
© Sebastian Gabsch
„Hollyhood“-Hip-Hop-Filmfestival in Potsdam: Richtig wichtig
Das Hip-Hop-Filmfestival im Filmmuseum endete mit einer Doku über Potsdamer Breakdance-Kinder.
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Potsdam - Was war denn am Samstagnachmittag im Filmmuseum los? Hip-Hop wummerte mit schweren Bässen aus dem Gebäude auf die Straße hinaus, an deren anderem Ende sich eine lange Schlange vor dem Lustgarten gebildet hatte, in der sich Menschenmassen zum Streetfood-Festival wälzten. Im Filmmuseum das glatte Gegenteil von sich die Beine in den Bauch stehen: Dort wurde nämlich am vorletzten Tag des „Hollyhood“-Hip-Hop-Filmfestival dem Breakdance ein Zeichen gesetzt.
Potsdam hat sich schon längst den Ruf eines Breakdance-Hotspots erarbeitet
Und zwar von Dutzenden Kids, die sich todesmutig auf den harten Fliesenboden des Filmmuseums warfen und liegend Pirouetten drehten: Kein wildes, konzeptloses Tanzen, sondern eine verrückte Mischung aus Waghalsigkeit, Disziplin und beinhartem Training. Das war ziemlich beeindruckend – dabei hat Potsdam sich ja schon längst den Ruf eines Hotspots der Breakdance-Szene erarbeitet, gerade was die Nachwuchsarbeit angeht. Die „Kidz mit Style“ werden von Robert Segner trainiert – und der hat gleich mal einen Dokumentarfilm darüber gedreht, der an diesem Nachmittag Premiere hatte.
Eigentlich gab es sogar zwei Premieren: „Pedrams Universum“ heißt der erste Film von Filmuni-Student Andreas Boschmann, eine knappe Viertelstunde lang. Pedram stammt aus dem Iran, nach seiner Flucht lebt er in Deutschland – und die Kamera begleitet ihm bei seinem verzweifelten Versuch, hier auch studieren zu dürfen. Der Versuch scheitert an der deutschen Bürokratie: Zwar hat Pedram bereits im Iran studiert, eine Hochschulzulassung wird ihm in Deutschland jedoch verweigert – er müsste im Prinzip zunächst sein Abitur nachholen. Halt findet er im Breakdance: „Im Iran heißt Breakdance professionelles Aerobic“, erzählt er. „Nur so ist es erlaubt.“ Mit stimmungsvollen Bildern hält Boschmann die Kamera drauf, unaufgeregt aus dem Hintergrund. Und schafft dabei ein stimmungsvolles Plädoyer für die Grenzenlosigkeit.
Porträt fünf ungleicher Protagonisten mit einer gemeinsamen Leidenschaft
An „Breakn“, der gleich im Anschluss Premiere hatte, feilten Robert Segner und Florian Devriel bis kurz vor der Ausstrahlung noch herum. Ursprünglich war die Dokumentation als kleines Internetprojekt geplant, „jetzt sind wir hier im Kino“, sagt Robert Segner – und ist sichtlich nervös. Klar, das Filmmuseum ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Resonanz riesig. Wird der Film auch funktionieren? Ja, wird er: Weil es ihm gelingt, fünf ungleiche Protagonisten zu porträtieren, die eine gemeinsame Leidenschaft eint.
Lao Amecke zum Beispiel, der eher zu den Privilegierten gehört, aber auch der siebenjährige „Vule“ Brkic, dessen Familie erst im letzten Moment vor der Abschiebung nach Serbien bewahrt werden konnte. „Ein Leben ohne Breakdance ist nicht so gut“, sagt er schüchtern im Film. Und meint damit: sinnlos. Oder Nick Peters, der in einem Potsdamer Heim lebt: Der sagt unglaublich reflektierte Dinge, und manche Sätze bleiben einfach hängen. „Ich habe gelernt, dass es Schwachsinn ist, wenn sich andere Leute über einen stellen.“ Vielleicht beschreibt gerade diese Erkenntnis das Breaking-Phänomen am besten: Wenn in Battles gegeneinander getanzt wird, dann schafft gerade das eine Gemeinsamkeit, die zu gegenseitigem Respekt führt. Der Konkurrenzgedanke bleibt außen vor.
Eine Leidenschaft, die zur Basis für Integration und Verständigung wird
Und auch wenn der Film ein Kaleidoskop der Privilegierten und Bedrohten ist, so hebt er doch zu keinem Zeitpunkt den moralischen Zeigefinger. Der Fokus liegt vielmehr auf der Leidenschaft, die zur Basis für Integration und Verständigung wird. Es kann nämlich alles ganz einfach sein, wenn man die Dinge nur geschehen lässt. Allein schon deshalb ist „Breakn“ einfach wichtig.
Oliver Dietrich
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