Landeshauptstadt: Potsdam und die Vereinigten Staaten
Abriss einer transatlantischen Beziehung: Von Friedrich II. und Einstein über Clinton bis Oracle und ebay
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Abriss einer transatlantischen Beziehung: Von Friedrich II. und Einstein über Clinton bis Oracle und ebay Ein Potsdamer nahm durch sein freiheitliches Denken früh Einfluss auf die US-Geschichte: Neben den Ideen von Locke, Montesquieu und Rousseau floss auch der Toleranzgeist Friedrich II. in die amerikanische Deklaration der Menschenrechte und die Unabhängigkeitserklärung (1776) ein. Zuvor, 1758, arbeitete ein junger Adjudant im Stab Friedrichs des Großen, der in seiner militärischen Karriere ganz handfest US-Geschichte schreiben sollte: Friedrich Wilhelm von Steuben. Im Range eines Generalmajors und an der Seite von George Washington führte er ein Heer aus Farmern in den Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer und zum Sieg. Apropos, die USA ein Land der Farmer: Beim Stichwort Virginia horcht Mathias Männecke auf. Der Potsdamer betreibt den Onlineshop.de und weiß, viele Top-Zigaretten werden aus Virginia-Tabacken hergestellt. Auch in Connecticat wachse guter Tabak, der für jede dritten Zigarrenmarke verwendet wird – außer in kubanischen. Die rauchte Winston Churchill am liebsten und blies ihren Rauch gleich zwei US-Präsidenten in die Atemluft: Franklin Delano Roosevelt und Harry S. Truman sogar in Potsdam bei der Dreimächtekonferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 auf Schloss Cecilienhof. Das hier unterzeichnete „Potsdamer Abkommen“ enthält wichtige Entscheidungen der europäischen Nachkriegsordnung.Die großen Drei (Truman, Stalin und Churchill, ab 28. Juli 1945 Nachfolger Clement Attlee) erkannten die Tatsache de facto an, dass Deutschland künftig bereits 80 Kilometer östlich von Potsdam enden wird, an der Oder-Neiße- Grenze. Neben der Ausstellung auf Schloß Cecilienhof erinnern die Stalin- , die Churchill- und die Truman-Villa, heute Sitz der Friedrich-Naumann-Stiftung, an die Potsdamer Konferenz. Am 24. Juli 1995 besuchte der frühere US-Präsident George Bush die Stadt Potsdam anlässlich des 50. Jahrestages der Potsdamer Konferenz. Dem Gipfeltreffen ging der II. Weltkrieg und der Nationalsozialismus voraus. Im Zuge der Judenverfolgung und des allgemeinen geistigen Verfalls erlebte Potsdam eine beispiellose Abwanderung großer Persönlichkeiten. Viele gingen in die USA: Etwa Albert Einstein, der Schöpfer der Relativitätstheorie, der hin und wieder von Caputh rüber kam, um den Einsteinturm zu besuchen. Marlene Dietrich, berühmt durch die fesche Lola in dem Streifen „Der blaue Engel“, ging bereits 1930 nach Hollywood. Angebote, in das Deutschland Hitlers zurückzukehren, lehnte sie ab. „Aus Anstand“ wird sie überzeugte Antifaschistin. Weitere namhafte Persönlichkeiten der Babelsberger Filmbranche emigrierten in die USA – der Regisseur Fritz Lang („Die Nibelungen“, „Metropolis“), der Schauspieler Conrad Veidt („Casablanca“) oder der Ufa-Produktionschef Erich Pommer. Während der DDR-Zeit waren die USA mit einer Militärmission bei Potsdam präsent – im „Haus Lehnitzsee“ in Neu-Fahrland. Präsent waren sie aber auch in den Herzen und Ohren der Potsdamer – mit ihren Stars des Rock n“ Roll via Rias Berlin. In der Zeit des kalten Krieges stellte die Glienicker Brücke die Potsdamer Verbindung in die USA dar – auf jeden Fall für den Amerikaner Francis Gary Powers. Der Pilot des über der Sowjetunion abgeschossenen U2-Spionageflugzeugs wurde am 1. Mai 1960 auf der Glienicker Brücke gegen Rudolf Abel ausgetauscht. Deshalb nennen die Amerikaner sie auch Freedom-Bridge. Der Einfluß Amerikas und Potsdams auf deutsche Geschicke steigerte sich mit dem Ende der DDR. Beim Besuch von US-Außenminister James Baker am 12.Dezember 1989 in Potsdam erfolgte eine „zentrale Weichenstellungen für die Wiedervereinigung Deutschlands“, erklärt Manfred Görtemaker, Professor an der Uni Potsdam. Am 13. Mai 1998 ist Bill Clinton nach Truman der zweite amtierende US-Präsident, der Potsdam besucht. Bundeskanzler Kohl hat Clinton vor dem Neuen Palais empfangen und im Speisesaal des Alten Fritzen in Sanssouci mit ihm getafelt. In den 15 Jahren nach der Wende wachsen die wirtschaftlichen Beziehungen: Der amerikanische Softwarekonzern Oracle errichtet einen Standort an der Schiffbauergasse. Dort arbeiten Menschen aus vielen Ländern, ein Amerikaner, wie zu erfahren war, ist nicht darunter. Der Online-Marktplatz ebay baute vor den Toren Potsdams, in Dreilinden, seine Europa-Zentrale. Direkt aus Hollywood kommen die Aufträge für Studio Babelsberg, das in den USA seinen Mythos nie verloren hat – nur dass es mittlerweile amerikanische Stars sind, die in Potsdam vor der Kamera stehen. Doch der transatlantische Technologietransfer ist keine Einbahnstraße: Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam errichtet eine Außenstelle im „Silicon Valley“. Potsdam etabliert sich als Firmenstandort: Die Gallup GmbH Deutschland, ein Tochterunternehmen von The Gallup Organization, ist seit 2002 in Potsdam ansässig, in der Bergmann-Villa in der Berliner Straße. Das Unternehmen widmet sich neben der Meinungs- und Marktforschung der Unternehmensberatung. Nicht zuletzt sind die Vereinigten Staaten in der Stadt der Gourmet-Köche kulinarisch am Ball: McDonalds-Filialen finden sich in der Brandenburger Straße, an der Fritz-Zubeil-Straße und am Horstweg. Wer den Tag der US-Präsidentschaft am kommenden Dienstag, 2. November, mit einem echten amerikanischen Frühstück beginnen will, der ist im Daily Coffee in der Friedrich-Ebert- Straße genau richtig. Ein Vorschlag: Beef & Beans mit Eiern, dazu ein Bagel und amerikanischer Filterkaffee. Not bad!
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