Landeshauptstadt: Rüge für die Wirtschaftsförderung
Die Stadt hat den Zuschlag für das Tourismusmarketing laut Vergabekammer rechtswidrig erteilt
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Potsdams Gäste und Besucher könnten bei den beiden Tourist-Informationsbüros bald vor verschlossenen Türen stehen. Denn die Landeshauptstadt steht womöglich bald ohne Tourismusmarketing da – wegen eines laut brandenburgischer Vergabekammer rechtswidrig erfolgten Auftragszuschlags. Das berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf einen 17-seitigen Beschluss der Kammer – diese überwacht, ob öffentliche Aufträge rechtmäßig vergeben werden. Die Stadtverwaltung, insbesondere der zuständige Bereich der Wirtschaftsförderung, muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen.
Ein Rückblick: Das Thema hatte bereits im vergangenen November für viel Kritik seitens der Stadtpolitik gesorgt. Damals hatte die städtische Wirtschaftsförderung den Stadtverordneten überraschend mitgeteilt, dass die landeseigene Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB) auch weiterhin das Tourismusmarketing übernehmen solle – denn eine europaweite Ausschreibung für den Auftrag sei bisher ergebnislos verlaufen. Die Begründung: Die Aufgabe habe sich als „sehr komplex und zeitintensiv erwiesen“.
Daher müsse man ein Übergangsvertrag für 2015 abschließen, so die Wirtschaftsförderung. Dieser Vertrag enthielt ein deutliche Steigerung der Zuschüsse um mehr als 50 Prozent: Bisher bekam die TMB dafür 600 000 Euro pro Jahr, nun sind es 944 000 Euro. Schließlich stimmten die Stadtverordneten zähneknirschend zu – schließlich drohte die Verwaltung mit dem Szenario, dass die Touristenstadt Potsdam in diesem Jahr womöglich keine Tourismuswerbung machen könnte, wozu auch Zimmervermittlung und Onlinebuchungen gehören.
Dieses Vorgehen hat einen der damaligen Mitbewerber offensichtlich stark verärgert: Die Hamburger GLC Glücksburg Consulting, die sich laut dem Medienbericht bereits im Sommer um den Potsdamer Auftrag beworben hatte, wandte sich an die Vergabekammer beim Landeswirtschaftsministerium. Diese befand den Vertrag für unwirksam. „Dieser Dienstleistungsvertrag hätte in einem transparenten, wettbewerblichen Verfahren ausgeschrieben und vergeben werden müssen“, heißt es in dem Beschluss der Kammer. Potsdam kann Revision einlegen. Doch sollte das Oberlandesgericht den Beschluss bestätigen, gäbe es keinen rechtmäßigen Betreiber des Tourismusgeschäfts mehr. Bei der GLC Glücksburg Consulting war am Mittwochabend niemand mehr zu erreichen. Die deutschlandweit aktive und mit zahlreichen Referenzen ausgestattete GLC vermarktet in Brandenburg bereits die Spreewald-Region.
Die TMB reagierte auf den Beschluss der Kammer mit Zurückhaltung. Geschäftsführer Dieter Hütte teilte den PNN mit: „Zum Verfahren selber äußern wir uns nicht. Wir sind nicht der Beklagte. Wir haben einen rechtsgültigen Vertrag mit der Landeshauptstadt. Sollte sich daran etwas ändern, dann ist die Landeshauptstadt gefordert, Lösungsvorschläge zu erarbeiten.“ Aus dem Rathaus hieß es am Mittwochabend lediglich, man prüfe den Beschluss. Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs war nicht zu erreichen.
Stadtpolitiker waren überrascht von der Nachricht. Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg von der Linken sagte den PNN, der gesamte Vorgang müsse aufgeklärt werden. SPD-Chef Mike Schubert sagte, nun sei vor allem die Wirtschaftsförderung gefragt, das Verfahren schnell zu heilen – auch im Sinne der rund 30 TMB-Mitarbeiter. Schon damals habe er angesichts des Vorgehens der Verwaltung „erhebliche Bauchschmerzen“ gehabt.
In der Tat hatte der Hauptausschuss sogar zunächst die Pläne abgelehnt, bevor sie in der Stadtverordnetenversammlung abgesegnet wurden – unter der von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vorgeschlagenen Auflage, dass die von Touristen profitierenden Branchen ab 2016 einen noch nicht näher definierten Beitrag zahlen sollen, um sich an den gestiegenen Kosten für die TMB zu beteiligen. Die höheren Zuschüsse für die TMB waren unter anderem mit gestiegenem Personalaufwand und sinkenden Vermittlungsprovisionen begründet.
Eigentlich hatte die Stadt bereits Ende 2013 angekündigt, den Vertrag mit der TMB-Tochter Potsdam Tourismusservice nach zehn Jahren Laufzeit zu kündigen. Einen neuen Vergabe-Anlauf hat sich die Wirtschaftsförderung im Rathaus nun für dieses Jahr vorgenommen.
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