Sport: „Rundum zufrieden sind wir nicht“
Landessportbund-Präsident Hans-Dietrich Fiebig zieht Bilanz, nennt neue Herausforderungen und erzählt, warum der Kindergarten in Golm in Trägerschaft übernommen wurde
Stand:
Brandenburgs Sportler gewannen in diesem Jahr bei internationalen Titelkämpfen allein zwölf Goldmedaillen. Wie ordnen Sie diese Bilanz in der deutschen Sportlandschaft ein, Herr Fiebig?
Gemessen an der Gesamtbevölkerung eines Landes – beispielsweise 2,5 Millionen in Brandenburg gegenüber 16 Millionen in Nordrhein-Westfalen – nehmen wir eine führende Position im deutschen Leistungssport ein. Rechnet man dann noch Spitzenvereine wie den FC Energie Cottbus, Potsdams Turbine-Fußballerinnen und die Erstligisten beispielsweise im Ringen und Judo dazu, ist das ein sehr erfreulicher Stand. Wir haben keine Spitzenposition und sind auch nicht rundum zufrieden, aber wir sind an der Tür angekommen, die nun für Spitzenleistungen bei den Olympischen Spielen 2008 geöffnet werden muss.
Warum sind Sie nicht rundum zufrieden?
Weil wir, wenn es um die absolute Weltklasse geht, in bestimmten Sportarten hinterherhinken, wo wir schon besser waren. Sei es in der Leichtathletik, im Schwimmen oder auch im Gerätturnen.
Stimmen die Bedingungen für den Leistungssport?
Ja. Die Leistungssportkonferenz in Cottbus zeigte, dass Brandenburg mit die beste Infrastruktur für Leistungssport in Deutschland hat. Was den Sportlern in Potsdam, Cottbus und Frankfurt geboten wird, ist kaum zu übertreffen. In Cottbus haben wir beraten, wie wir angesichts dieser Rahmenbedingungen in möglichst vielen Sportarten die Weltspitze erobern oder behaupten können. Wichtig war dabei auch die Erkenntnis, dass wir unsere über 170 Landesstützpunkte stärken müssen, um die Leistungen zu erreichen, die für die Aufnahme der Kinder in die Eliteschulen des Sports erforderlich sind.
Wie sieht es im Breitensport aus?
Auch hier setzen wir bundesweit mit die Maßstäbe. Wir haben den Kindergarten in Golm in Trägerschaft übernommen, wo unser Konzept Sport und Bewegung im Vorschulalter verwirklicht werden soll. Weitere Kindertagesstätten sollen folgen. Unser zusammen mit Berlin veranstaltetes Symposium zum Thema Gesund älter werden zeigte die Fülle unserer sportlichen Angebote für die ältere Generation. Und auf unserer Sport-und-Umwelt- Konferenz wurde die Verantwortung deutlich, mit der unsere Vereine in den Sportarten, die auf die Natur angewiesen sind, zugange sind – von den Wassersportarten über das Reiten bis zum Wandern.
Sind Sie mit der Mitgliederentwicklung im Land zufrieden?
Ja und nein. Wir konnten in den letzten Jahren trotz einer negativen demografischen Entwicklung im Land erfreulicherweise immer wieder Steigerungen unserer Mitgliederzahlen registrieren. Allein in den letzten zwölf Monaten waren es 5249 neue Mitglieder. Damit gehören wir bundesweit betrachtet zu den Ländern mit dem größten Zuwachs. Betrachten wir den Organisationsgrad, also den Anteil der Bevölkerung, der in Sportvereinen organisiert ist, nehmen wir aber mit nur 11,2 Prozent einen Platz am Ende Deutschlands ein. Das ist eine bittere Wahrheit. In den alten Bundesländern beträgt dieser Organisationsgrad etwa 30 Prozent, in Sachsen und Thüringen sind es etwa 15, 16 Prozent.
Wie wollen Sie hier vorankommen?
