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Festlich. Mehr als 50 Bedürftige besuchten die Weihnachtsfeier der Suppenküche Potsdam. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg und Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) überbrachten Geschenke und sangen gemeinsam Weihnachtslieder.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Potsdams Sozialpolitik im Aufwind

Weihnachtsfeier in der Suppenküche offenbart neue rot-rote Bindungen. Vor allem Rentner haben zunehmend soziale Probleme

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Innenstadt - Es ist ein traditioneller Termin: Die Weihnachtsfeier in der Suppenküche der Volkssolidarität. Mehr als 50 Bedürftige kamen am Freitagmittag in die soziale Einrichtung auf dem Gelände der Stadtverwaltung, aßen Kuchen, tranken Glühwein und bekamen Geschenke: Die Stadtverwaltung überreichte einen 350-Euro-Gutschein für eine Doppelkammer-Fritteuse, die Stadtfraktion der Linkspartei schenkte einen Entsafter, der ebenfalls auf dem Wunschzettel der Suppenküche stand.

Die Stimmung war entspannt. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg und Potsdams Sozialbeigeordneter Mike Schubert (SPD) sangen sogar gemeinsam „Fröhliche Weihnacht überall“. So harmonisch vereint sieht man SPD und Linke in Potsdam nicht immer – ein Zeichen für neue Bündnisse nach dem jüngsten Auseinanderbrechen der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen? Scharfenberg ist optimistisch, dass soziale Anliegen im kommenden Jahr größeres Gewicht in der Stadtpolitik erhalten: „Wir hoffen, dass die Bedingungen jetzt besser werden und dass es einen verstärkten Wettstreit um die besten Ideen gibt.“

Von Schubert, dem ehemaligen SPD-Fraktionschef in der Stadtverordnetenversammlung, gab es jedenfalls anerkennende Worte für die „solide Zusammenarbeit“ mit den Linken: „Sozialpolitik ohne die Linke würde in Potsdam keinen Sinn machen.“ Auch er sieht Baustellen in der Landeshauptstadt, man könne sich im Sozialen nicht nur auf das Engagement von Ehrenamtlern verlassen. Als Beispiel nennt er die Initiative „Spirelli-Bande“ der Arbeiterwohlfahrt Potsdam, die 360 Kindern in Potsdam ein kostenloses Frühstück ermöglicht: „Das sind Hinweise an die Politik, dass es hier Lücken gibt.“

Die Linke fordert seit zehn Jahren ein kostenloses Schulessen für Schüler aus sozial benachteiligten Familien. „Ich hoffe, dass es nun endlich einen Durchbruch gibt“, sagt Scharfenberg. „Wir haben nachgewiesen, dass dies für die Stadt bezahlbar wäre.“ Im Januar 2017 werde es dazu erste Beratungen geben, frühestens im März wird klar sein, ob Scharfenbergs politisches Herzensprojekt Teil des künftigen städtischen Haushalts wird.

Was die Suppenküche angeht, die im Schnitt täglich 35 Mahlzeiten ausgibt, kann sich Leiter Peter Müller nicht beklagen. Die Ausstattung sei gut. Dennoch sehe auch er wachsende Probleme: „Immer mehr Rentner werden zu sozial Bedürftigen.“ 2015 bezogen in Potsdam 1834 Senioren die Grundsicherung im Alter. Auch die Zahl derjenigen, die regelmäßig zu den Ausgabestellen der Potsdamer Tafel kommen, ist gestiegen: Derzeit erhalten wöchentlich 1200 Menschen Lebensmittel von der gemeinnützigen Organisation, die von Ehrenamtlern getragen wird, so die Auskunft der Tafel.

Was Obdachlosigkeit angeht, lobt Suppenküchen-Chef Müller das Engagement der Stadt. Es gebe sehr viele Wohn- und Nachtquartiere: „In Potsdam muss keiner auf der Straße leben.“ Besonders freue er sich, dass sich Centermanagement und Wachschutz der Potsdamer Bahnhofspassagen darauf verständigt haben, Obdachlose in den Wintermonaten nachts zu dulden: Bei Temperaturen unter Null Grad werden Menschen, die sich zwischen 22 Uhr und sechs Uhr im Hauptbahnhof und dem angeschlossenen Einkaufscenter aufhalten, nicht in die Kälte geschickt, solange sie sich an die Hausordnung halten. Auch den Sozialbeigeordneten Schubert freut dies: „Es gibt Menschen, die man mit den normalen Angeboten nicht erreicht, manche Obdachslose leben aus freier Entscheidung auf der Straße.“ Um genau diese besser zu versorgen, hat die Stadtverwaltung eine interne Sammlung durchgeführt und 2000 Euro an den Potsdamer Verein Creso gespendet, der Menschen unterstützt, die auf der Straße leben (PNN berichteten) – und ihnen beispielsweise Schlafsäcke und Isomatten anbietet.

Peter Müller ist seit Anfang März neuer Leiter der Suppenküche, zuvor hatte er mehrere Jahre bei dem sozialen Verein Rückenwind e.V. gearbeitet. Eine Ausbildung zum Koch hat Müller nicht, er ist gelernter Baumaschinist und fuhr in der DDR Kräne. „Ich koche trotzdem“, sagt der 61-Jährige und schmunzelt. Immerhin wird er von fünf Mitarbeitern und zwei bis drei Ehrenamtlern unterstützt. Kochen sei ohnehin nur eine von vielen Aufgaben: Wichtig ist vor allem, ein Herz und ein offenes Ohr für die Besucher zu haben, sagt Müller: „Ich kenne schon fast alle Geschichten.“

Erst vor einem Jahr hatte die Suppenküche der Volkssolidarität einen neuen Chef bekommen, der nach drei Monaten jedoch wieder gegangen war. „Er hatte sehr zurückgezogen agiert und hat seine Mitarbeiter sehr kurz gehalten. Da herrschte kein gutes Betriebsklima“, sagt ein 56-jähriger Potsdamer, der die Suppenküche seit sieben Jahren besucht. Den neuen Leiter findet er besser: „Müller passt wunderbar hier rein, er ist immer präsent.“

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