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Landeshauptstadt: Rote Schleifen

Zum gestrigen Welt-Aids-Tag sammelte die Politprominenz Spenden / 2006 fünf Aids-Tote in Potsdam

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„Die meisten trauen uns nicht!“ Fabian war enttäuscht. Der 13-Jährige lief gestern Vormittag durch die Brandenburger Straße, die Taschen voll roter Schleifen. Zum 19. Welt-Aids-Tag wollte er mit seinen Klassenkameraden aus der 7b der Lenné-Gesamtschule Geld sammeln, um ein Aids-Projekt in Afrika zu unterstützen. Aus Geschenkband und goldenen Sicherheitsnadeln hatten sie vorher im Unterricht die typischen Roten Schleifen gebastelt. Auf der Brandenburger Straße aber nahm die Halbwüchsigen kaum einer für voll – „Uns fehlen die Sammelbüchsen“, meinte Fabian frustriert.

Mit denen war unterdessen nämlich Potsdams Politprominenz unterwegs. Sven Petke und Katharina Reiche (beide CDU) etwa bummelten mit Kinderwagen über den Weihnachtsmarkt und baten Passanten zur Kasse für den guten Zweck. Denn die Spendengelder aus der diesjährigen Sammlung fließen in den Nothilfefonds des Aids-Hilfe Potsdam e.V., erklärte Hortense Lademann von der Aids-Hilfe. Aus dem Fonds finanziert der Verein unter anderem Arztkosten, Kühlschränke oder Geburtstagsfeiern für bedürftige HIV-Infizierte, so Lademann.

An einem Info-Stand in der Brandenburger Straße informierte die 45-Jährige über die tödliche Krankheit. Fünf Potsdamer starben 2006 bereits an der Immunschwäche-Krankheit, drei Neuansteckungen in der Landeshauptstadt seien bekannt, so Lademann. Landesweit infizierten sich im selben Zeitraum laut Gesundheitsministerium sogar 17 Menschen. Das Robert-Koch-Institut rechne für 2006 aber mit 40 Neuansteckungen in Brandenburg, erklärte Lademann. Das seien fünf mehr als im vergangenen Jahr.

Wie es zu dem Anstieg kommt? An fehlender Prävention kann es laut Lademann jedenfalls nicht liegen: Drei Stunden Zeit statt nur anderthalb nimmt sie sich seit diesem Jahr für den Aufklärungsunterricht an Schulen. Die Aids-Hilfe Potsdam habe die Kapazitätsgrenze erreicht, so die Gesundheits-Aufklärerin.

„Guten Morgen, heute ist Welt-Aids- Tag. Ein Flyer dazu oder “n Kondom mitnehmen?“ So wurden die Schüler des Helmholtz-Gymnasiums in der Kurfürstenstraße gestern in der großen Pause begrüßt. Fabian Reichelt und Frank-Uwe Gartz von der Jungen Union verteilten vor den Toren der Schule Info-Blätter und Kondome an die Gymnasiasten. Dass die Infektionsrate in Westeuropa zunimmt, war den Schülern allerdings bekannt: „Die Angst flaut wieder ab“, vermutete Thomas H. Der 16-Jährige hatte sich gerade im Fach „Politische Bildung“ mit dem Thema auseinandergesetzt.

Trotz alarmierender Zahlen saß den Potsdamern das Geld in diesem Jahr aber offenbar nicht besonders locker: „Soviel Ablehnung wie heute habe ich noch nicht erfahren“, meinte Landtagsabgeordnete Anita Tack (PDS), die bereits auf „viele Jahre“ des Büchsensammelns zurückblickt. Auch ihr Parteikollege Hans-Jürgen Scharfenberg berichtete von „unterschiedlichen Reaktionen“. „Fragen Sie doch mal Herrn Ackermann“, habe ein Passant auf die Bitte nach einer Spende gekontert. Andere Erfahrungen machte dagegen die Brandenburgische Familienministerin Dagmar Ziegler (SPD): Sie freute sich über „gute Resonanz“. Spendenwillig zeigte sich zum Beispiel Oberkommissar Joachim Pfeifer, Revierpolizist in der Innenstadt. Auf ein Kondom zum Mitnehmen verzichtete er abwinkend: „Ich bin seit 40 Jahren mit ein und derselben Frau zusammen.“

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