuseum Minsk gezeigt. Es wäre zu wünschen, dass Potsdam - trotz des bedauerlichen Abrisses - an die Familie Hagen erinnert.

Auch im heutigen Newsletter:

  • Die Gute Nachricht: Potsdams Karstadt bleibt
  • Die Frage der Woche: Würden Sie nach Krampnitz ziehen - und warum (nicht)? 
  • Ausblick auf die kommenden Tage, Veranstaltungshinweise und ein Gastrotipp
  • Drei Fragen an den Historiker und MMZ-Vizechef Werner Treß zum Tag von Potdsam

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