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"Die Menschen haben großes Interesse, ihre Stadt mitzugestalten und der Bürgerhaushalt bietet ihnen eine gute Möglichkeit dazu", sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).

© M. Müller (dpa)

Potsdam: Rekord beim Bürgerhaushalt

Mehr als 14 000 Potsdamer wollten mitbestimmen, wofür die Stadt Geld ausgeben soll. Ein Überblick über den Haushalt der Bürger.

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Potsdam - So viele Potsdamer wie nie haben bei der zehnten Auflage des Bürgerhaushalts mitgemacht. Mehr als 14 000 Menschen hätten sich beteiligt, so Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in seiner aktuellen Kolumne, die auf dem Internetportal der Stadt veröffentlicht wird. Beim Bürgerhaushalt 2015 machten 8500 Potsdamer mit – es gibt also eine deutliche Steigerung der Teilnehmer. „Das ist rekordverdächtig und zeigt: Die Menschen haben großes Interesse, ihre Stadt mitzugestalten und der Bürgerhaushalt bietet ihnen eine gute Möglichkeit dazu“, so Jakobs.

Beim Bürgerhaushalt können die Potsdamer konkrete Vorhaben benennen, für die Geld ausgegeben werden soll – oder explizit keine städtischen Mittel fließen sollen. Mit den Bürgervorschlägen müssen sich die Stadtverordneten beschäftigen und dazu Beschlüsse fassen. Beim aktuellen Bürgerhaushalt steht jetzt die Rangliste der Bürgervorhaben fest. Dafür konnten die Potsdamer seit dem 3. Oktober jeweils fünf Punkte für ihre wichtigsten Themen vergeben – per Post als auch im Internet. Inzwischen kann man nicht mehr abstimmen. Nur am Donnerstag ist das sogenannte Votieren beim Abschlusstermin noch möglich. Ein Überblick über den Haushalt der Bürger:

Die Top Drei

Spitzenreiter mit rund 12 100 Stimmen ist – wie schon beim Bürgerhaushalt 2015 – der Wunsch, kein öffentliches Geld für den Abriss des Hotels Mercure auszugeben. Dabei ist dieses Ansinnen derzeit vom Tisch. Wie berichtet haben sich die Stadtverordneten vor wenigen Wochen fraktionsübergreifend darauf verständigt, alle Bemühungen zum Erwerb und anschließenden Abriss des DDR-Plattenbaus einzustellen. Zudem gab es bereits ähnliche Beschlüsse des Stadtparlaments vor zwei Jahren sowie nach dem Bürgerhaushalt 2015 – doch offenbar beschäftigt die Potsdamer die Zukunft des Mercure tatsächlich sehr, und die Befürworter des Erhalts sind gut zu mobilisieren.

Platz zwei der Bürger-Forderungen ist ebenfalls in Umsetzung. Es geht um den Ausbau des Radwegenetzes, speziell um mehr Radschnellwege. Dafür ist 11 500 Mal votiert worden. Die Stadt verweist dazu auf die laufende Fortschreibung des Radverkehrskonzepts. Als dringliche Radschnelltrassen sollen in den kommenden Jahren Verbindungen nach Stahnsdorf und Werder entstehen. Schon dieses Jahr werde ein Radweg zwischen den Wohngebieten Drewitz und Schlaatz geschaffen. Allein für 2017 geht die Stadt von 1,5 Millionen Euro Kosten für neue Radwege aus.

Der drittplatzierte Bürgerhaushaltsvorschlag ist wiederum schon aus den Vorjahren bekannt – und dazu auch kein drängendes Thema. Schon zweimal haben die Stadtverordneten in den vergangenen Jahren beschlossen, dass keine städtischen Mittel für den umstrittenen Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche verwendet werden sollen. Dennoch sind dafür erneut mehr als 10 000 Voten gesammelt worden.

