
© Andreas Klaer
Wandern in Potsdam: Potsdamer Höhen
Wolfgang Mörtl wollte alle Berge in Potsdam erwandern. Nach Recherchen in Archiven, alten Karten und Büchern kam er auf 59 Erhebungen. Bei seinen Touren erlebte er einiges.
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Zum Beispiel der Babelsberg. Jeder Potsdamer kennt den Namen, aber wo genau ist denn da überhaupt ein Berg? Wolfgang Mörtl ist Mathematiker – vielleicht deshalb will er so etwas exakt klären können. Dass es sich um eine Erhebung im Park Babelsberg handelt, liegt nahe – aber welche? Ehe Mörtl, 66 Jahre alt und im Ruhestand – die Wanderschuhe angezogen, hat er mit Mitarbeitern des Landesvermessungsamtes und der Schlösserstiftung gesprochen, nicht zuletzt auch mit dem früheren Babelsberger Chefgärtner Karl Eisbein. Und schließlich die Antwort gefunden: Es handelt sich um die sogenannte Viktoriahöhe, die höchste Erhebung im Park, dort, wo auch die Siegessäule steht. Auch die Frage, wieso diese Stelle in älteren Karten noch Friedrich-Wilhelm-Höhe heißt, klärte Mörtl nebenbei: Um das Jahr 2000 wurden die Namen der Erhebungen im Park Babelsberg von der Stiftung überarbeitet – die Friedrich-Wilhelm-Höhe wurde dabei um ein paar Meter „verlegt“.
59 Potsdamer Berge hat Wolfgang Mörtl für sein Projekt ermittelt. Um Höhe geht es ihm dabei nicht, sondern darum, die unmittelbare Umgebung per Fuß zu erkunden. Der Wanderfan, der in den österreichischen Alpen bis auf den 2607 Meter hohen Morgenkogel gestiegen ist, und der während seiner gut zehn Jahre an der Hochschule Zittau auch das Wandern im Mittelgebirge für sich entdeckt hat, wollte in seiner Heimatstadt einfach all das erwandern, „wo Berg dran steht“. Egal war für ihn dabei auch, ob es sich um natürliche Berge oder künstliche handelt – wie den mit seinen 32,5 Metern niedrigsten Potsdamer Berg, den Tiroler Berg im Park Sanssouci, zwischen Schloss Charlottenhof und den Römischen Bädern. Wolfgang Mörtl ist hingewandert: „Der hat eine gefühlte Höhe von fünf oder vier Metern“, sagt er.
Der Rentner will in Potsdam alles erwandern "wo Berg dransteht"
Kurz nachdem er in Rente ging, im Frühjahr 2015 war das, machte Mörtl sich an die Recherche. Er studierte unter anderem alte Bücher in der Bibliothek und die vom Landesvermessungsamt im Internet veröffentlichten historischen Karten. Im vergangenen Sommer startete er dann seine Wanderungen: „An manchen Tagen habe ich bloß drei Berge geschafft, an anderen sieben“, erzählt er. Mithilfe einer Wander-App für das Smartphone vermerkt er die erwanderten Berge mit den genauen Koordinaten in einer Karte und notiert die nach Angaben des Landesvermessungsamtes aktuellen Höhen der Berge – nicht immer stimmen die mit dem überein, was in handelsüblichen Wanderkarten zu finden ist, bemerkte Mörtl. Außerdem schießt er Fotos von seinen Ausflügen und beschäftigt sich natürlich immer auch mit der Frage, wie der Berg zu seinem Namen kam.
Nicht immer sind die Berge leicht zu finden. Denn es gibt Berge, die sind regelrecht in Vergessenheit geraten – wie der Mühlenberg in Fahrland. „Dort, wo die Mühle steht, ist kein Berg“, berichtet Mörtl: „Da muss man dann einen alten Fahrländer fragen.“ Dabei stellte sich heraus: Die Mühle wurde umgesetzt.
Beim Ehrenpfortenberg brauchte er die Erlaubnis vom Kasernenkommandanten
Bei anderen Bergen brauchte der 66-Jährige wiederum Geduld, ehe er überhaupt hinkam. Zum Beispiel beim Ehrenpfortenberg in Golm. Die Erhebung liegt auf dem Gelände der Havellandkaserne. Als Mörtl vorsichtig bei der Wache anfragte, ob er den Berg sehen könne, bekam er zunächst eine rigorose Absage. „Dann habe ich einen Brief an den Kasernenkommandanten geschrieben“, berichtet er. Und siehe da: Er bekam ein freundliches Antwortschreiben und eine Telefonnummer, um einen Termin für den Besuch zu vereinbaren. „Ein Adjutant hat mich dann mit dem Auto hochgefahren“, erzählt Mörtl. Es war die einzige Ausnahme von seiner Regel, nach der er jeden Berg tatsächlich zu Fuß zu erwandert. „Man hat einen schönen Blick bis Berlin“, erzählt er.
58 Berge hat Mörtl mittlerweile erwandert. „Der Kellerberg auf dem Gelände der Kaserne Krampnitz fehlt noch“, sagt er. Auch dort versuchte er es mit einer freundlichen Anfrage. Ohne Erfolg: „Solange das Gerichtsverfahren läuft, lassen sie überhaupt keinen drauf“, sagt Mörtl. Bekanntlich sind die Eigentumsverhältnisse in Krampnitz noch ein Fall für die Richter.
Nur ein Potsdamer Berg fehlt Mörtl noch - in Krampnitz
Mittlerweile überlegt Wolfgang Mörtl, ob er die bei seinen Wanderungen recherchierten Geschichten und Daten nicht veröffentlichen kann. Aus einer ersten Idee für einen Film sei dann doch nichts geworden, erzählt er. Ein Wanderheft kann er sich aber vorstellen.
Befragt nach seinen Lieblingsbergen nennt der Potsdamer einige Klassiker: Den Pfingstberg schätzt er für die großartige Aussicht, den Kapellenberg für die Russisch-Orthodoxe Kapelle, den Ruinenberg für die künstliche Ruinenanlage – „das gibt es nicht so oft“. Auf dem Telegrafenberg gibt es etwas, was das Herz des Mathematikers besonders hoch schlagen lässt: Den Nachbau der Telegrafenstation von der früheren Telegrafenlinie von Berlin nach Koblenz.
Die Telegrafen konnten ihre Signale mit drei an einem Mast befestigten Flügelpaaren übermitteln, jeder der sechs Flügel konnte dabei in vier Stellungen gebracht werden – macht kombiniert genau 4096 verschiedene Möglichkeiten: „Das habe ich meinen früheren Kollegen geschickt – falls sie mal eine Praxisaufgabe brauchen.“
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