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Landeshauptstadt: Rouladen als Medizin

Eine Betroffene erzählt, warum sie selber kocht und am Sonntag beim Mukoviszidose-Lauf vorbeischaut

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Susann Tesch (22) ist eine zielstrebige junge Frau. Sie hat im vorigen Jahr ein Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL) begonnen und eine Ausbildung als Bürokauffrau bereits abgeschlossen. Trotz ihrer Krankheit geht sie gern aus, auch mal in Discos und sie kocht sich jeden Tag ein warmes Essen. Als Leib- und Magenspeise nennt sie die Rinderrouladen ihrer Mama. Da sie nicht mehr zu Hause wohnt, muss sie sich die nun allerdings selbst zubereiten. Und das tut sie auch, denn Kochen von sehr kalorienhaltigem Essen gehört für Susann zur Therapie. Die Wahlpotsdamerin hat Mukoviszidose, eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die noch immer unheilbar ist. Doch die Früherkennung der Krankheit, intensive medizinische Betreuung und verbesserte Medikamente haben die Lebenserwartung der Patienten von früher höchstens 30 Jahren – die meisten starben sogar schon im Kindesalter – um das Doppelte erhöht.

Für intensive Forschung, aber auch die persönliche Unterstützung der Patienten setzt sich die Deutsche Mukoviszidose-Gesellschaft ein, deren Landesverband Berlin-Brandenburg e. V. am kommenden Sonntag den achten Muko-Freundschaftslauf im Lustgarten startet. Zu den Organisatoren gehört auch Eva-Susanne Behl, Fachärztin am Klinikum „Ernst von Bergmann“ und mit Mukoviszidose seit 1984 beschäftigt. Für sie ist ein gutes Vertrauensverhältnis zum Patienten ebenso wichtig wie die medizinische Betreuung. Und Vertrauen hat sie zu der BWL-Studentin Tesch über sechs Jahre aufgebaut. Trotz des Studiums inhaliert Susann regelmäßig früh und abends und hat die notwendigen Therapien in ihren „Stundenplan“ integriert. Den Donnerstag habe sie sich freigehalten. Da komme dann auch die Physiotherapeutin ins Haus. Der Einsatz der Medikamente, die Kochkünste und eine für Mukoviszidose-Erkrankte entwickelte Zusatznahrung zeigten denn auch Erfolg auf der Waage. Die 1,66 Meter große Patientin, die 2004 mit einem Gewicht von 48 Kilo in die Sprechstunde von Behl kam, wiegt jetzt 54 Kilo. Davor war Tesch in ihrer Heimatstadt Cottbus in Behandlung und als Teenager wohl noch etwas nachlässiger beim Einhalten der Vorgaben. In den letzten Jahren sind aber auch die Behandlungsmöglichkeiten besser geworden.

Mukoviszidose wird zumeist schon im Babyalter erkannt und die Früherkennung ist äußerst wichtig für den Behandlungserfolg. Deshalb setzt sich die Mukoviszidose-Gesellschaft intensiv für die Einführung eines obligatorischen Tests auf Mukoviszidose bei allen Neugeborenen ein. Bisher ist das noch an der Kostenfrage gescheitert.

Tesch war ein halbes Jahr alt, als bei ihr Ernährungsstörungen entdeckt wurden und seit dieser Zeit muss sie mit der Krankheit leben. Die habe sie in ihrer Kindheit aber wenig gestört, erzählt sie. Ihr sei zwar schneller als anderen „die Puste ausgegangen“, aber im Grunde habe sie mit ihren Freunden alles mitgemacht. Die kontinuierlichen Krankenhausaufenthalte wurden während der Schulzeit in die Ferien verlegt und auch Studium und Krankheit sind in Einklang gebracht. Ihr Freund akzeptiere die Krankheit und nehme darauf Rücksicht. „Das heißt aber nicht“, erklärt sie, „dass wir nicht ins Café oder auch mal in die Kneipe gehen können. Stätten, an denen geraucht wird, muss sie jedoch meiden. Nach sportlichen Aktivitäten gefragt, die allgemein zur Therapie gehören, schüttelt sie den Kopf. Dazu fehle die Zeit.

Beim Muko-Lauf will sie aber vorbeischauen, denn da träfe man auch Freunde und Bekannte. Behl nickt zustimmend. „Das Interesse am Lauf wird immer größer“, sagt sie. Es gebe bereits über 700 Anmeldungen. Allein das Klinikum komme mit einer 37-köpfigen Läufermannschaft. Hella Dittfeld

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