Ohnehin spiegeln einige Punkte die hitzige Debatte um die Gestaltung der Potsdamer Mitte: So gibt es 8700 Stimmen für den Punkt „Instandsetzung und Modernisierung anstatt Abriss in Potsdams Innenstadt“ samt Erhalt der Fachhochschule (FH), dagegen 5400 Voten für „Neugestaltung der Potsdamer Mitte umsetzen: Historischer Stadtgrundriss“. Der FH-Abriss ist von der Stadtpolitik längst besiegelt.

Tierheim, Kitas und Co.

Dauerbrenner sind auch die Themen Tierheim und Kitas. Unter anderem geht es 2016 einmal mehr um die mögliche Unterstützung des Tierheimneubaus, den der Tierschutzverein an der Michendorfer Chaussee plant. 5700 Stimmen fordern die allgemeine finanzielle Unterstützung des Projekts. Direkt lehnt das die Stadt nicht ab. Allerdings verweist das Rathaus unter anderem auf die Spendenmittel in Höhe von fast 132 000 Euro, die für den Bau eines Tierheims reserviert seien. Zudem würden die in Potsdam abgegebenen Fund- und Verwahrtiere derzeit in Zossen betreut – eine kommunale Pflichtaufgabe, die laut Stadt stets europaweit ausgeschrieben werden muss.

Auch wiederholt gefordert wird, die Potsdamer Kita-Gebühren wieder zu senken und zugleich mehr Kita-Personal durch die Stadt zu bezahlen. Dafür gibt es jeweils rund 5200 Voten. Die Forderung nach geringeren Gebühren beurteilt die Verwaltung skeptisch – ohne eine finanzielle Kompensation durch das Land sei das nicht umsetzbar. Allerdings hatte sich die rot-rote Landesregierung zuletzt zum Einstieg in die Beitragsfreiheit ab 2018 bekannt. Auf die Verantwortung des Landes verweist die Stadt auch bei der Forderung nach mehr Kita-Personal.

Auch über Sparvorschläge in eigener Sache müssen die Stadtverordneten befinden. Demnach gibt es knapp 3900 Voten für den Vorschlag, die Finanzen der Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung um 20 Prozent zu senken – was rund 80 000 Euro sparen würde. Die Stadtverwaltung ist skeptisch, schließlich würden die Kommunalpolitiker schon heute gegen eine Aufwandsentschädigung von 195 Euro pro Monat weitgehend ehrenamtlich arbeiten, auch in vielen abendlichen Ausschusssitzungen. Weiterhin gibt es 5300 beziehungsweise 3600 Stimmen für eine erneute Erhöhung der Hundesteuer sowie der Gebühren für private Feuerwerke, durch die die Stadt bisher knapp 5000 Euro pro Jahr einnimmt.

Eine Umgehungsstraße?

Einmal mehr wird mit knapp 4000 Voten auch eine Umgehungsstraße für Potsdam gefordert. Hier verweist die Stadtverwaltung auf das beschlossene Verkehrskonzept für Potsdam, das eine Ortsumgehung ausschließt. Allerdings könne man ab 2020 erneut eine solche Maßnahme prüfen. Ebenso wird fast 7600 Mal gefordert, die Biosphäre zu erhalten. Hier prüft die Stadt bis Januar, ob die defizitäre Tropenhalle zum Multifunktions- und Stadtteilzentrum umgebaut werden kann.

Kopf an Kopf verläuft das Rennen für mehr Förderung zwischen dem geplanten Familienzentrum „Scholle 34“ in Potsdam-West und der dringend nötigen Sanierung der Waldstadt-Grundschule, die die Stadt eigentlich erst 2024 abschließen will. Für die Scholle gibt es 3243 Voten, die Schule kommt auf vier weniger – und ist damit nicht mehr unter den Top-Forderungen des Bürgerhaushalts, über die die Stadtverordneten beraten müssen.

Allerdings kann ja noch ein letztes Mal votiert werden: Am Donnerstagabend ab 18 Uhr im Plenarsaal des Rathauses bei der Abschlussveranstaltung des Rekord-Bürgerhaushalts.

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Der Bürgerhaushalt hat einen enormen Zuspruch. Er sollte reformiert werden, damit die Top-Wünsche der Potsdamer verbindlicher und schneller finanziert werden können. Ein Kommentar >>

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