Von Sabine Schicketanz: Rathaus-Bündnis im Disput über Potsdams Haushalt Einigung in letzter Minute in Sondersitzung / Heute gemeinsamer Antrag /
CDU, Bündnisgrüne und FDP kritisieren Jakobs’ Finanzspritze an Fußballclub
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Potsdam zwischen Investitionsdruck und Sparkurs: Heute soll im Finanzausschuss des Stadtparlaments die maßgebliche Entscheidung über den städtischen Haushalt für das laufende Jahr fallen. Bis gestern hatten sich die Fraktionen der Rathauskooperation aus SPD, CDU, Bündnisgrünen und FDP/Familienpartei allerdings nicht auf einen gemeinsamen Kurs einigen können. Erst nach einer Sondersitzung am späten Nachmittag wurde Einigkeit erzielt. „Es wird einen gemeinsamen Antrag der Kooperation geben“, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert nach der Sitzung.
„Das ist eine der schwierigsten Haushaltsverhandlungen, die ich in den letzten 16 Jahren erlebt habe“, sagte CDU-Fraktionschef Michael Schröder. Es sei „keine Luft mehr drin, der Haushalt ist ausgeknietscht“. Um jeden Euro wird gerungen, vor allem bei Ausgaben, die neu dazu kommen sollen – und die nicht zu den sogenannten Pflichtleistungen der Kommune gehören, für die Potsdam laut Gesetz zahlen muss.
Eine solche freiwillige Leistung ist beispielsweise die „ultimative Forderung“ der FDP, die 50 000 Euro für einen Lehrerersatz-Pool bereitstellen will, der den Stundenausfall an Schulen mindert. Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger sagte, diese Ausgabe sei eine „Übergangsregelung“, die nötig sei, um Druck auf das Land zu machen. Künftig müsse der Lehrerersatz vom Land finanziert werden. Auch die Bündnisgrünen wollen zusätzlich Geld ausgeben: Unter anderem sollen Kindertagesstätten 150 000 statt bisher 100 000 Euro bekommen, damit sie die Kinder besser eingewöhnen können.
Dass Oberbürgermeister Jann Jakobs und Finanzbeigeordneter Burkhard Exner (beide SPD), aber auch die anderen Partner der Rathauskooperation sich diesen Forderungen bisher verschlossen haben, sorgt bei FDP und Bündnisgrünen für Unmut. „Wir möchten uns in dem Haushalt wiederfinden können“, sagte Grünen- Fraktionschef Nils Naber. Zusätzliche Brisanz gewinnt der Haushalts-Disput durch die jüngst öffentlich bekannt gewordene Finanzspritze der Stadt für den Fußballverein SV Babelsberg 03. Wie berichtet, will Oberbürgermeister Jakobs die Reparatur der kaputten Flutlicht-Klappmasten im Karl-Liebknecht-Stadion, dessen Pächter der Verein ist, komplett aus der Stadtkasse bezahlen. Dafür sind die freiwilligen Ausgaben um 250 000 Euro aufgestockt worden, bestätigte gestern Rathaussprecher Stefan Schulz. Die Ausgabe ist allerdings noch keine beschlossene Sache: Sie ist im knapp 800 Seiten starken Haushaltsentwurf unter dem Begriff „Transferaufwendungen“ versteckt – dies könnten die Stadtverordneten bei der Haushaltsabstimmung theoretisch noch kippen. Warum Jakobs will, dass die Stadt zahlt? „Der Verein hat das Geld nicht“, sagt Sprecher Schulz. Ohne Flutlicht müssten Spiele ausfallen, auch die Frauenfußballerinnen von Turbine Potsdam wären betroffen. Mit Fragen nach der Ursache des im Herbst 2009 entstanden Schadens an den Flutlichtmasten und nach einer Versicherung, die einspringen könnte, habe das Rathaus nichts zu tun, so Schulz – diese müsse der SV Babelsberg 03 beantworten. Die Firma, die die Masten einst im Auftrag der Stadt errichtet hatte, existiere jedoch nicht mehr.
CDU, Bündnisgrüne und FDP kritisieren die Zusage von Oberbürgermeister Jakobs an den Fußballclub. Es sei eine „befremdliche Einzelentscheidung“, wie CDU-Fraktionschef Schröder sagte. Es wäre auch eine kostengünstigere Notlösung möglich. Während Potsdam die laut Katastrophenschutzgesetz vorgeschriebene Zahl an neuen Löschwasserbrunnen dieses Jahr nicht bezahlen könne, so Schröder, fließe eine Viertelmillion ins Flutlicht. „Ob das die richtige Priorität ist, stelle ich infrage.“
Um solche Kapriolen zu vermeiden, will die FDP einen „Masterplan Schwarze Null“ auf den Weg bringen. Danach soll der Haushalt künftig viel früher als bisher mit Stadtverordneten und Bürgern beraten werden. Auch dürfe der Bürgerhaushalt nicht mehr nur „Wunschliste“ sein, meinen FDP-Fraktionschefin Engel-Fürstberger und ihr CDU-Kollege Schröder. Die Liberale sagte, die FDP werde nur noch dieses Jahr einem Haushalt zustimmen, der im bisherigen Verfahren entstanden ist – ab sofort müsse es einen neuen Prozess geben. Derzeit hat die FDP/Familienpartei vier Mitglieder, doch bald könnte sie stärker sein als die durch Austritte auf fünf Sitze verkleinerte CDU. Engel-Fürstberger sagte, sie werde „demnächst“ mit den Ex-CDU-Mitgliedern Wolfgang Cornelius und Peter Schultheiß, die jetzt als Gruppe „Potsdamer Demokraten“ firmieren, in Kooperationsgespräche gehen. Das könnte Folgen haben: CDU-Fraktionschef Schröder hatte den Bündnis-Fraktionen angekündigt, wenn es eine Zusammenarbeit mit den beiden gebe, werde die CDU aus der Kooperation austreten.
Die Linke, die in Opposition zur Rathaus-Kooperation steht, kann sich derweil zurücklehnen. Wenn der Haushalt 2011 nicht schnell beschlossen wird und das Geld für Investitionen fließen kann, liegt das eindeutig am Rathaus-Bündnis, sagte gestern Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg.
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