Interview mit Regisseur Dietrich Brüggemann: „Religion kommt jetzt überall auf der Welt zurück“
Der Regisseur und HFF-Absolvent Dietrich Brüggemann über seinen Film „Kreuzweg“, der im Berlinale-Wettbewerb läuft
Stand:
Herr Brüggemann, in Ihrem neuen Film „Kreuzweg“ geht es um eine streng katholische Gemeinde, ein junges Mädchen, dass sich Gott opfern will. Das klingt nicht sehr nach Brandenburg...
Ja, das ist eine der religionsfernsten Gegenden der Welt hier. Aber es gibt so religiöse Verhaltensmuster auch in nicht-religiösen Gruppen – etwa im Filmgeschäft. Diese ganzen Inszenierungen auf dem roten Teppich, bei Premieren – das hat etwas Sakrales.
Sind Sie so auf das Thema extremer Religiosität gekommen?
Hatte man um 2000 noch das Gefühl, Religion sei endgültig vorbei, so kommt sie jetzt überall auf der Welt zurück. Da muss man sich nicht nur die Bomben schmeißenden Wahnsinnigen angucken, um die es in der Islamismus-Debatte geht. Es gibt auch hier radikale Stimmen, die Piusbrüder etwa...
Dietrich Brüggemann (37) studierte Regie an der HFF Potsdam. Sein Abschlussfilm „Renn, wenn du kannst“ lief 2010 auf der Berlinale. Für die Geschichte in „Kreuzweg“ konnte er auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Seine Familie hatte in seiner Jugend kurzzeitig Kontakt zu den katholischen Piusbrüdern gesucht.
Von denen einer, Richard Williamson, den Holocaust leugnet...
Das stimmt, auch wenn das dann doch nicht im System der Piusbrüder angelegt zu sein scheint, ebenso wenig wie die autoritäre Misshandlung von Kindern. Aber es gibt da eine Abkapselung, eine Art Wagenburg-Mentalität, die solche Dinge halt begünstigt.
Warum haben Sie sich bei „Kreuzweg“ für 14 Tableaus entschieden, also Szenen mit festen Kameraeinstellungen, die auch nicht geschnitten wurden?
Dafür gab es viele Gründe. Erstens dreht man so schneller, ganz pragmatisch. Die Schauspieler sind dabei aber sehr viel konzentrierter, können sich eher in der Szene entfalten, weil nicht ständig jemand „Cut“ ruft. Das hat dann auch fast etwas von einem religiösen Ritual: Jeder weiß, welche Rolle er hat, was seine Aufgabe ist, bis die Szene durchgespielt ist. Die Schauspieler sind dafür richtig dankbar. Und wir konnten so auch zehnminütige Einstellungen mit einem Dreijährigen drehen, was eigentlich eher waghalsig ist.
Der Erfolg scheint Ihnen recht zu geben: „Kreuzweg“ ist Ihr erster Film, der auf der Berlinale im Wettbewerb läuft. Ist das eine Art Ritterschlag für Sie?
Oh ja! Das ist schon sehr, sehr aufregend. Aber noch spüre ich das nicht so. Das kommt dann am Wochenende.
Damit sind Sie auch ein Aushängeschild der Potsdamer Filmhochschule HFF.
Ja, die Filmhochschule hat es gerade in den vergangenen Jahren geschafft, sich einen Ruf zu erarbeiten. Ich habe aber das Gefühl, dass durch das dreijährige Bachelor-System da jetzt wieder einiges kaputtgeschlagen wird. Nach drei Jahren macht niemand einen sinnvollen Langfilm, und um die vier Masterstudienplätze entsteht in meinen Augen ein wahnsinniger Wettbewerb unter den Studenten, der auch nicht förderlich sein kann für die Kunst.
Haben Sie sich damals eigentlich bewusst für die HFF entschieden?
Naja, das ist mir so passiert. Ich hatte mich überall beworben, mir dann speziell zur Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung an der HFF alle alten Defa-Filme angesehen, „Spur der Steine“ etwa – da waren Sachen dabei, die mir völlig unbekannt waren, die mich aber fasziniert haben.
Macht es das föderalistische Filmförder-Prinzip in Deutschland Künstlern eigentlich schwer?
Ach, irgendwie ist es immer schwierig als Künstler. Aber wenn man darüber klagt, gibt man sich leicht der Illusion hin, es gebe eine Art Naturzustand, in dem alles ideal wäre.
Wie sucht man sich als Regisseur die richtige Landesförderung? Fragt man einfach bei allen Bundesländern an?
Man sollte sich schon überlegen, wie man das macht. Am Ende ist es trotzdem oft Zufall. Ich drehe auch gerne mal nicht in Berlin. Man hat ja inzwischen das Gefühl, dort ist alles abgefilmt. Die innere Natur eines Ortes versteht man erst, wenn man eine Weile dort verbringt. Es gibt aber auch Filme, die ortlos sind.
Was spricht denn für das Medienboard als Förderpartner?
Die Frage stellt sich nicht. Das Medienboard ist halt einfach die Förderung, die wir hier haben. Was ich hier in der Region aber gefunden habe als jemand, der aus dem Südwesten Deutschlands kommt, ist eine spezielle Art des Denkens. Ich will da gar kein DDR-Fass aufmachen, mir geht es eher um die Leute. Die haben, was Film angeht, so einen subtil anderen Ansatz, es ist immer ein bisschen dokumentarischer, darin finde ich mich wieder. Ich denke schon: Jeder Ort hat seinen Geist.
Wie viel hat „Kreuzweg“ gekostet?
Nicht so viel, etwa 1,3 Millionen Euro.
Hätten Sie überhaupt Lust auf richtig teure, aufwendige Filme? Oder ist Low-Budget eher Ihr Ding?
Na klar, es wäre schön, die Leute, die – teilweise schon seit Jahren – mit mir zusammenarbeiten, anständiger bezahlen zu können. Darum geht es letztlich beim Thema Geld: Was verdienen die Leute, die die Arbeit machen. Es stimmt, „Kreuzweg“ ist schon von seiner Natur her ein kleiner Film.
Ich höre ein Aber....
Ich bin aber trotzdem auch ein Fan von großem Unterhaltungskino und habe ein fertiges Drehbuch für eine Superhelden-Komödie in der Schublade. Und eines für eine Farce über Neonazis und den NSU – das, was da passiert ist, ist im Prinzip ja eine schwarze Komödie.
Das Gespräch führte Ariane Lemme
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