Etwas HELLA: Rotsehen macht krank
Kennen Sie die ansteckende, hochgefährliche Krankheit, die durch zu lange rotleuchtende Ampeln bei zu wenig Verkehr ausgelöst wird? Ich habe mich vor Jahren bei meinem afrikanischen Freund angesteckt, der genervt von unseren vielen Verkehrsregeln eines schönen Tages erklärte: „Wir dürfen bei uns im Busch auch bei Rot über die Kreuzung gehen.
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Kennen Sie die ansteckende, hochgefährliche Krankheit, die durch zu lange rotleuchtende Ampeln bei zu wenig Verkehr ausgelöst wird? Ich habe mich vor Jahren bei meinem afrikanischen Freund angesteckt, der genervt von unseren vielen Verkehrsregeln eines schönen Tages erklärte: „Wir dürfen bei uns im Busch auch bei Rot über die Kreuzung gehen. Aber dann ganz schnell.“
Er ist inzwischen in seine Heimat zurückgekehrt – und wird wieder einfach bei Rot losgehen. Ich bin mir allerdings sicher, dort gibt es insgesamt weniger Ampeln als allein die auf der Langen Brücke und am Leipziger Dreieck in Potsdam. Vielleicht breitet sich die Krankheit gerade deshalb immer stärker aus. Denn was macht der genervte Bürger, wenn er an der Ampel steht und wartet und wartet und kein Fahrzeug in Sicht ist. Er geht oder radelt einfach los. Bei Rot.
Die Folgen sind nicht absehbar, selbst wenn er sich vorher umgesehen hat. Denn erstens könnten Kinder an der Kreuzung stehen und dem schlechten Beispiel folgen, zweitens Autofahrer angeschossen kommen, obwohl sie auch Rot haben. Sie glauben nämlich zu wissen, dass Fußgänger und Radfahrer ewig auf ihr Grün warten müssen. Wenn aber zwei Rot-Gestörte aufeinander treffen, ist das besonders ungesund. Drittens könnte auch ein Ordnungshüter in der Nähe stehen und zum Knöllchen greifen. Und das wäre dann nicht krank, sondern heilsam.
Nun will ich beileibe nicht behaupten, dass sich die Buschkrankheit durch sinnvolle Ampelschaltungen völlig heilen lässt, aber der Weg der Besserung wäre auf alle Fälle eingeschlagen. Am Leipziger Dreieck zum Beispiel. Die Kreuzung ist viel befahren, unübersichtlich und hat an jeder Ecke, an jedem Fußweg, an jeder Abzweigung eine Ampel. Deshalb, dachte ich, würde tagelang an den Ampeln gebastelt, um den Verkehrsfluss zu verbessern. Und siehe da, nach der Bastelei hatte sich tatsächlich etwas geändert: Es gab stadtauswärts noch mehr Rotstopps. Radfahrer und Fußgänger dürfen nun an jeder Ampel verweilen, weil die immer dann Rot aufleuchtet, wenn man sie erreicht hat. Hin und wieder fällt dann auch noch eine Geradeaus-Grünphase aus, damit das Warten lohnt.
Dass das als Geduldsprüfung eigens für mich so gemacht wurde, glaube ich natürlich nicht, auch wenn das mein Nachhauseweg ist und ich bereits vor einiger Zeit wegen der Ampellage auf der Langen Brücke gestänkert habe. Jeder weiß, Verkehrsplaner stehen über den Dingen und scheren sich nicht um kritische Anwürfe. Zum Beispiel um den, dass der Radfahrer ewig braucht, um bei Einhaltung aller Verkehrsregeln über das Leipziger Dreieck zum Bahnhof zu kommen. Schließlich fährt die S-Bahn wieder im Zehn-Minuten-Takt und da kann man ruhig mal eine verpassen.
Es bleibt aber noch die Hoffnung auf einen Umbau der Kreuzung. Ich glaube fest daran, dass in zehn,15 Jahren jemand den Stein der Weisen findet und einen perfekten superflüssigen Kreisverkehr ganz ohne Ampeln auf die Kreuzung zaubert. Potsdam hat dann allerdings längst eine autofreie Innenstadt, ist die kinderfreundlichste City Europas und hätte am Leipziger Dreieck einen Spielplatz viel dringender gebraucht.
An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch ihr geliebtes Potsdam etwas heller wird. Man darf aber auch ganz anderer Meinung sein.
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