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Angetreten zum Radio-Test: Hugo Egon Balder zeigte am gestrigen Dienstag im Havarie-Studio des RBB, dass er auch ohne Fernsehkameras quatschen kann.

© Manfred Thomas

Radiolegende: Rückkehr der Rampensau

Hugo Egon Balder ist die erste Radiolegende im Potsdamer Radioeins-Studio, ab 28. Januar moderiert er dort neben Thomas Gottschalk und Dagmar Berghoff einige Sendungen.

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Ob er aufgeregt ist? Radioeins-Moderator Jürgen König schaut auf die Uhr. Vor einer Stunde sollte sein Gastmoderator Hugo Egon Balder bereits hier sein. „Ich bin etwas genervt und hoffe, der wird das Ding durchziehen, dafür ist er ja Profi genug“, sagt König. Dann die erlösende Nachricht: Der Künstler soll auf dem RBB-Gelände sein und irgendwo Kaffee trinken. Und er sei gut drauf.

Viel Aufregung gab es am Dienstag um den ersten Teil des Projekts „Die Rückkehr der Radiolegenden“. Vom 28. Januar bis 8. Februar werden jeweils Montag bis Freitag Gastmoderatoren im Radioeins-Studio sitzen, deren Fernsehkarriere einst beim Radio begonnen hat oder die sich einen Ruf als legendäre Radiomoderatoren und -journalisten erarbeitet haben. Elf Radiolegenden wie Thomas Gottschalk, Dagmar Berghoff oder Gregor Rottschalk werden Sendungen nach ihren eigenen Vorstellungen moderieren. Die Idee dazu stammt von Programmchef Robert Skuppin: „Der Retro-Aspekt passt zu Radioeins. Außerdem wollten wir mal testen, ob die sogenannten Legenden wirklich noch so gut sind wie ihr Ruf“, sagte er.

Denn obwohl sämtliche Sendungen live im Potsdamer Studio produziert werden, musste Hugo Egon Balders Einsatz am Mikrofon aus Termingründen gestern vorproduziert werden. Am Montag, dem 28. Januar, ist seine Sendung der Auftakt zur neuen Reihe.

Balder, ausgebildeter Schauspieler, war Anfang der 1980er Jahre bei Radio Luxemburg, bevor es ihn zu Kabarett, Fernsehen und Theater zog. Als die Anfrage von Radioeins kam, sagte er sofort zu, auch ohne das übliche Moderatorenhonorar, das Skuppin der Ordnung halber allen Teilnehmern angeboten hatte.

„Es macht einfach Spaß. Wenn man die Chance hat, sollte man das einfach tun“, sagt er und lacht. Dabei meint er offentlichtlich beides: Dass er sich einen ganzen Tag im Studio ans Bein bindet – und einst für den Job als Moderator entschieden hatte. Ob denn Radio heute anders ist als damals? Balder zieht an der Zigarette und sagt: „Die ewige gute Laune der Privatsender stört mich, wir jingeln uns noch mal zu Tode“, so Balder über die sintflutartige Verwendung von Erkennungsmelodien. Eigentlich sei Radio ja ein tolles Medium.

Dieses Medium will bedient werden. Die Technik sei jetzt natürlich anders, aber dafür gibt es einen dritten Mann im Studio, und außerdem ist da Jürgen König. Der rennt notfalls los und besorgt ganz traditionell zu Fuß Musik, wenn dem Künstler beispielsweise einfällt, dass er jetzt doch seinen „Arschloch-Song“ spielen will. Ansonsten ist man gut vorbereitet, das sogenannte Havarie-Studio ausgerüstet mit einem kleinen Catering und einem Keyboard, auf dem Balder in den Sendepausen klimpert.

„Das war die schönste Zeit meines Lebens beim Radio, ich hab da viel gelernt und viel Spaß gehabt“, sagt er gleich zu Beginn, als er selbst von Stefan Rupp und Christoph Azone für deren Sendung „Der schöne Morgen“ interviewt wird. Er sei immer viel unterwegs gewesen von Tirol bis an die Ostsee: „Wie waren damals der einzige Privatsender“, sagt er, in Erinnerungen schwelgend, er habe sich die Musik noch selbst aussuchen können.

An den Spaß von damals knüpft Balder nahtlos an, im Grunde ist er eine Rampensau – auch wenn man im Radio nichts sieht, manchmal im Übrigen durchaus von Vorteil, wie er meint. Sobald er auf dem Drehstuhl sitzt, wirkt er ruhig und ausgeglichen, nervös ist vielleicht nur Jürgen König, als er hört, dass Balder angeblich kein bisschen vorbereitet ist. In so einer Situation hätte er früher manchmal irgendwelche Leute angerufen und gesagt „Jetzt erzählen Sie mal“, verrät Balder. „Sie können aber auch wegschalten“, schlägt er wenig später den Radioeins-Zuhörern als Alternative vor.

Vielleicht sind die ohnehin geschockt oder meinen, sich im Sender vertan zu haben, wenn sie zwei stilistisch Verirrte den „Erna kommt“-Song im Halbplayback schmettern hören. Balder hat sich als Studio-Gast den Song-Urheber Wolfgang Lippert eingeladen, die Stimmung erreicht mit Erna vorläufig ihren Höhepunkt. Im Laufe der Sendung muss Balder noch einen geheimnisvollen Gast am Telefon erkennen (was ihm nicht gelingt) und telefoniert mit weiteren prominenten Gesprächspartnern. Wirklich beeindruckend ist aber, dass man sich, je länger man zuhört, mehr und mehr wieder an diese Stimme gewöhnen könnte – so als wäre nie etwas gewesen. Balder sitzt da und plaudert über sein neues iPhone, das zwar piept – „aber es ist albern“, sagt er, „mit meinem alten konnte ich wenigstens telefonieren“. Dann ein Gedicht von Heinz Erhardt und eine Referenz zu politischen Verhältnissen – eine wilde Mischung, angenehm, aber nicht jener gefürchtete Jingle-Totschlag.

„Machen, einfach machen“, sagt er später bei der Zigarette vor dem Radio-Haus des RBB auf die Frage, was er heute jungen Moderatoren raten würde. Dann muss er zurück ins Havarie-Studio.

Die Radio-Legenden moderieren Montag bis Freitag von zehn bis 13 Uhr bei Radioeins ab 28. Januar bis 8. Februar und am 1. März. Alle Termine unter www.radioeins.de

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