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HEYES Woche: Rechtsextremismus und Arbeitsplätze

Immer noch gibt es ein Ost-West-Lohngefälle. Jeder dritte Brandenburger Arbeitnehmer hat keine Vollzeitstelle und hält sich mit Mini-Jobs über Wasser.

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Immer noch gibt es ein Ost-West-Lohngefälle. Jeder dritte Brandenburger Arbeitnehmer hat keine Vollzeitstelle und hält sich mit Mini-Jobs über Wasser. Dies ist die Rutschbahn, auf der das Land weiterhin seine so dringend benötigten und immer rarer werdenden Fachkräfte in Richtung Westen davon schliddern sieht. Jedenfalls schaut das politische Brandenburg mit großer Sorge auf das „Betriebspanel 2009“, das aktuell diese bedenklichen Ergebnisse liefert. Wenn sich an der Struktur des Arbeitsmarktes nichts ändert und wenn Arbeitnehmer weiter davon ausgehen müssen, dass hier fast ein Viertel weniger Lohn als in den westlichen Ländern gezahlt wird, dürfte sich der Bevölkerungsschwund nochmals beschleunigen. Der bloße Appell des Sozialministers an die Unternehmen Brandenburgs, ihren Beschäftigten mehr Geld zu geben, wird da wohl nicht viel ausrichten.

Der Aderlass bildungsnaher und ausbildungsfähiger Brandenburger hat aber auch politische und damit wahlarithmetische Folgen. Mit ihnen verschwinden zunehmend die politischen Gegengewichte vor allem in den ländlichen Regionen, in denen sich rechtsextreme Anschauungen unwidersprochen zeigen können. Ein kleines Beispiel: Eine Freundin geht in ihrem Urlaub, irgendwo in der idyllischen Mark, während der Fußball-WM zu einem Public Viewing. Ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Sie erlebt peinliche und rassistische Zwischenrufe, wenn Spieler der Mannschaft mit nichtdeutschen Wurzeln genannt werden. Keiner der Einheimischen verbittet sich das, keine Gegenrede. Ihr bleibt nur, entsetzt zu gehen. Kein guter Ort für einen Urlaub.

Und wohl kein guter Ort für die Ansiedlung von Firmen. Nicht nur ausländische Investoren werden da einen Bogen um Brandenburg machen; damit dürfte das Entstehen neuer Jobs schwierig sein. Ich höre auch, dass manche gut ausgestattete Fachhochschule in Ostdeutschland nicht genug Bewerber findet. Unter anderem auch, weil Studierende aus dem Westen der Republik oder gar erkennbar ausländische Studierende abschreckende Alltagserfahrungen machen, die sie mit rassistischen Äußerungen und rechtsextremen Haltungen konfrontieren. Da bleibt mancher nur ein Semester und kommt nie wieder.

Dass in Potsdam von all dem kaum etwas zu spüren ist, scheint manchen dazu zu verleiten, dies als Einzelfälle abzutun. Das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus im Institut für Gemeinwesenberatung in Brandenburg hat andere Erfahrungen. Wer Brandenburg auch ökonomisch nach vorn bringen will, braucht dafür aber vor allem ein weltoffenes und tolerantes Klima. Dazu kann jeder einen Beitrag leisten.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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