Homepage: Premiere für Afrika
Rund 700 Filme sind für das Studentenfilmfestival „Sehsüchte“ im April schon eingetroffen
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Ferienstimmung an der Filmhochschule. Die Wintersonne leuchtet kess durch die hohen Glas-Stahl-Hallen der HFF, nur ein paar vereinzelte Studenten schlendern über die Gänge, Treppen und Brücken. Hier verabredet man sich mit dem Professor, dort nimmt man einen zweiten Kaffee am Morgen. Die Berlinale ist gerade vorbei, das Semester zu Ende, jetzt kehrt Ruhe in der Marlene-Dietrich-Allee ein. Doch aus dem kleinen Vorführkino in dem kubischen Betonklotz schälen sich einige Gestalten heraus. Die Augen ziemlich klein von der Dunkelheit, die Bewegungen langsam, die Worte anfangs stockend.
Für sie war die Berlinale nicht der krönende Semesterabschluss, sondern vielmehr der Startschuss. Jedes Jahr nach der Berlinale beginnt für das Team der Potsdamer „Sehsüchte“ – Europas größtem internationalen Studentenfilmfest – die heiße Arbeitsphase. Dann ist der größte Teil der Filme für das ausschließlich von Studierenden organisierte Festival (24.-29. April) eingetroffen. Nun geht es für die Programmgruppe daran, an die 1000 Filme aus nahezu 30 Ländern zu sichten, zu bewerten und gegebenenfalls einem Filmblock zuzuordnen.
Drei, vier Wochen lang sitzen die Studierenden im dunklen Vorführraum, sehen sich Geschichten aus aller Welt an, diskutieren sie und heben bzw. senken die Daumen. Eine harte Arbeit. „Aber es lohnt sich“, sagt Henrik Riedler von der Programmgruppe. Rund 700 Filme wurden bislang schon eingereicht, über die Hälfte haben die sechs Studierenden der Programmgruppe schon gesehen. Der erste Film, aus den Niederlanden, trudelte sogar schon vor dem offiziellen Einsende-Start ein.
Wie immer bei Filmen von Studenten und Nachwuchsfilmern beschäftigen sich viele Beiträge mit dem Erwachsenwerden, der eigenen Generation und der Selbstfindung. Aber in diesem Jahr sind auch viele Streifen dabei, die heikle Themen wie etwa Integration aufgegriffen haben. Stark vertreten sind 2007 wieder einmal die osteuropäischen Länder. Aber auch – und das ist eine Premiere – Afrika ist dabei. Bislang gab es nur Filme aus Südafrika zu sehen. „Jetzt haben wir Beiträge aus Äthiopien und Kenia, auf Burkina Faso warten wir noch“, erzählt Katharina Bergfeld, die Öffentlichkeitsarbeit für das Festival macht.
Unter den Dokumentarfilmen finden sich viele soziale Themen, etwa auch zur alternden Gesellschaft. „Aber auch Abgründe wie Prostitution und Hartz VI sind dabei“, verrät die Programmgruppe. Im „Fokus“ werden diesmal Filme aus Südamerika gezeigt. Für hiesige Cineasten weitgehend Terra incognita. „Wir präsentieren im Fokus immer eine Region, die bei uns als Filmland nur wenig bekannt ist“, erklärt Henrik Riedler. „In Südamerika passiert in der Filmbranche momentan sehr viel, wir hatten aber in den vergangenen Jahren kaum Filme aus der Region“, erzählt der Student. Was sich durch den Fokus nun ändern soll. Ansonsten zeichnen sich im Programm bislang ein „Gruselblock“ und eventuell auch eine WM-Staffel ab. Denn ähnlich wie beim Baby-Boom tauchen neun Monate nach der WM auch überraschend viel Filme über die Fußball-Weltmeisterschaft auf.
Eigentlich sollte 2007 bei den „Sehsüchten“ alles anders werden, die Organisatoren wollten das Festival vom Thalia-Kino „heim“ zur HFF holen. Geplant war, ein großes Zeltkino vis-a-vis der HFF auf die Wiese zu setzen und die kleineren Kinos der HFF mit zu bespielen. „Die Idee scheiterte schließlich an den Finanzen“, sagt Linda Brezinski, die sich mit Julia Schwartz die Festivalleitung teilt. Nicht nur für das Zelt wären zusätzliche Kosten entstanden, auch für einen Shuttle-Bus zu S- und Straßenbahnen, die alljährlich rund 10 000 Besucher zu den „Sehsüchten“ bringen. Nun steht die Finanzierung und es bleibt beim Thalia, das sich in den vergangenen Jahren als Festivalkino bestens bewährt hat. Auch die Preise sind gesichert, wie 2006 werden die Filme mit insgesamt 35 000 Euro prämiert. Wenn nicht noch ein Preis hinzu kommt.
Insgesamt 17 Filmstudenten organisieren in diesem Jahr das Festival. Diesmal wollen aber nicht nur sie im Rampenlicht stehen. Wenn es schon nicht gelungen ist, das Festival auf den Campus zu holen, so will man die Filmhochschule dennoch enger in das Geschehen einbinden. Dafür gibt es während des Festivals täglich Workshops, in denen sich die einzelnen HFF-Disziplinen der Öffentlichkeit vorstellen. Wie immer wird das ganze Festival von den Studierenden in eigener Regie auf die Beine gestellt. Alles wird eigenverantwortlich gestemmt. „Als praktischer Teil des Studiums und vor allem aus Leidenschaft für junge Filmkunst“, so Katharina Bergfeld.
Alles eitel Sonnenschein? Nein, da wäre noch die Sache mit der Euphorie. Zwar habe man immer wieder ein großes Publikum. „Aber eine Euphorie wie auf der Berlinale entsteht leider nicht“, stellt Katharina Bergfeld fest. „Andererseits aber hat sich auf der Berlinale gezeigt, dass wir unsere Arbeit nicht unter den Scheffel stellen müssen,“ ergänzt Linda Brezinski. Die Erfahrung der letzten Jahre habe gezeigt, dass die „Sehsüchte“ auch ein „kleines Sprungbrett“ sind. Etwa, wenn ein Film im „Kleinen Fernsehspiel“ beim ZDF landet. „Ein Traum für unsere Filmemacher“, sagt Katharina Bergfeld.
Im Internet:
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