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Betretene Mienen: Educon-Schüler bei der gestrigen Infoveranstaltung des Bildungsministeriums in Potsdam.

© Andreas Klaer

Von Henri Kramer: Rupprecht entsetzt über Educon

Fördermittel-Affäre: Neue Vorwürfe gegen Bildungsdienstleister / Ministerium will Schülern helfen

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David Piehl ist wütend. 3000 Euro hat der junge Mann an die ins Zwielicht geratene Educon-Gruppe im Voraus gezahlt, um sich zum Assistent für Tourismus ausbilden zu lassen. Doch seit Dienstag darf seine Schule in der Berliner Straße 135 ihm keinen Unterricht mehr geben. Das Landesbildungsministerium hat der Schule die Zulassung entzogen. Einen neuen Studienplatz habe er schon, sagt David Piehl: „Doch ich möchte auch mein Geld zurück.“ Der Auszubildende war einer von Dutzenden Schülern, die gestern bei einer Informationsveranstaltung des Ministeriums im Oberstufenzentrum „Johanna Just“ Fragen zu ihrer Zukunft und zur Affäre um Educon stellen konnten.

Der Aufklärungsbedarf ist enorm. Wie berichtet, hat das Bildungsministerium diese Woche drei Berufsfachschulen des bundesweit aktiven Ausbildungsdienstleisters Educon geschlossen – ein bisher einmaliger Vorgang im Land Brandenburg. Der private Schulträger soll zu hohe Schülerzahlen angegeben haben, um illegal Zuschüsse zu kassieren. Es geht um Millionenbeträge.

Die drei geschlossenen Schulen mit Standorten in Potsdam und Cottbus waren staatlich anerkannte Ersatzschulen. Damit haben sie in diesem Jahr pro Schüler rund 4500 Euro Zuschüsse erhalten. Ursprünglich plante das Ministerium, an Educon-Schulen in diesem Schuljahr vier Millionen Euro zu zahlen – für 871 Schüler. Doch die Auszahlung ist gestoppt.

Vor einem Monat bereits hatte die Potsdamer Staatsanwaltschaft Büros der Educon durchsucht. Ermittelt wird gegen vier Beschuldigte, die das weitverzweigte Unternehmen geführt haben oder noch leiten. Es bestehe der Verdacht auf Subventionsbetrug. Neben dem Bildungsministerium seien seit 2005 möglicherweise weitere Landeseinrichtungen sowie die Arbeitsagentur betrogen worden, so die Ermittler. Wegen der vielen beschlagnahmten Akten würden sich die Nachforschungen langwierig gestalten, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Beim Ministerium ist man sich inzwischen sicher, dass Educon betrogen hat. „Die Zuverlässigkeit des Trägers ist nicht gegeben“, sagte Marie-Luise Lindemann, die im Ministerium für den Bereich Berufsbildung verantwortlich ist, gestern vor sichtlich verunsicherten Educon-Schülern. Offensichtlich sei Fördergeld „unrechtmäßig“ erschlichen worden. „Deswegen waren wir zu den Schulschließungen gezwungen.“ Die betroffenen Schüler müssten sich neue Schulen suchen. Sonst würde im Juli ihr Anspruch auf BAföG enden. „Wir helfen, wenn wir können“, sagte Lindemann. Für die Auflösung ihrer kostenpflichtigen Schulverträge mit Educon empfahl die Ministerialin den Schülern, sich einen „Rechtsbeistand“ zu suchen. Zudem beschuldigte sie Educon, Schüler auch ohne die nötigen Zugangsvoraussetzungen aufgenommen zu haben: „Diese Schüler werden ihre Ausbildung nicht fortsetzen können.“ Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) sagte den PNN, er sei entsetzt über das „Ausmaß des Betruges“. Er kündigte schärfere Kontrollen privater Bildungsdienstleister an.

Bei der Educon-Gruppe, die noch weitere Einrichtungen betreibt, werden alle Vorwürfe bestritten. Ihr Berliner Anwalt Christoph Partsch will gegen die Schulschließungen beim Verwaltungsgericht prozessieren und verlangt Schadensersatz: „Ich bin sehr zuversichtlich“. Das Ministerium handele „unverhältnismäßig“, sagte der Advokat gestern. Der Grund aus Partschs Sicht: Das Ministerium müsse seinen Haushalt konsolidieren. So gäbe es nun eine „perfekt inszenierte Kampagne“. Für dieses Jahr hat Educon 871 Schüler für die drei geschlossenen Schulen gemeldet, nur 313 Eleven können laut Ministerium bisher nachgewiesen werden. Auch Schüler sagten gestern, die von Educon gemeldeten Zahlen könnten sie sich in dieser Höhe nicht vorstellen. Partsch sagte dazu, Schüler könnten dies nicht wissen. Bei der Infoveranstaltung gestern zählte das Ministerium in Potsdam 54 Schüler von 697 gemeldeten Schülern.

Educon bekommt schon lange Fördergelder. Zwischen den Schuljahren 2006/ 2007 und 2008/2009 hat das Ministerium an Educon-Schulen insgesamt 13,44 Millionen Euro für 3099 gemeldete Schüler überwiesen. Für diese Jahre habe es noch keine „Tiefenprüfung“ gegeben, sagte Ministeriumssprecher Stephan Breiding den PNN. Bislang gehe es nur um für dieses Jahr zu viel gezahlte Zuschüsse in noch unbekannter Höhe: „Wir werden dazu eine Rückforderung stellen.“ Zu den Chancen, das Geld wieder zu erhalten, wollte sich Breiding nicht äußern.

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