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Unbeirrt. Trotz leerer Kassen hält Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) daran fest, das derzeit für die Öffentlichkeit gesperrte Seeufer am Griebnitzsee wieder öffentlich zu machen  Kostenpunkt: rund 13 Millionen Euro.

© Manfred Thomas

Von Alexander Fröhlich: Potsdam im Vergleich der großen Vier

Das Image entspricht nicht den Tatsachen: Bei den Finanzen steht Potsdam kaum besser da als andere kreisfreie Städte in Brandenburg

Stand:

Ihr Ruf ist besser als die Wirklichkeit. Potsdam gilt als die Stadt in ganz Ostdeutschland mit den höchsten Zuwachsraten bei Einwohnern und Wirtschaftskraft. Das Lohnniveau ist höher als anderswo. Hier lässt sich’s leben. Doch das Image der gut gedeihenden, grünen Großstadt am Rande Berlins trügt. In der Riege der vier kreisfreien Städte im Land Brandenburg steht Potsdam keineswegs deutlich besser da als etwa Cottbus, Frankfurt (Oder) oder Brandenburg/Havel, die anderen drei Oberzentren des Landes. Die Oberbürgermeister aller vier Städte forderten daher am gestrigen Donnerstag mit einem einmaligen Appell vom Land, beim kommunalen Finanzausgleich nachzubessern. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) warnte vor „dramatischen Verschärfung der Finanzsituation“, soll der Landtag das Gesetz nächste Woche in der jetzigen Form beschließen.

Brandenburgs vier kreisfreie Städte haben ähnliche Probleme: Deren Haushalte hätten sogar dann noch ein Defizit , wenn eisern gespart und sämtliche freiwilligen Ausgaben gestrichen werden, sagte Jakobs. Für dieses Jahr verzeichnen die vier Städte jeweils ein Haushaltsdefizit in zweistelliger Millionenhöhe – und Potsdam ist keineswegs ein Musterschüler. Der Landeshauptstadt fehlen fast 25 Millionen Euro, Brandenburg/Havel hat ein Minus von knapp 28 Millionen Euro, Frankfurt bräuchte fast 16 Millionen Euro mehr und Cottbus hat ein Defizit von mehr als 58 Millionen Euro. Allerdings will sich Potsdam in den nächsten Jahren strategisch besser aufstellen. Bis zum Jahr 2013 will die Stadt das strukturelle Defizit auf knapp 16 Millionen Euro senken, Brandenburg/Havel auf 23 und Cottbus auf knapp 49 Millionen Euro. Nur Frankfurt (Oder) rechnet mit einem auf 22 Millionen Euro steigenden Defizit.

Jakobs sagte, nicht einmal die Pflichtaufgaben könnten ohne neue Kredite finanziert werden. Die Städte müssen in diesem und dem nächsten Jahr Kassenkredite von 60 Millionen Euro (Potsdam) bis 240 Millionen Euro (Cottbus) in Anspruch nehmen. Dieses Instrument ist eigentlich eine Art Dispo-Kredit für Kommunen, gedacht um kurzfristige Engpässe zu überbrücken. Inzwischen aber greifen die Kommunen dauerhaft auf die Kassenkredite zurück, um laufende Ausgaben zu finanzieren, was die Schulden weiter hochtreibt. Diese liege laut Jakobs pro Einwohner in den kreisfreien Städten durchschnittlich bei 1 377 Euro. Die Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden wiesen dagegen lediglich eine Pro-Kopf-Verschuldung von 767 Euro auf.

Hauptgrund für die miserable Finanzlage sind stetig anwachsenden Sozialkosten, etwa für das Arbeitslosengeld II, weshalb Jakobs forderte: „Das Land muss die steigenden Sozialausgaben kompensieren.“ Die Kommunen müssen einen immer höheren Anteil an den Kosten zur Unterkunft und Heizung für Bedürftige tragen. Der Bund dagegen zieht sich immer stärker aus der Finanzierungs zurück. Dessen Anteil sank von 31,2 Prozent im Jahr 2007 auf 23 Prozent in diesem Jahr. In Potsdam stieg der Zuschuss zu den Hartz-IV-Leistungen von knapp 27 Millionen Euro im Jahr 2007 auf fast 31 Millionen in diesem Jahr. Cottbus verzeichnet eine Zuwachs von 21 auf 24,4 Millionen Euro, in den beiden am stärksten schrumpfenden Städten Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel gab es nur einen moderaten Anstieg auf 15,4 und 18,1 Millionen Euro. Insgesamt verzeichnen alle vier kreisfreien Städte eine steigende Zahl von Leistungsempfängern – entweder Arbeitslosen oder Rentnern mit Anspruch auf Grundsicherung. Das hat auch mit der Sogwirkung großer Städte zu tun, das meist besser ausgebaute System von Hilfsangeboten zieht die Menschen aus dem Umland an. „Die Kosten sind exorbitant angestiegen“, so Jakobs. „Wenn meine Sozialbeigeordnete kommt, sie braucht mehr Geld für Unterkunftskosten, dann ist das eine Pflichtaufgabe. Da bleibt uns kein Handlungsspielraum.“

Mit ihren Steuereinnahmen können die großen vier Städte Brandenburgs die Kosten jedenfalls nicht decken. Wobei Potsdam im Vergleich, aber auch wegen der höheren Einwohnerzahl von 156 000, durchweg besser dasteht. Die Landeshauptstadt konnte seit 2007 stets etwas mehr als 100 Millionen Euro an Gewerbe- und Einkommensteuer im Haushalt als Einnahme verbuchen. Cottbus mit 100 000 Einwohnern pendelte sich in diesem Jahr bei 72 Millionen Euro ein, größere Gewerbesteuereinnahmen des Energiekonzerns Vattenfall führten nur 2008 nur zu einem Sprung auf 125Millionen Euro. Brandenburg/Havel (72 000 Einwohner) liegt seit 2007 bei mehr als 42 Millionen Euro, Frankfurt (Oder) mit 60 000 Einwohnern bei 36 Millionen Euro.

Dass Potsdam trotz der Misere 13 Millionen Euro für den Uferweg am Griebnitzsee ausgeben will, verteidigte Jakobs energisch. „Ich hätte mir das auch gern erspart. Aber wenn es eines politische Mehrheit dafür gibt, muss man auch sagen, was das kostet.“ Außerdem trage Potsdam mit dem Ufer-Streit– gewissermaßen als Vorreiter – einen „paradigmatischen Konflikt“ aus, der auch „an anderer Stelle wiederkommt“.

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