Links und rechts der Langen Brücke: Potsdam soll zahlen
Sabine Schicketanz sieht die Kommunen in der Pflicht – nur sie können eine Woche vor Schulbeginn Erstklässlern aus Hartz-IV-Familien helfen
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Der Vorwurf, es werde hier Polemik betrieben, ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Eine Woche vor den Einschulungsfeiern in Brandenburg fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Kommunen im Land auf, die Erstklässler aus einkommensschwachen Familien mit Sonderzahlungen zu unterstützen. Denn schließlich koste eine Erstausstattung für die Schule rund 180 Euro – Geld, das viele Eltern, die arbeitslos sind, nur mühsam aufbringen könnten. Das aber werden die Betroffenen längst gemerkt haben, denn für gewöhnlich wird die Schulausstattung nicht erst in der Woche vorher gekauft. Damit kommt die Forderung des DGB viel zu spät. Wesentlich ist aber auch, dass sie sich vornehmlich an die Kommunen richtet. Diese haben nämlich nur mittelbar mit der Misere zu tun: Die Regelsätze des Arbeitslosengeldes II bestimmt der Bund. Die Arbeitsagenturen – in Potsdam die Arbeitsgemeinschaft Paga – geben das Geld nur weiter. Die Entscheidung, dass es keine Zusatzzahlungen für die Einschulung gibt, haben ebenfalls der Bund und die Bundesagentur für Arbeit getroffen – und das Berliner Sozialgericht hat sie bestätigt. Dazu kommt: Die meisten Kommunen im Land Brandenburg sind hoch verschuldet. Ein ausgeglichener Stadt- oder Gemeindehaushalt lässt sich lange suchen. Warum also sollten die Kommunen, warum sollte die Landeshauptstadt Potsdam auf die Forderung des Gewerkschaftsbundes reagieren, trotz aller Polemik? Die Antwort fällt leicht: Weil die Erstklässler, deren Eltern keine Arbeit haben, nicht unter politischen Fehlentscheidungen leiden sollten – egal, auf welcher Ebene sie getroffen wurden. Eine solche Fehlentscheidung ist mit Sicherheit, dass in den Ausgaben, die den Hartz-IV-Empfängern von Amts wegen zugebilligt werden, Kosten für die Schulbildung ihrer Kinder gar nicht auftauchen. 1,64 Euro im Monat für Schreibutensilien ist alles, was sich in der amtlichen Bedarfsberechnung finden lässt. Dies muss der Bund so schnell wie möglich ändern – sonst steht diese Lücke bald sinnbildlich für das, was an Schulen teilweise längst Realität zu sein scheint: Eine Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Familien. Diese zu lindern liegt nicht allein am Geld, soviel ist klar. Und doch gehört eine ausreichende Schulausstattung der Kinder zu den Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Lernen. Hier kommen die Kommunen wieder ins Spiel: Der Bund wird nicht in einer Woche den Hartz-IV-Regelsatz anheben. Sie sind die einzigen, die jetzt wirksam handeln können. Deshalb sollte Potsdam zahlen – mindestens 25 Euro für jeden Schulanfänger aus einer Hartz-IV-Familie.
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