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Vor der Stichwahl. Jann Jakobs (SPD, r.) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) treten am 3. Oktober erneut gegeneinander an, Barbara Richstein (CDU) wurde bei der Oberbürgermeisterwahl dagegen mit nur 10,5 Prozent Dritte.

© Nestor Bachmann/dpa

Von Sabine Schicketanz: Rot-rote Rivalen bringen sich in Stellung

Stichwahl am 3. Oktober: Jakobs und Scharfenberg setzen auf mehr Wähler / Linke geht in Offensive

Stand:

Nach der Wahl ist vor der Wahl: Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD) und Herausforderer Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) haben sich für die Wiederauflage ihres Duells von 2002 in Position gebracht. Die rot-roten Rivalen werden am 3. Oktober zur Stichwahl um das Amt des Potsdamer Oberbürgermeisters antreten.

Am Montag versuchten beide, das Wahlergebnis der ersten Runde für sich zu interpretieren. Als erstes Ziel nannten sie, die mit knapp 46 Prozent nur mäßige Wahlbeteiligung zu erhöhen. Jakobs, der mit 41,7 Prozent der Wählerstimmen an der Spitze lag, kündigte an, seinen Wahlkampf mit voller Kraft weiterzuführen. Er wolle jetzt die Wähler von CDU, Grünen und FDP gewinnen und bisherige Nicht-Wähler mobilisieren. Der Abstand von rund acht Prozent zwischen ihm und Scharfenberg sei „deutlich“, dürfe aber nicht „trügerisch“ wirken. Die Wahl sei „nicht gelaufen“, es werde am 3. Oktober – dem Tag der Deutschen Einheit – sicher „wieder spannend“. Vor acht Jahren hatte Jakobs nur 122 Stimmen Vorsprung.

Der Amtsinhaber hielt den Linken gestern auf Distanz: Das Angebot Scharfenbergs für eine rot-rote Rathaus-Koalition „aus Verantwortung für die Stadt“, die erneut zu drei Vierteln Rot-Rot gewählt habe, schlug Jakobs vor Journalisten aus. Auch einer Zusammenarbeit der Linken mit der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP räumte der Oberbürgermeister keine Chance ein. „Größeren Quatsch habe ich noch nie gehört“, sagte Jakobs: „Da fällt mir nur Ludwig Erhart und die ,formierte Gesellschaft’ ein.“ Jakobs wies zum wiederholten Mal die Behauptung Scharfenbergs zurück, die SPD habe ein rot-rotes Bündnis nach der Kommunalwahl 2008 verhindert. Scharfenberg dagegen führte im Schlagabtausch an, Jakobs sei „Belege für Gespräche mit den Linken bis heute schuldig geblieben“.

Der Kandidat der Linken zeigte sich kämpferisch. Er sehe Potenzial, mehr Wähler für sich zu mobilisieren, vor allem in den Plattenbaugebieten sei die Wahlbeteiligung niedrig gewesen. Dort müssten die Menschen auf die Bedeutung der Wahl aufmerksam gemacht werden. „Es geht um Potsdams Zukunft für acht Jahre, um konkreten Einfluss auf ihr Leben“, sagte Scharfenberg. Bisher galten die Wähler in den Neubaugebieten als treue Linke-Anhänger, die zuverlässig zur Wahl gehen. Dieses „Klischee“ habe sich nicht bewahrheitet, so Scharfenberg. Auch in den neuen Ortsteilen sehe er Potenzial, immerhin habe er ein Konzept für den ländlichen Raum vorgelegt. Bis auf Marquardt hatten am Sonntag alle Ortsteile mehrheitlich Jakobs gewählt. Angehen will Scharfenberg die Wähler in Babelsberg und Groß Glienicke: Sie wüssten offenbar nicht, dass die Uferkonflikte mit aktuellen „Fehlleistungen“ des SPD- Oberbürgermeisters zu tun hätten. Die Taktik des Linken ist klar: Es wird Angriffe auf Jakobs’ Amtsführung geben. Er habe „Wechselstimmung gespürt“, sagte Scharfenberg, und er habe mit 33,1 Prozent ein gutes Ergebnis erzielt – trotz der enormen Zuzüge in die Stadt, der Debatten um seine Vergangenheit als Stasi-Spitzel, einer „Materialschlacht“ der SPD und dem Amtsinhaber, der „Problemen aus dem Weg gegangen“ sei und die „gesamte Verwaltung zu seinem Wahlteam gemacht hat“. Die Stichwahl sei eine „neue Wahl“, es sei alles offen. Der „Lagerwechsel“ der Konservativen zu Jakobs habe schon im ersten Wahlgang stattgefunden.

Jakobs machte klar, dass er mit überzeugenden Wahlempfehlungen der Kooperationspartner im Rathaus rechnet (siehe Beitrag unten). Grüne und FDP gaben diese bereits ab. Beide positionierten sich erstmals auch wegen Scharfenbergs Tätigkeit als Stasi-IM von 1978 bis 1986 öffentlich gegen den Linken. Das hatten alle Parteien zuvor vermieden, laut CDU- Kandidatin Barbara Richstein aus Angst vor Solidarisierungseffekten bei den Potsdamern. „Wir wollen keinen Oberbürgermeister mit Stasi-Vergangenheit“, so gestern die Grünen. FDP-Kandidat Marcel Yon sagte, Scharfenberg habe „damals für die eigene Karriere seine Mitmenschen verraten und er macht es jetzt wieder mit falschen Wahlversprechen.“ Der Linke selbst schloss nicht aus, dass es Wählern bei der Stichwahl darum gehen kann, ihn im Amt zu verhindern: Das könnte „im bürgerlichen Lager eine Rolle gespielt haben“, so Scharfenberg.

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