Weniger Fahrspuren für Zeppelinstraße: Reaktion auf Umbau: „Reine Schnapsidee“
Die Pläne für weniger Fahrspuren auf der Zeppelinstraße sorgen für viel Kritik – doch gibt es auch Zustimmung. Die Stadtpolitik fordert ein Mitspracherecht.
- Henri Kramer
- Enrico Bellin
Stand:
Potsdam - Der Aufschrei war vorhersehbar: Die städtischen Pläne für eine in beide Fahrtrichtungen nur noch einspurige Zeppelinstraße haben am Freitag für heftige Diskussionen gesorgt. Kritik kam von den meisten Potsdamer Fraktionen sowie aus der Wirtschaft und vom Allgemeinen Deutschen Auto Club (ADAC). Mit Empörung reagierte man auch im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Dagegen verteidigten Umweltschützer die Planungen.
Hintergrund sind wie am Freitag berichtet den PNN anonym zugespielte, bisher geheime Planungen aus dem Dezernat des Grünen-Baubeigeordneten Matthias Klipp. Dessen Verkehrsplaner wollen mit radikalen Maßnahmen gegen die seit Jahren zu hohen Schadstoffwerte in der viel befahrenen Zeppelinstraße vorgehen. Schon im Sommer soll die Bundesstraße in Richtung Werder massiv umgestaltet werden, stadtein- und -auswärts gibt es dann nur noch eine Fahrspur je Richtung. Nächste Woche will Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im Kreis seiner Beigeordneten entscheiden, ob die radikale Umgestaltung angegangen wird.
Radikalumbau müsste diskutiert werden
Potsdamer Stadtpolitiker verlangten am Freitag ein bisher nicht vorgesehenes Mitspracherecht. „Ohne Beteiligung von Bürgern, Umlandgemeinden und Politik kann eine solche Entscheidung nicht getroffen werden“, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Auch die Alternativen eines Radikalumbaus müssten diskutiert werden. CDU-Fraktionschef Matthias Finken kritisierte, das Szenario sei nicht einmal im gültigen Stadtentwicklungskonzept Verkehr enthalten: „Derart weitreichende Veränderungen müssen Teil eines Gesamtkonzeptes sein – isolierte Maßnahmen helfen nicht weiter.“ Deutlich wurde auch Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke): „Auf ein solches Experiment sollte man sich nicht einlassen.“ Von einer „reinen Schnapsidee“ sprach Peter Schultheiß von der Fraktion Potsdamer Demokraten.
Dagegen verteidigten die Grünen und die alternative Fraktion Die Andere die Überlegungen. Grünen-Kreischef Nils Naber teilte mit: „Ziel muss es sein, die Nutzung alternativer Fortbewegung zum Auto zu stärken.“ Die Andere-Fraktionschef Carsten Linke sagte, er befürworte die Pläne, weil der öffentliche Nahverkehr bevorteilt und dessen Attraktivität erhöht würde. Werde die Zeppelinstraße einspurig, müssten in der Folge aber die Pförtnerampeln wieder abgebaut werden. Diese computergesteuerten Anlagen dosieren den Zustrom von Autos in die Innenstadt. An dem System gab es wegen häufiger Rückstaus stets Kritik aus betroffenen Umlandgemeinden wie Schwielowsee.
Gemeinden sollen einbezogen werden
Für Überraschung und Unverständnis sorgten die Pläne der Stadtverwaltung im Landkreis Potsdam-Mittelmark, der mit der Stadt eigentlich eine gemeinsame Arbeitsgemeinschaft zur Verkehrsentwicklung betreibt. Christian Große (CDU), Werders 1. Beigeordneter, teilte im sozialen Netzwerk Facebook schlicht mit: „Wieder nur ein Alleingang ohne Plan – so sieht keine Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene aus!“
Diplomatischer sagte Landrat Wolfgang Blasig (SPD)auf PNN-Anfrage: „Natürlich ist die Schadstoffbelastung ein ernst zu nehmendes Problem für Potsdam, das aber nur gelöst werden kann, wenn man sich mit dem gesamten Verkehr im größeren Umfeld befasst.“ Dazu gehörten vor allem Anpassungen beim Zug- und Busangebot. Zudem seien so einschneidende Themen nur gemeinsam zu diskutieren, so Blasig. Auch Schielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) sieht dringend Gesprächsbedarf in der Arbeitsgemeinschaft mit Potsdam. „Die Gemeinden müssen bei solchen komplett neuen Lösungsvorschlägen mit an den Planungstisch“, sagte Hoppe.
Stickstoffbelastung in der Zeppelinstraße zu hoch
Das Ausmaß der Staus, die durch die Pförtnerampeln auf der Bundesstraße 1 regelmäßig entstehen, dürfe nicht verschärft werden. „Wir haben manchmal Stau durch ganz Geltow, teilweise stehen die Autos sogar bis Werder still.“ Hoppe begrüßte aber, das mit der angedachten Verlängerung der Busspur von der Pirschheide bis nach Geltow ein Vorschlag aus der Arbeitsgemeinschaft aufgenommen wurde. „Wir brauchen die Spur, damit wenigstens der Bus nach Potsdam durchkommt.“
Hintergrund für die Pläne zur Straßenumgestaltung sind die seit diesem Jahr europaweit verbindlich geltenden Grenzwerte für das giftige Abgas Sticksstoffdioxid, die in der Zeppelinstraße seit Jahren überschritten werden. Darauf verwies der Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Brandenburg, Axel Kruschat: „Der Plan scheint sinnvoll – man muss eben dafür sorgen, dass die Autofahrer auf attraktive Alternativen im öffentlichen Nahverkehr umsteigen können.“ Klipps Verkehrsplaner hoffen, den Verkehr auf der Bundesstraße um 18 Prozent reduzieren zu können. Marc Nellen vom ökologischen Verkehrsclub VCD ergänzte, mit weniger Autos auf der Straße würde Potsdam-West lebenswerter: „Ganz Potsdam wird davon profitieren, wenn weniger Autos ein- und auspendeln.“
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Dagegen sagte der beim ADAC Berlin-Brandenburg für Verkehrsfragen zuständige Experte Jörg Becker, eine einspurige Lösung werde keine Verbesserung bringen: Der Verkehr sei bereits durch die Pförtnerampeln reduziert worden. Wichtiger seien Alternativen, etwa ein durchgängiger Busverkehr bis in die späten Abendstunden. Der Chef der Taxi-Genossenschaft Potsdam, Detlef Baatz, fragte: „Wo soll denn die steigende Zahl der Autos in Potsdam fahren, wenn es immer weniger Straßenraum gibt?“ Und die Industrie- und Handelskammer Potsdam teilte mit: „Diese Form der Verkehrserziehung ist in einer stetig wachsenden Stadt gefährlich. Der Wirtschaftsverkehr muss auf einer der Hauptverkehrsachsen fließen und darf nicht im Stau stecken bleiben.“
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