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Von Hella Dittfeld: Roncalli macht Zirkus im Center

Ausstellung zum Zirkuszauber von den Anfängen bis heute und täglich Vorstellung im Stern-Center

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Im Stern-Center ist Showtime. Noch bis zum 21. März gibt es auf der Bühne inmitten des Einkaufstempels jeweils um 14, 16 und 18 Uhr Auftritte der Artisten des Circus Roncalli, unter anderem von Jongleur Manolo Alvarez und Vanessa Rodriguez, die Tücher und Musikinstrumente durch die Luft wirbeln lässt. Doch am aufregendsten für die Kinder wird es, wenn sie selbst auf der Bühne stehen und bei Zaubertricks assistieren dürfen. Timmi, der am Samstag zu den Nachwuchsartisten gehörte, hatte es sogar vor lauter Aufregung die Sprache verschlagen. Er nickt und schüttelt mit dem Kopf sein ja und nein, rafft sich dann aber doch zu einem hörbaren Abrakadabra auf. Natürlich ist das Fünf-Euro-Stück, dass nicht durch den Flaschenhals passen will, durch Hexerei in der Flasche drin und der Beifall kann aufbranden. Neben den artistischen Einlagen auf der Bühne vermitteln noch Stelzenläufer, jonglierende Einradfahrer und der Luftballon-Tiere formende Clown Zirkusatmosphäre. Und die Kinder können sich schminken lassen. Dazu gibt es eine Vitrinen-Ausstellung über den Zirkus von seinen Anfängen bis zum Roncalli-Auftritt heute.

Das alles ist kostenlos, denn diese Show bezahlt das ECE-Management, das auch das Stern-Center betreibt. Zusammen mit dem Circus Roncalli wird dessen 30-jähriges Bestehen gefeiert und das ein Jahr lang durch alle ECE-Einkaufscenter Deutschlands hindurch. Für die Potsdamer ist das übrigens ein einmaliges Angebot, Roncalli live zu erleben, denn der Zirkus gastierte bisher nie in der Landeshauptstadt und wird es in absehbarer Zeit auch nicht tun. Tourmanager Harald Ortlepp möchte sich am liebsten um eine Aussage drücken, nennt dann aber als Hauptgrund den am Stadtrand liegenden Aufstellplatz. Ein Zirkus gehöre bei seinen Auftritten in die Stadtmitte. Er müsse wahrgenommen werden mit seinem ganzen Fluidum. Wen es also nach Roncalli und seinem Showprogramm gelüstet, der kann ihn wieder mit seinem Weihnachtszirkus im Tempodrom Berlin erleben. Dort macht er erneut Station, dort haben sich der Platz und das Angebot bewährt.

Denn Zirkus zu machen und die Leute anzulocken ist und bleibt ein hartes Geschäft. Das hat auch Roncalli-Direktor Bernhard Paul erleben müssen. Er kommt übrigens, was beim Zirkus ganz selten ist, aus einer ganz anderen Branche. Bis 1975 war er Art-Direktor bei einem Wiener Nachrichtenmagazin. Er kündigt und wirft sich dem Abenteuer Zirkus in die Arme. Am 18. Mai 1976 startet Roncalli mit „Die große Poesie des Universums“, legt eine grandiose Show in Bonn hin, gastiert bei den Wiener Festwochen und macht ein Jahr später pleite. Statt Zirkus tingelt Paul mit einem Panoptikum über Jahrmärkte, bereitet sich aber auf einen Neubeginn vor, gestützt durch den Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger, der zum Geldgeber und Paten des neuen Erfolgs wird. Es ist „Die Reise zum Regenbogen“ die Roncalli weltweiten Erfolg beschert.

Paul erweist sich in 30 Zirkusjahren als hervorragender Organisator. Er ist verantwortlich für den ersten Varieté-Neubau in der Nachkriegszeit in Düsseldorf, er erfindet das erste Verzehrtheater im Spiegelzelt. Dort werden die Nerven und die Geschmackszellen gleichermaßen gekitzelt, denn zum auserlesenen Essen gibt es Artistik vom Feinsten. Und er versucht den Wintergarten in Berlin zusammen mit André Heller und Paul Schwenkow als Varieté neu zu beleben. Dort aber ist der Betrieb ab 2009 aus finanziellen Gründen wieder eingestellt. Bernhard Paul liebt die großen Auftritte, hatte allein in Berlin 1984 in vier Monaten 350 000 Besucher, war beim Fernsehen zu Gast, holte sich Stars in die Manege von Heinz Rühmann bis Günter Lamprecht und veranstaltete 2006/07 eine große Jubiläumstournee. Und Paul ist ein Freund der Clowns und tritt selbst in der Maske der Spaßmacher auf, oft Berühmtheiten an seiner Seite. Doch die Ausstellung zeigt noch mehr, erzählt wie Zirkus überhaupt begann, nämlich 1768 mit dem englischen Unteroffizier Philip Astley, der nach seiner Entlassung aus dem Militär, Reitunterricht gab, Pferde dressierte und das Manegenrund als Vorführungsort erfand. Es werden Schaubilder der Zirkusse Hagenbeck, Sarrasani und Busch gezeigt und schließlich auf 30 Jahre Roncalli verwiesen.

Die meisten hat beim Betrachten schnell die Lust auf Zirkus gepackt, die Lust wieder ein Kind zu sein und sich verzaubern zu lassen. So jedenfalls drückt es Heiner Ganz aus, der sich von den Vitrinen gar nicht lösen kann.

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