Von Alexander Fröhlich: Potsdamer Pfarrer steht unter Missbrauchsverdacht Ermittlungen gegen pensionierten Geistlichen. Superintendent: Kirche hat nicht zu zögerlich agiert
Ein Geistlicher der evangelischen Kirche in Potsdam steht unter Missbrauchsverdacht. Er soll sich an einem Jugendlichen vergangen haben.
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Ein Geistlicher der evangelischen Kirche in Potsdam steht unter Missbrauchsverdacht. Er soll sich an einem Jugendlichen vergangen haben. Gegen den pensionierten Pfarrer Uwe D. liegen zwei Strafanzeigen vor. Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft nach Angaben eines Sprechers die Vorwürfe.
Der Fall reicht bis ins Jahr 1999 zurück, als der langjährige Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde auf einer Bildungsreise in den USA einen damals 16-Jährigen sexuell genötigt und vergewaltigt haben soll. Der Fall ist kirchenintern seit 2001 bekannt. Obwohl die Landeskirche 2003 erneut über die Vorwürfe informiert wurde, schritt diese nicht ein. Zur Begründung heißt es von der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der 76-jährige D. habe die Vorwürfe stets bestritten. Zudem sei das Opfer nicht bereit gewesen, vor der Staatsanwaltschaft auszusagen.
Nach einem Gespräch mit dem Opfer Ende April habe sich der „begründete Anfangsverdacht“ nun aber erhärtet, sagte Superintendent Joachim Zehner am Wochenende den PNN. Daher habe er Anfang Mai Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam erstattet, wie es die Leitlinien der Landeskirche forderten. Auch der junge Mann habe seine Vorwürfe inzwischen in einer mehrstündigen Vernehmung den Ermittlern zu Protokoll gegeben. Die Staatsanwaltschaft wollte sich aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht näher zu dem Fall äußern.
Behördensprecher Ralf Roggenbuck bestätigte lediglich, dass gegen D. jetzt auch eine zweite Anzeige von zwei Potsdamer Familien wegen Misshandlung Schutzbefohlener und sexuellem Missbrauch von Kindern vorliegt. Nach nicht bestätigten Berichten soll sich D. in der Kindertagesstätte der Heilig-Kreuz-Gemeinde in der Kiezstraße an Kindern vergriffen haben. Demnach soll der pensionierte Geistliche, der in der Einrichtung Englischunterricht erteilte, Kinder aus geringstem Anlass in einen kargen, dunklen Raum eingesperrt und geschlagen haben. Einige Kinder hatten sich demnach daraufhin auffällig verhalten, klagten über Angst vor Dunkelheit und nässten ins Bett. Bereits im Frühjahr 2008 hatten die Eltern die Initiative ergriffen, nachdem D. einen Jungen mit in seine Privatwohnung genommen haben soll. Angeblich bot er ihm an, hier zu übernachten und zeigte ihm ein Zimmer mit Betten und Fotos anderer Kinder. „Das Kind ist 2008 befragt worden, ob es sexuelle Handlungen gab, der Verdacht hat sich nicht bestätigt“, sagte Superintendent Zehner.Bei einer Versammlung forderten die Eltern schließlich ein Hausverbot für den Lehrer, der Gemeindekirchenrat schloss sich an, Englischunterricht gab es nicht mehr. D. aber hielt es mit dem Hausverbot nicht so genau, holte sich laut Kirche in der Kita sein Mittagessen ab, wurde im Garten angetroffen und musste vom Personal bereits vom Grundstück verwiesen werden. „Die Mitarbeiter sind strikt angewiesen worden, das Betretungsverbot durchzusetzen“, erklärte Zehner.
Der Superintendent wies den Vorwurf zurück, Kirchenkreis und Landeskirche hätten zu „zögerlich“ agiert. Dass erst Anzeige erstattet wurde, als Eltern selbst damit drohten, sei „so nicht richtig“. „Wir haben das Interesse, dass der Fall klar und stringent aufgeklärt wird“, sagte Zehner. Er sei seit seiner Amtsübernahme im September 2008 mit dem Fall befasst und habe das Gespräch mit dem Opfer gesucht. Weil es bis zuletzt nicht zu einer Aussage bereit war, sei es eine „Ermessensfrage“ gewesen, nicht schon in den Vorjahren die Ermittlungsbehörden einzuschalten. Der jetzige Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde, Martin Kwaschik, wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.
In der Landeskirche läuft nun ein Disziplinarverfahren gegen D., der in Potsdam von 1966 bis 1999 Pfarrer, davon 25 Jahre Jugendpfarrer und in der Stadt bekanntes Mitglied der DDR-Opposition war. „Es wurde ihm untersagt, den pfarramtlichen Dienst wahrzunehmen“, sagte Zehner. „Wir werden in der nächste Woche eine Hotline schalten. Wir fordern Opfer auf, sich dort oder bei mir persönlich zu melden.“ Für die Kindertagesstätte gebe es bereits ein Präventionsprogramm. (mit HK)
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