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Entführung bei Kundus: Potsdamer in der Gewalt der Taliban

Ein 37 Jahre alter Potsdamer Entwicklungshelfer wurde bei Kundus verschleppt. Ein Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt ist mit dem Fall befasst.

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Kundus/ Potsdam/ Berlin - Er kam nach Afghanistan, um in dem Land zu helfen: Doch nun ist der 37 Jahre alte Stefan E. offensichtlich von den Taliban verschleppt worden. Am Montag bestätigten Sicherheitskreise den PNN, dass der vor etwas mehr als einer Woche in der nordafghanischen Provinz Kundus entführte deutsche Entwicklungshelfer aus Potsdam kommt.

Die erste Schlagzeilen von der Entführung gab es bereits vor knapp einer Woche: Die Taliban bestätigten damals die Entführung eines deutschen Entwicklungshelfers in der Nähe von Kundus. „Er wird von uns festgehalten“, wurde ein Kämpfer namens Mullah Wali aus der Taliban-Gruppe des lokalen Kommandeurs Ghulam Hasrat von der Deutschen Presse-Agentur zitiert. Es sei noch keine Entscheidung darüber gefallen, was mit der Geisel geschehen werde, sagte der Taliban-Kämpfer. In Medienberichten hieß es, der Mitarbeiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sei bereits am vorvergangenen Wochenende auf dem Weg nach Masar-i-Scharif von Taliban-Kämpfern gewaltsam verschleppt worden.

Keine detailierten Infos

Weitere Details, etwa ob deutsche Behörden schon Kontakt mit den Entführern aufgenommen haben und verhandeln, wurden nicht bekannt. Ein Sprecher des Bundesaußenministeriums in Berlin sagte lediglich, der Fall sei bekannt und der Krisenstab der Bundesregierung im Auswärtigen Amt damit befasst.

Damit folgt das Amt einer prinzipiell äußerst zurückhaltenden Kommunikationsstrategie. Zwar könne die Behörde das öffentliche Interesse an einem solchen Fall nachvollziehen, sagte ein Sprecher des Außenamts. Allerdings könnten Detailinformation den Bemühungen entgegenstehen, in schwierigen und komplexen Situationen dafür Sorge zu tragen, dass Entführte nicht beeinträchtigt werden.

"Perverse Strategie solcher Gruppen"

In einer Erklärung des Auswärtigen Amts vom vergangenen Sommer heißt es weiter, unter anderem gehe es bei dem Vorgehen auch um den Schutz von Kontaktpersonen vor Ort. Ebenso ist in der Erklärung von einer „weltweit operierenden Entführungsindustrie“ die Rede: „Es gibt nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, bei Isis, bei al-Nusra und bei anderen extremistischen Gruppierungen eine von uns beobachtete zunehmende Tendenz, Menschen für im Wesentlichen extremistische sinistre politische Zwecke zu entführen.“ Die Skandalisierung solcher Fälle in der Öffentlichkeit sei Teil der „perversen, perfiden Strategie solcher Gruppen“, heißt vom Außenamt weiter – unter Verweis auf den 2012 in Syrien entführten Journalisten James Foley, der im vergangenen August von Terroristen enthauptet wurde. Wie das Außenamt wollte sich auch die GIZ, in deren Auftrag der Potsdamer unterwegs war, nicht zu dem Fall äußern.

Noch vor einem Jahr wurde die Doktorarbeit von Stefan E. veröffentlicht, an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Potsdam promovierte er 2013 zu dem Thema „Minderheiten, der Staat und die internationale Gemeinschaft in Kambodscha“. Auf seiner Facebook-Seite ist er mit einer Gruppe vernetzt, die sich permanent über die Sicherheitslage in Afghanistan austauscht.

In Kundus hatte sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten deutlich verschärft. Am Montag meldete die Nachrichtenagentur Reuters, die Taliban stünden offenbar vor der Einnahme der Stadt, Aufständische seien bereits in einen Stadtbezirk vorgedrungen. Schon vor der Intervention des Westens 2001 war Kundus eine Hochburg der Islamisten. Die Bundeswehr zog 2013 nach zehn Jahren aus der Unruhe-Provinz, jahrelang der gefährlichste Einsatzort der Bundeswehr. Viele Afghanen hatten den Abzug als verfrüht kritisiert und vor einer Rückkehr der Taliban gewarnt, sobald die Deutschen fort sind. (mit dpa/reu)

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