
© Manfred Thomas Tsp/MANFRED THOMAS TSP
Potsdamer Vereine stellen sich vor: Moving History e.V.: Geschichte auf die Leinwand gebannt
Der Verein „Moving History – Festival des historischen Films“ hat Einzigartiges in Potsdam geschaffen: Ein Filmfestival für Werke, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, gibt es deutschlandweit nur einmal.
Stand:
Vereine sorgen für gesellschaftlichen Zusammenhalt, prägen in ihrer Vielfalt das Gesicht einer Stadt. Vereine integrieren, sind ein Mittel gegen Einsamkeit und Anonymität. Sie fördern das Miteinander, das Wir. Um der Bedeutung von Vereinen auch in Potsdam gerecht zu werden, stellen die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) die Aktiven in der Serie „Vereinsmeierei“ vor.
Heute: Moving History – Festival des historischen Films Potsdam e.V. Die Fragen beantworteten Ilka Brombach und Peter Ulrich Weiß. Beide sind die Vorstandsvorsitzende des Vereins.
Was sollten Potsdamerinnen und Potsdamer über Ihren Verein wissen?
Moving History richtet in Potsdam seit 2017 das „Festival des historischen Films“ aus und verleiht jährlich die mit 5000 Euro dotierte „Clio“, den Preis für den besten Film zu einem historischen Thema. Dabei geht’s vor allem um aktuelle Geschichtsfilme. Dafür werden die Produktionen des letzten Jahres gesichtet und – durch eine Jury – eine Shortlist zusammengestellt. Diese wird dann im Potsdamer Filmmuseum gezeigt und der Gewinnerfilm in einer Festveranstaltung prämiert – in diesem Jahr wird dies am 27. September passieren. Wer diesmal den Preis bekommt, wird noch nicht verraten. In den Jahren zuvor wurden die Serien Kafka von Regisseur David Schalko und „Sam – Ein Sachse“ von der Potsdamer Regisseurin Sarah Blaßkiewtz sowie Regisseurin Soleen Yusef und der Dokumentarfilm „Bettina“ in der Regie von Lutz Pehnert ausgezeichnet.
Unser Programm macht es möglich, bekannte Filmleute, Journalisten oder Historiker zu treffen, die zu uns als Gesprächsgäste kommen. So waren hier schon Margarethe von Trotta, Marcel Ophüls, Wolfgang Kohlhaase oder Marion Brasch. Dieses Jahr ist unter anderem die Schauspielerin Jutta Wachowiak dabei. Dass uns Einrichtungen wie die Filmuniversität „Konrad Wolf“, das Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, das Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften oder das Medienboard Berlin-Brandenburg unterstützen, hilft uns sehr, all das auf die Beine zu stellen.
Warum ist die Arbeit Ihres Vereins bedeutsam?
Weil Geschichtsfilme entscheidend dazu beitragen, wie wir unsere Vergangenheit wahrnehmen und deuten. Sie prägen Geschichtsbilder, vermitteln politische Ideen und stoßen Debatten über die Gegenwart an. Das Festival bietet dafür einen besonderen Raum. Hier kommen Filmschaffende, Historiker und das Publikum miteinander ins Gespräch und teilen ihre Blickwinkel. Indem wir solche Filmwerke zeigen, fördern die Reflexion über Vergangenheitsvorstellungen und Erinnerungskulturen – ein Thema, das in dieser Stadt auf besonders fruchtbaren Boden fällt. Und natürlich würdigen wir auch die ästhetisch-künstlerische Seite des Schaffens. Potsdam ist seit 2019 die erste Unesco Creative City of Film in Deutschland – mit der Vereinsarbeit wollen wir dazu beitragen, den Titel mit Leben zu füllen.
Welches Vorurteil über Ihren Verein stimmt nicht?
Offenen Vorurteilen sind wir bislang nicht begegnet. Aber am Anfang gab es manchmal die Frage, wozu es denn noch ein Filmfestival brauche. Es gebe doch schon so viele. Aber in Potsdam gibt’s nur die Sehsüchte, das Jüdische Filmfestival, die Green Visions – und uns. Und als Geschichtsfilmfestival sind wir in ganz Deutschland das erste und einzige.
Was ist Ihr größter Vereinserfolg?
Dass es erstens gelungen ist, den „Clio“-Preis so zu etablieren, dass dieser inzwischen großes Renommee genießt, und dass wir zweitens jährlich ein Festivalprogramm mit Shortlist-Filmen und weiteren Geschichtsproduktionen in Potsdam und Berlin präsentieren können – das sehen wir als größte Leistung.
Von welchem gemeinsamen Erlebnis spricht man in Ihrem Verein noch heute?
Zur Eröffnung des Festivals 2019 war Marcel Ophüls unser Gast. Wir zeigten seinen Film „Novembertage“ über die Zeit nach dem Mauerfall, den er 1990 für die BBC gedreht hatte. Ophüls kennen die meisten wegen seiner Dokumentarfilme, mit denen er ab den 1960er-Jahren wie kein anderer die NS-Vergangenheit befragt hat. Als Kind hatte er mit seinem Vater Max Ophüls, der wie viele jüdische Filmschaffende wegen der Nationalsozialisten das Land verließ, zuerst nach Frankreich, dann in die USA fliehen müssen. Dann war Marcel Ophüls als US-Soldat im Krieg. In „Novembertage“ führt er auf seine unnachahmliche Weise Interviews, mit Leuten von der Straße, Politikern, Künstlern. Deutschland im Jahr 1990, mit feinster Ironie, Berliner Humor und großer Weltkenntnis erzählt – das macht den Film aus und das erlebten wir im Kinosaal live, als er erzählte. Im Mai dieses Jahres ist Marcel Ophüls 97-jährig gestorben. Wer damals bei Moving History dabei war, hat ihn nochmal erleben dürfen.
Am 21. September ist Oberbürgermeisterwahl. Was wünschen Sie sich vom neuen Potsdamer Stadtoberhaupt?
Der Verein hat bislang in sehr guter und bewährter Form mit dem Stadtoberhaupt und der Landeshauptstadt zusammengearbeitet. Der Oberbürgermeister hat die Schirmherrschaft übers Festival inne, die LHP stiftet dankenswerterweise den Preis. Wir wünschen uns, dass sich das auch in Zukunft so fortsetzen lässt und unsere Veranstaltungen ihren festen Platz im Stadtkalender behalten.
Wie kann man Ihren Verein am besten unterstützen?
Auf verschiedene Weise: Zum einen durch den Besuch der Veranstaltungen, zum anderen, indem man das Festival weiterempfiehlt und zum Beispiel über Social Media teilt. Auch Spenden helfen dem Verein bei seiner Arbeit. Wer möchte, kann sich zudem als freiwilliger Helfer engagieren oder das Festival als Partner oder Sponsor fördern. Für mehr Informationen kann man einen Blick auf unsere Website werfen.
Wo und wie kann man in Ihrem Verein mitmachen?
Wer mitmachen möchte, kann Mitglied werden oder sich aktiv engagieren. Wir haben zurzeit ca. 40 Mitglieder. Die Mitgliedschaft steht allen offen, die sich für historische Filme und das Festival interessieren. Zudem besteht die Möglichkeit, bei den Veranstaltungen und in der Organisation freiwillig mitzuwirken. Für konkrete Informationen zur Aufnahme und Mitarbeit ist die direkte Kontaktaufnahme per E-Mail an info@moving-history.de am besten.
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