Landeshauptstadt: Rudern unter dem blauen V
Erst untergegangen, jetzt wieder aufgetaucht: Der Ruderklub Vineta will in Neu Fahrland ein Vereinsheim bauen
Stand:
Ein großes blaues V prangt auf der weißen Flagge. Eingefasst wird der Buchstabe von zwei horizontalen, ebenfalls blauen Balken. Die Fahne weht an einem Mast hoch über dem Dach eines Hauses. Zu sehen ist dies auf einem Foto von 1940. Die Aufnahme zeigt das Bootshaus des Potsdamer Ruderklubs Vineta, über dem die Vereinsfahne im Wind weht.
Das Haus gibt es heute nicht mehr. Den Krieg hatte das Gebäude zwar noch überstanden, doch das Grenzregime der DDR machte ihm schließlich den Garaus. Im Herbst 1979 riss man das einstige Vereinshaus des Ruderklubs ab. Denn das Grundstück der Wassersportler befand sich in den Zeiten des Kalten Krieges gewissermaßen an vorderster Front zwischen Ost und West: Rechts von der Glienicker Brücke, ungefähr dort, wo sich heute zwischen der vom Bildhauer Wieland Förster geschaffenen Nike 89 und dem Havelufer eine Wiese und Bäume befinden.
An gänzlich anderer Stelle in Potsdam soll nun die Tradition der Ruderer von Vineta zu neuer Blüte gelangen. Ein im vergangenen Jahr gegründeter Verein, der sich ebenfalls nach der sagenumwobenen Ostseeinsel Vineta nennt und der damit ganz bewusst an die Tradition des alten Rudervereins anknüpft, möchte im Norden Potsdams, auf der Insel Neu Fahrland, ein neues Vereinsgelände errichten. An der sogenannten Robinson-Bucht am Westufer der Insel, etwa südlich vom Fährgut, soll das neue Vereinsdomizil entstehen.
Die Potsdamer Stadtverordneten wollen sich in ihrer Sitzung am heutigen Mittwoch auf Antrag der Rathauskooperation erstmals mit dem Vorhaben befassen. Es ist damit zu rechnen, dass das Anliegen zunächst in die Fachausschüsse zur Beratung verwiesen wird. Der Verein möchte ein Bootshaus mit Bistro errichten. Erste Gespräche mit einem Investor gibt es bereits. Der Verein hat sich zur Aufgabe gemacht, den Breitensport, insbesondere das Kinder-, Schüler- und Jugendrudern zu fördern, dabei aber auch für weitere Altersgruppen Angebote zu entwickeln. Neben dem Rudern wolle man je nach Bedarf auch Gymnastikkurse anbieten, heißt es aus dem Verein. Zu den Einzelheiten ihrer Pläne halten sich die Verantwortlichen des Ruderklubs momentan noch bedeckt.
Auch wenn der jetzige Verein erst ein Jahr alt ist, so kann er doch mit dem historischen Vineta-Ruderklub an eine lange und zeitweise auch sportlich erfolgreiche Tradition anknüpfen. Bereits im Jahr 1883 wurde er von fünf Potsdamer Oberrealschülern gegründet – es soll der erste Ruderklub Potsdams gewesen sein. Warum die fünf ihren Verein nach jener Stadt benannten, die der Sage nach einst im Wasser der Ostsee versank, ist nicht überliefert. „Das konnte mir keiner erklären“, berichtet der heute 80-jährige Werner Löffler, selbst Mitglied des jungen Vereins. Er hat sich intensiv mit der Geschichte von Potsdams Vineta befasst und war ab den 1990er-Jahren auch Mitglied im damaligen Vineta-Verein.
Anfangs hatte der als Schüler-Ruderverein gegründete Klub kaum finanzielle Mittel. Mangels eigenen Sportgeräts musste man auf Boote eines Verleihs zurückgreifen. Das erste Bootshaus war nur ein Schuppen. Komfortabler wurde es mit dem Bau des massiven Vereinsheims nahe der Glienicker Brücke im Jahre 1895, das später noch erweitert wurde. 1896 zählte der Ruderklub zum ersten Mal 100 Mitglieder, wie aus einer Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Vereins aus dem Jahre 1983 hervorgeht. 1928 wurde – „trotz starker Widerstände“, wie die Festschrift vermerkt – auch eine Damen-Abteilung gegründet. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zählte der Klub etwa 300 Mitglieder. Die Ruderer nahmen in dieser Zeit an vielen sportlichen Wettkämpfen teil und heimsten dabei jede Menge Erfolge ein. Eine Zeitung schreibt Anfang der 1940er-Jahre: „Die 15- bis 17-jährigen HJ.-Ruderer von Vineta zeigen, auch wenn der Krieg sie schon nach den ersten Siegen fortruft zu größerem Kampf, solche Anhänglichkeit, dass man nach dem Kriege auf einen starken Stamm von Rennruderern bei Vineta hoffen kann ...“ 1944 gewinnt eine gemeinsam von Vineta-Mitgliedern und einem Berliner Ruderklub gebildete Renngemeinschaft in Wien die Deutsche Meisterschaft im Doppelvierer mit Steuermann.
Nach dem Krieg wurde das Klubhaus beschlagnahmt. In Westdeutschland lebte der Klub als Traditionsverein fort, denn viele Mitglieder hatten dem Osten den Rücken gekehrt. Nach dem Fall der Mauer bemühte sich der Verein erfolglos um die Rückgabe des Grundstücks an der Glienicker Brücke. Dennoch kehrte er mit seinem Sitz nach Potsdam zurück und erhielt bei den Ruderern im Seekrug eine gewisse Heimstatt. Doch der Verein war überaltert und löste sich 2013 auf. „Als wir uns aufgelöst haben, da war das jüngste Mitglied 74 Jahre“, sagt Chronist Löffler. Nun also soll Vineta abermals erstrahlen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: