
© Björn Stelley
Flüchtling aus Afghanistan findet Lehrstelle in Potsdam: Rahmatis erste Bischofsmütze
Ein 23-jähriger Afghane hat als erster Flüchtling in Potsdam eine Lehrstelle gefunden. Er wird Hotelfachmann. Für ihn bedeutet das: endlich ankommen.
Stand:
Potsdam - Konzentriert folgt Najib Rahmati erst den Anweisungen des Restaurantleiters und legt dann selbst Hand an. Schritt für Schritt faltet er die gestärkte Serviette und hat am Ende eine ganz ansehnliche Serviettenform, nämlich die sogenannte Bischofsmütze fabriziert. Der 23-jährige Flüchtling aus Afghanistan ist seit vier Jahren in Deutschland und hat in diesen Tagen seine Ausbildung zum Hotelfachmann im Kongresshotel Potsdam am Templiner See begonnen, worüber er sehr glücklich ist. „Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen und freue mich auf die neuen Erfahrungen“, sagte er am gestrigen Dienstag. Vor allem sei er aber froh, somit endlich die Chance auf eine Arbeitsstelle und ein normales Leben in Deutschland zu haben.
Für das Hotel sei er eine große Bereicherung, wie Hoteldirektorin Angela Führer sagte, die auch betonte, dass die Hotelbranche große Nachwuchsprobleme habe. Für viele junge Menschen sei die Aussicht auf Schichtdienst und Arbeitszeiten am Wochenende nicht mehr attraktiv. Zwar seien im Kongresshotel dieses Jahr alle Ausbildungsplätze belegt, insgesamt meldet die Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam jedoch einen enormen Rückgang an Auszubildenden in der Gastronomie- und Hotelbranche. Wie Wolfgang Spieß, Bereichsleiter Bildung, sagte, seien die vergebenen Plätze in den vergangenen Jahren von 420 auf 207 gesunken.
Nahles: Beschäftigung wichtiger Schlüssel für Integration
Erst vergangene Woche warb in diesem Zusammenhang Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) dafür, Zuwanderer und Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive auch als künftige Arbeitskollegen zu sehen (PNN berichteten). Wie sie sagte, sei Beschäftigung ein wichtiger Schlüssel für Integration und Teilhabe. Sie bezog sich dabei auch das Projekt der Potsdamer Arbeitsagentur, die seit letztem Monat gezielt Flüchtlinge hinsichtlich des Berufseinstieges berät und Betriebspraktika vermittelt, die auf die spätere Ausbildung vorbereiten sollen. Die Handwerkskammer Potsdam (HWK) wandte darauf wiederum ein, dass das Konzept zu kurz greife. Wie HWK-Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig erklärte, bräuchten die Betriebe einen belastbaren Rechtsrahmen, da eine Zusammenarbeit auch eine Rechnung mit vielen Unbekannten bedeute. Grundlegende Voraussetzung müsse dabei sein, dass kein junger Flüchtling während einer dreijährigen Ausbildungszeit ausgewiesen wird – und möglichst auch weitere zwei Jahre in Deutschland arbeiten kann. Für die Integration in Arbeit und Ausbildung sei zudem ein Mindestmaß an deutschen Sprachkenntnissen erforderlich.
Das ist auch eine Hauptvoraussetzung bei dem Projekt „Erfolgspaten“, welches das Competence Center für digitale Medien GmbH (CCDM) initiiert hat und worüber nun Najib Rahmati als erster Flüchtling in Potsdam eine Ausbildungsstelle erhalten hat. Ziel des Projektes ist es, geeignete Flüchtlinge bei der beruflichen Eingliederung in die Arbeitswelt zu unterstützen. Dabei wird eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für Flüchtlinge mit Arbeitserlaubnis in Potsdam angestrebt – entweder als Festanstellung, in Form einer Lehrausbildung oder als Praktikum. Wie CCDM-Sprecher Michael Erbach sagte, sei neben den Sprachkenntnissen auch ein Schulabschluss eine wichtige Voraussetzung. Najib Rahmati, der sowohl die 9. Klasse als auch einen B1-Deutschkurs erfolgreich abgeschlossen hat, erfülle damit beide Bedingungen. „Vor allem ist er auch sehr motiviert und zeigt einen starken Willen, sich in die deutsche Arbeitswelt zu integrieren“, so Erbach. Das sei seiner Meinung nach fast noch wichtiger.
Fremdsprachige Mitarbeiter als Bereicherung
Das bestätigen sowohl seine neuen Ausbildungskollegen als auch Thomas Schwietzke, Restaurantleiter des Kongresshotels. Wie er sagte, gliedere sich Rahmati gut in das Team ein und habe auch keine großen Probleme, die Anweisungen zu verstehen. „Insgesamt ist es immer eine Bereicherung, fremdsprachige Mitarbeiter dabeizuhaben“, so Schwietzke. „Sie bringen eine ganz andere Lebenserfahrung und ein anderes Temperament mit, das oft zu einem guten Austausch führt.“ Das Hotel habe dabei auch schon gute Erfahrungen mit spanischen Auszubildenden gemacht, die im Zuge des Mobilitätsprogramms der IHK vermittelt wurden.
Für Rahmati selbst bedeutet die Ausbildung nach seiner neunmonatigen Flucht aus Afghanistan und vier Jahren relativ einsamen Aufenthalts in Deutschland nun auch endlich ein Ankommen in der Gesellschaft. „Lange Zeit ging es mir nicht gut, ich hatte viel mit meiner Vergangenheit zu tun“, sagte er. „Jetzt blicke ich positiv in die Zukunft.“
Lesen Sie weiter:
Kommentar über Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt: Es geht doch! >>
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: