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Landeshauptstadt: Potsdam, Ortsteil Entenhausen

Heimische Stockenten kommen zunehmend zum Brüten in die Innenstädte / Nester auf Dächern, Bäumen und in Innenhöfen

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Heimische Stockenten kommen zunehmend zum Brüten in die Innenstädte / Nester auf Dächern, Bäumen und in Innenhöfen Von Christian Klusemann „Achtung! Brütende Entenmama! Bitte Ruhe und nicht füttern, danke.“ Das steht mit Edding auf einem Pappschild geschrieben, das jemand an einer Mülltonne im Französischen Quartier gegenüber der Wilhelm-Galerie angebracht hat. Der Tierschutz sei bereits informiert und werde die Küken umsiedeln, wenn sie geschlüpft seien, steht da weiter. Eine Ente, die mitten in der Stadt brütet? Doch. Tatsache. Da sitzt sie. Im Schatten von Geäst und Gestrüpp hat sie sich auf einer Einfassung für Mülltonnen ein Nest aus kleinen Ästen gebaut. Völlig ruhig und entspannt, den Kopf unter dem linken Flügel versteckt, hockt sie da, hütet ihren ungeschlüpften Nachwuchs. Von den Leuten, die ihren Müll rausbringen, lässt sie sich nicht abschrecken. Verkehrte Welt, könnte man meinen. Die Enten sind da! Aber als ob das noch nicht genug wäre, landen sie auch auf unseren Dächern. Im vergangenen Jahr soll sogar eine im Innenhof des Rathauses gebrütet haben. Das erzählt jedenfalls Wolfgang Mädlow, Ornithologe beim Naturschutzbund Brandenburg (NABU). Vorbei also die gute alte Zeit, als die Enten noch in Ufernähe im Schilf gebrütet haben? Keineswegs. Für den Potsdamer Vogelforscher ist die Invasion der Enten in die Innenstädte der Republik nichts Neues. Denn zunächst, sagt Mädlow, müsse man wissen, dass die in Deutschland heimische „Anas platyrhynchos“, besser bekannt als Stockente, überhaupt nicht in Ufernähe brütet. Naja, jedenfalls nicht nur, schränkt der Vogelexperte ein. „Es kommt zwar vor, aber diese Entenart, übrigens die Stammform der Hausente, brütet hauptsächlich an Land.“ Meistens gingen die Tiere dazu in den Wald. „Die Enten“, erklärt Mädlow, „brüten dort manchmal in relativ großer Höhe. Manchmal auf bis zu 20 Meter hohen Bäumen. Das tun sie, um sich besser vor ihren natürlichen Feinden, Greifvögeln und Füchsen, schützen zu können“, weiß er, der außerdem NABU-Landesgeschäftsführer und Sprecher der Berliner und Brandenburger Ornithologen ist. Allerdings käme es auch vor, dass andere Enten dann wieder auf dem Boden brüten würden. Warum, dies sei allerdings noch nicht geklärt. Denn „das ist ja eigentlich viel gefährlicher“, sagt er. „Aber die Antwort weiß ich auch nicht.“ Schön und gut, aber was hat das denn jetzt damit zu tun, dass die Enten in die Städte kommen? „Die Enten sind sehr anpassungsfähig. Es ist im Grunde genommen egal, ob die Tiere jetzt auf Bäumen brüten oder auf Gebäuden, in Innenhöfen oder auf Mülltonnen. Das haben sie sich im Laufe der Zeit angewöhnt.“ Man könne vielleicht von einer Art Urbanisierung der Vögel sprechen. „Der Lebensraum der Enten wird vom Menschen immer mehr eingeengt. Dann kommen die eben in die Stadt. Aber einen echten Grund gibt es nicht. Außer eben den Schutz vor Räubern“, erläutert Wolfgang Mädlow. Wie die Küken nach dem Schlüpfen aus großen Höhen wieder herunter kommen? „Die springen“, sagt der Vogelforscher. „Das macht denen nichts aus.“ Allerdings sei es für es für die geschlüpften Entenjungen und deren Entenmama alles andere als ungefährlich, zum Brüten in Menschennähe zu kommen. „Das größte Problem ist, dass der eigentliche Lebensraum der Stockente in Wassernähe ist. Da hin kehren die Küken nach dem Schlüpfen zurück.“ Und der Weg dorthin, wie zum Beispiel vom französischen Quartier zum Heiligen See, führt über gefährliche Straßen. „Auf diese Weise kommen die meisten Küken zu Tode“, so der Ornithologe. Wohl auch deshalb habe man auf den Zettel an der Mülltonne im Französischen Quartier geschrieben, der Tierschutz sei informiert. „Ich bin sehr froh, dass sich jemand um die Enten kümmert. Uns hat allerdings niemand Bescheid gesagt. Bleibt also nur zu hoffen, dass die Ente auf der Mülltonne munter mit den Küken zum Wasser zurückwatscheln kann.“ Das scheint ihr offenbar tatsächlich gellungen: Seit einer Woche ist das Nest leer. Das hatten auch die PNN abgewartet, um „Enten“-Touristen nicht anzulocken. Auf dem Heiligen See tummeln sich zahlreiche Entenfamilien – bestimmt auch die von der Mülltonne mit dem Pappschild.

Christian Klusemann

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