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Landeshauptstadt: Rathaus-Rauchverbot kommt Anfang 2005, auch viele Schulen machen mobil In den öffentlichen Einrichtungen Potsdams denkt man intensiv über die Ächtung von Glimmstängeln nach

Die Luft für Raucher wird dünner. Überall, auch in Potsdam.

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Die Luft für Raucher wird dünner. Überall, auch in Potsdam. Der Beschwerdeausschuss des Bundestags wünschte kürzlich ein komplettes Rauchverbot in deutschen Amtsstuben und forderte eine gesetzliche Regelung von der Bundesregierung. Doch nicht jeder findet Rauchverbote positiv: In Restaurants wünschten sich letztes Jahr bei einer Umfrage des demoskopischen Instituts in Allenbach nur 36 Prozent ein generelles Rauchverbot, dafür bejahten 84 Prozent Verbote in Schulen. Und in Potsdam? Da ist der Streit um das Rauchverbot im Rathaus entschieden. Rathaus ohne Qualm Der Anstoß zur Ächtung von Zigaretten in Potsdams Verwaltung kam am 31. März von der PDS-Fraktion. Ihr Antrag für ein Rauchverbot wurde von den Stadtverordneten angenommen. Initiator war der bekennende Nichtraucher und PDS- Fraktionsführer Hans-Jürgen Scharfenberg. Knapp sieben Monate nach dem Beschluss sagt er: „Es könnte schneller gehen.“ Der Grund für die Verzögerung: Der Personalrat will keine Dienstvereinbarung abschließen, wie Chef Frank Ketzel sagt: „Dann müssten wir Sanktionen gegen Beschäftigte beschließen, die wir eigentlich vertreten.“ Gleichzeitig müsste das Rauchverbot gegenüber Gästen der Stadtverwaltung durchgesetzt werden. „Erklären sie das den Leuten, die in den Gängen des Sozialamts sitzen“, sagt Ketzel. Nun droht den Rauchern ein Qualmverbot per Dienstanweisung durch Finanz- und Personalchef Burkhard Exner. Sein Vollstrecker heißt Jürgen Schneider und ist in der Stadt Leiter für den Bereich Personal und Organisation. Er arbeitet an der Anweisung: „Ich bin guter Hoffnung, dass das Verbot ab 1. Januar 2005 kommen kann.“ Schulen ohne Gesamtkonzept Auch in Potsdams Schulen ist der blaue Dunst ein Thema, besonders nachdem der Berliner Senat zu Beginn des neuen Schuljahres am 9. August an rund 800 Schulen in der Hauptstadt ein absolutes Rauchverbot verhängt hat. Auch Schulleiter Dr. Rainer Wertmann vom Potsdamer Einstein-Gymnasium hat die Qualmerei in seiner Lehranstalt satt. „Auf einer Lehrerkonferenz Ende Oktober werden wir über das Thema abstimmen. Dann ist die Sache durch“, sagt er. Im Lehrerzimmer hat der Direx schon ein Rauchverbot durchgeboxt. Nun sucht Wertmann nach richtigen „Kontrollmechanismen“ für die Schüler. Denn ohne genügend Aufsichtspersonal nützt auch das härteste Verbot nichts. Das zeigt sich in Berlin mehr als einen Monat nach Verbotsbeginn deutlich. Dort verstecken sich die Schüler in Kellerräumen, auf Toiletten oder verziehen sich vor das Schultor um ihrer Sucht zu frönen. Solche Entwicklungen geben Werner Lindner, Leiter der Käthe-Kollwitz-Realschule, zu denken. „Was soll denn ein Verbot bringen?“, fragt er. „Die Regeln werden doch sowieso gebrochen.“ Seiner Meinung nach sei es besser mit den Rauchenden zu sprechen. Seine Kollegin Ortrud Meyhöfer von der Voltaire-Gesamtschule sieht es ähnlich: „Schüler, Lehrer und Eltern müssen gemeinsam einen Weg finden, sich der rauchfreien Schule anzunähern.