Landeshauptstadt: Potsdamer retten den Winzerberg
Trio um Springer-Vorstand Döpfner startet Sanierungsarbeiten / Erste „Werbung“ zum Anziehen
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Trio um Springer-Vorstand Döpfner startet Sanierungsarbeiten / Erste „Werbung“ zum Anziehen Von Sabine Schicketanz Sanssouci - Die Rettung des Winzerbergs von Sanssouci hat begonnen. Seit dieser Woche sind 130 Metalltafeln mit Nummern auf den vier Terrassen des ab 1763 auf dem Mühlenberg errichteten und seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegebenen Denkmals angebracht. Sie kennzeichnen die Baufelder, die von der Roland Schulze Baudenkmalpflege GmbH und Ein-Euro-Jobbern des Vereins Sekiz e.V. von Wildwuchs und Schutt befreit werden. Damit ist der Startschuss für das ehrgeizige Vorhaben der Arbeitsgemeinschaft Winzerberg gefallen. Begründet haben den losen Zusammenschluss zur Rettung des Denkmals Jeanette Niebelschütz, ehemals Chefin des Brandenburgischen Kunstvereins, Bauingenieur Roland Schulze und Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Springer AG. Bereits anderthalb Jahre arbeitet das Trio an der Vorbereitung der Rettungsaktion – gemeinsam mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und bis jetzt in höchster Verschwiegenheit. „Schließlich galt der Winzerberg als unsanierbar“, erklärt Roland Schulze. Es schien, als seien die Fundamente der zahllosen Pfeiler zusammengefallen. „Dann hätte man nur noch zusehen können, wie der Berg in Schönheit zerfällt.“ Doch Fachhochschul-Student Sebastian Miethe bewies in seiner Diplomarbeit das Gegenteil: Die bis zu fünf Meter in die Tiefe reichenden Fundamente sind intakt. Mit diesem Wissen konnte der auf Denkmalsanierung spezialisierte Roland Schulze einen „roten Faden“ für die Sanierung erarbeiten. Zunächst müssen die rund 150 Kubikmeter „denkmalgeschützter Schutt“ beräumt werden. Dies geschieht äußerst sorgsam, denn alles, was erhalten ist, soll in Absprache mit der Schlösserstiftung wieder verwendet werden. Bis Ende des Jahres soll der Winzerberg freigelegt sein, so Schulze. Dann werde der Berg exakt vermessen, eine Kartierung der Schäden und ein Sanierungskonzept angefertigt. Rund drei Jahre werde diese Vorbereitungsphase in Anspruch nehmen, schätzt der Bauingenieur. Als symbolischer Start der Wiederherstellung soll jedoch schon zuvor die Bacchustreppe am Fuße der Terrassen saniert werden – bis Mitte 2006 soll sie in alter Pracht erscheinen. Bisher hätten etwa 15 Potsdamer Firmen, darunter Statiker, Restauratoren und Gartendenkmalpfleger, ihre Bereitschaft zur Mitwirkung erklärt, so Schulze. Damit sei die AG Winzerberg vergleichbar mit dem Wiederaufbau der Babelsberger Angerkirche, an dem sich 110 Firmen und 1000 Potsdamer Bürger beteiligt hatten. Auch bei diesem Vorhaben hatte die Initiative, zu der Schulze einen großen Teil beigetragen hatte, in aller Ruhe gearbeitet – und den Wiederaufbau trotzdem in fünf statt der geschätzten zehn Jahre geschafft. Ein Jahrzehnt ist auch die lose Zeitvorgabe der AG Winzerberg. Dass es wieder schneller geht, wagt Sanierer Schulze diesmal noch nicht zu hoffen. Flankiert werden die Baumaßnahmen von zahlreichen weiteren Aktivitäten. Jeanette Niebelschütz arbeitet unter dem Titel „Handarbeit“ an der Vermarktung der Rettungsaktion und möchte den Winzerberg ab September kommenden Jahres zur Stätte zeitgenössischer Kunst machen. Während hierfür bereits ein Konzept zur Gewinnung von Sponsoren existiert, Form, Art und Umfang der Kunstaktionen aber noch offen sind, können die ersten „Werbeartikel“ für den Winzerberg bereits umgelegt und angezogen werden: Designer Jan Hülpüsch von „Schein Berlin“ hat angelehnt an die Taubstummensprache das Logo entwickelt, mit dem die von der Potsdamer Fachhochschule-Absolventin Meike Boehme entworfenen Filzpantoffeln namens „Puschn“ ausgestattet werden. Sie sollen gemeinsam mit von Sarah Siewert entwickelten, in der Strickmanufaktur Zella in Thüringen hergestellten und mit Zitaten zum Winzerberg versehenen Schals ab Oktober zugunsten des Projekts verkauft werden. Von den 49 Euro für ein Paar „Puschn“ und dem Preis für die etwa ebenso teuren Schals gehen laut Niebelschütz zehn Prozent auf ein Konto der Schlösserstiftung für den Winzerberg. Überhaupt können die Initiatoren Geldspenden zunächst am Besten verwenden. Wie viel die Wiederherstellung kostet, könne zwar nicht beziffert werden, meint Schulze. Dennoch müssen die Arbeiten, die nicht Unterstützer-Firmen kostenlos ausführen, bezahlt werden. Denkbar sei, dass einzelne Sponsoren eines der mit Nummern gekennzeichneten Baufelder übernehmen – und später „ihr“ eigenes Winzerberg-Plätzchen haben. Entsprechende Anfragen habe es schon gegeben, so der Bauingenieur. Damit potenzielle Interessenten sich über das Projekt informieren können, wird in etwa zwei Wochen eine Internet-Präsentation ans Netz gehen. Dort soll auch der zehnminütige Film über die Rettung des Winzerbergs zu sehen sein, den Kristin Mosanz, Praktikantin im Filmbüro Potsdam von Wolfgang Dümke, als kostenlose Hilfe für die AG gedreht hat. Über die künftige Nutzung des Denkmals macht sich derzeit der Industrieclub Potsdam Gedanken. Eins stehe jedoch fest, sagt Jeanette Niebelschütz: „Winzerberg bleibt Winzerberg.“
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