Während in den alten Bundesländern die Mitgliedschaft im Sportverein zum guten Ton gehört und diese Tradition sehr gepflegt wird, auch wenn man sich nicht aktiv beteiligt, sind unsere Mitglieder fast durchweg aktiv – sei es als Sportler, als Übungsleiter oder Kampfrichter. Weiter kommen wir nur, wenn unsere Vereine auf weitere Bevölkerungskreise zu gehen und sich diesen auch öffnen.
Wie beurteilen Sie die finanzielle Lage der Sportvereine im Land?
Sehr differenziert, die hängt natürlich viel von den örtlichen Rahmenbedingungen ab. Es gibt Vereine, die es schwer haben, und es gibt Vereine, die durch ihre Kommune sehr aktiv unterstützt werden. Wir wissen, dass der Sport nicht der Nabel der Welt ist und wir deshalb auch nicht überall volle Füllhörner erwarten können. Wir selbst können finanziell nur punktuell helfen, versuchen aber auch, durch Kontakte und Gespräche unterstützend einzugreifen.
Ist der Landessportbund selbst denn finanziell solide gebettet?
Seit der Veränderung des Sportfördergesetzes vor einigen Jahren erhält unsere Sportorganisation statt staatlicher Zuschüsse aus dem Landeshaushalt jährlich 36 Prozent der Konzessionsabgabe der Lotto Brandenburg GmbH für die Arbeit unserer Vereine und Verbände. Dadurch haben wir eine sehr stabile Haushaltssituation. Wir sind aber auch bereit, mit eigenen Mitteln zur Finanzierung unseres Sports beizutragen, und haben deshalb auf der Mitgliederversammlung des LSB Ende November mehrheitlich unseren Mitgliederbeitrag von 5,10 auf sechs Euro erhöht.
Wie stellt sich Ihnen die Sportstätten-Situation im Land dar?
Die hat sich von Jahr zu Jahr verbessert. Wir haben natürlich auch Baustellen, wo wir nicht zufrieden sind. Aber in die Entwicklung der Sportstätten und Infrastruktur wurde in den letzten drei, vier Jahren viel investiert, so dass zahlreiche attraktive Sportanlagen entstanden.
Wird es auch 2007 einen Goldenen Plan Ost für das Land Brandenburg geben?
Ich gehe davon aus. Der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Peter Danckert, hat dies mir gegenüber bereits signalisiert. Da mittlerweile auch die Sportstätten in den alten Bundesländern in die Jahre gekommen sind, kann es übrigens durchaus auch sein, dass der Goldene Plan für ganz Deutschland aufgelegt wird.
Was werden im nächsten Jahr die größten Herausforderungen für den Landessportbund sein?
Im Leistungssport haben wir rund 1500 Talente, die auf den Eliteschulen des Sports in Potsdam, Frankfurt und Cottbus lernen und unsere Investition in die Zukunft sind. Wichtig wird sein, dass alle Träger – Kommunen, Land, Bund – noch besser gemeinsam optimale Bedingungen für diese Kinder und Jugendlichen schaffen, am besten unter dem Dach des jeweiligen Olympiastützpunktes. Die Sportjugend des LSB steht 2007 vor weiteren anspruchsvollen Aufgaben. Sie hat mittlerweile wohl auch den Zweiflern gezeigt, dass die soziale Arbeit, die durch den Sport geleistet wird, in der Gesellschaft mit am effektivsten ist. Wir haben begonnen, uns in die Wertediskussion im Land einzubringen, müssen die Aus- und Weiterbildung unserer Übungsleiter und Kampfrichter weiter qualifizieren und werden auch 2007 eine Breitensportkonferenz durchführen.
Weihnachten steht vor der Tür. Was wünschen Sie sich denn am meisten für Brandenburgs Sport im kommenden Jahr?
Dass wir in der Profilierung des Nachwuchs-Leistungssports und in der Mitgliederentwicklung deutlich vorankommen.
Das Interview führte Michael Meyer.
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