“ Vorsorglich gab es an ihrer Schule schon eine Umfrage unter den Kollegen, bei den Eltern und in der Schülervertretung. Ergebnis dieses „Meinungsbildes“: Eltern und Lehrer pro, die Hälfte der Schüler contra Rauchverbot. „Es muss ein Konsens gefunden werden“, kommentiert Direktorin Meyhöfer das Ergebnis. Generelle Verbote scheinen im Bildungsministerium von Brandenburg bisher kein Thema zu sein, obwohl sich Ex-Minister Steffen Reiche noch im Mai für die Abschaffung des Lehrerraucherzimmers einsetzte. Ministeriumssprecher Reiner Wallesser sagt: „Bisher ist der Kurs, dass Schulen ihr Vorgehen gegenüber Rauchern per Hausordnung selbst festlegen“. Ein Beispiel dafür ist die Marie-Curié-Gesamtschule. Dort ist der blaue Dunst ein rotes Tuch für Schulleiter Dieter Degenkolbe: „Wer von den Lehrern raucht, macht das nur auf dem Weg zur Schule.“ Inzwischen sei auch schon die Raucherecke auf dem Schulhof abgeschafft worden. Das nächste Ziel sei es, so Degenkolbe, „das Rauchverbot auf einer Schulkonferenz nach den Herbstferien in der Hausordnung zu verankern“. Dr. Dieter Rauchfuß vom Helmholtz- Gymnasium hat für dergleichen nicht viel übrig. Er raucht zwar nicht, aber in seiner Penne bleibt alles beim Alten. „Im Bio-Unterricht gibt es ab und an Kampagnen gegen Raucher. Ansonsten haben wir eine Raucherecke auf dem Schulhof und einen Raucherbereich im Lehrerzimmer – so wie sich das gehört.“ Ein Potsdamer Café ohne Dunst Potsdams Kneiper zeigen sich gegenüber Rauchverboten meist skeptisch „Ich könnte zumachen, wenn meine Gäste nicht mehr rauchen dürften“, so Mareike Metz, Chefin der Kneipe „Zum Faß“ in der Charlottenstraße. Sie ist sich sicher: „Über 50 Prozent der Kunden würden abhauen, das Nachmittags- und Abendgeschäft wäre besonders betroffen.“ Ähnlich sieht das Pepe, der im „Hafthorn“ in der Friedrich-Ebert-Straße hinter dem Tresen steht und dort Geschäftsführer ist: „Das funktioniert nicht.“ 90 Prozent seiner Gäste würden rauchen. Besonders bei Jugendlichen ist das „Hafthorn“ beliebt: „Meine Kunden sind im Durchschnitt Mitte 20 und die jungen Leute rauchen einfach am meisten.“ Gibt es denn überhaupt Beschwerden wegen des vielen Rauchs ? „Ja“, meint Pepe, „es haben sich schon Leute aufgeregt – aber die sind einfach woanders hingegangen.“ Das Thema Rauchverbot werde aber unter den Potsdamer Gastronomen durchaus diskutiert, so Pepe: „Ich habe schon mit anderen Gastwirten zusammen gesessen und über die Verbote in anderen Ländern wie Irland geredet.“ Das Ergebnis: Ein Ding der Unmöglichkeit in Potsdam. Ganz anders sieht es in der vor drei Jahren gegründeten „Wippe“ aus: Das Familiencafé in der Lindenstraße ist seit jeher rauchfrei. Inhaberin Diana Pohl sagt: „Wir haben nur gute Erfahrungen mit dem generellen Rauchverbot gemacht.“ Nur auf dem Hof der „Wippe“ dürfe geraucht werden. „Das kommt aber selten vor“, so Pohl, die selbst Raucherin ist. Trotzdem könne sie sich auch ein generelles Rauchverbot in gastronomischen Einrichtungen vorstellen: „Ich bin zwiegespalten, fände es aber doch ganz gut.“ Rauchfrei per Dekret Längst durchgesetzt ist das Rauchverbot in den Verwaltungsgebäuden des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Dort wird seit zweieinhalb Jahren nicht mehr geraucht. Landrat Lothar Koch hatte zum 1. April 2002 eine entsprechenden Änderung der Dienst- und Geschäftsordnung durchgesetzt. „Zuvor hat natürlich der Personalrat zugestimmt“, sagte Pressesprecherin Andrea Metzler. Eine Belegschaftsversammlung sei jedoch nicht einberufen worden. So hielten viele im Hause die Anordnung erst für einen Aprilscherz. Der Personalrat hatte aber eingefordert, dass im Hause arbeitende Raucher nicht diskriminiert werden dürfen: Deshalb stehen nun im direkten Umfeld der Gebäude Raucherinseln. Und wo sollen die Qualmer in Potsdams Rathaus hin? Über Raucherinseln müsse noch entschieden werden, so Jürgen Schneider von der Stadt: „Deren Einrichtung ist auch eine Geldfrage.“

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