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Carl Fisher, Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft.

© privat

Von Guido Berg: Schimanskis Name

Sie denken verschieden und lieben sich doch: Andrang beim ersten deutsch-polnischen Stammtisch

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Das Café Rothenburg ist gut besucht. Dass so viele Interessierte zum ersten deutsch-polnischen Stammtisch kommen würden, damit hat Carl Fisher nicht gerechnet. Der Vorsitzende der Deutsch- polnischen Gesellschaft Brandenburg (DPG) bestellt ein Bier und ist hochzufrieden. Dabei ist es nicht einfach, das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen. Dass liegt aktuell nicht nur daran, dass sich die Polen an der Person der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, reiben. „Polen und Deutsche denken umgekehrt“, sagt Fisher. Etwa beim Notruf: 110 in Deutschland, 999 in Polen. Oder Weihnachten: Die Deutschen feiern den Advent, also in der Zeit bis zu den Feiertagen, die Polen ab Heilig Abend und den ganzen Januar hindurch.

Doch das, was Polen und Deutsche unterscheidet, scheint an diesem Abend kein Problem zu sein. Die Leute lachen, diskutieren, reden mal auf Deutsch, mal auf Polnisch miteinander. Genau das ist das Ziel des Stammtisches, miteinander reden, sich kennenlernen. Da ist der Rentner aus Werder, der polnische Freunde erwartet und lernen will, wie er sie in ihrer Muttersprache begrüßen kann. Da ist die gebürtige Polin mit ihrer Tochter, die seit 30 Jahren in Potsdam lebt und es bedauert, ihr Kind nicht zweisprachig erzogen zu haben. Die Frau einer in Werder lebenden polnisch-niederländischen Familie erzählt, dass ihre Tochter konsequent dreisprachig aufgewachsen ist. Zum Stammtisch gekommen ist auch der Polnisch-Lehrer, der gegen „das Vorurteil ankämpft, dass polnisch eine Sprache für Selbstmörder ist“. Eine Frau ist dabei, deren polnischer Mann vor vier Jahren gestorben ist, die aber noch engen Kontakt zu ihren Schwiegereltern hat. Sie ist eigens nach Potsdam gezogen, um von hier aus gut den Eurocity-Zug Berlin-Warschau zu erreichen.

473 Polen leben derzeit offiziell in Potsdam, berichtet der DPG-Vorsitzende Fisher. Doch insgesamt werden es wohl etwa 1000 sein. Viele Polen haben bereits die deutsche Staatsangehörigkeit und sind daher ebenso wenig erfasst wie die Studenten, die keine Meldepflicht haben. Die Polen stellen, schätzt Fisher, nach Russen und Ukrainern die drittgrößte Ausländergruppe in Potsdam. Nur, „Polen integrieren sich schnell, die merkt man nach einer Weile gar nicht mehr“.

Fisher, Lehrer von Beruf, hat sechs Jahre lang in Neuzelle ein deutsch-polnisches Gymnasium aufgebaut. Bei allen Differenzen, sagt er, lieben sich die Deutschen und die Polen. 600 Jahre lang hätten Preußen und Polen gute Beziehungen und nahezu die gleiche Fahne gehabt, rot-weiß, nur umgedreht. Mit keinem anderen Land hätten die Deutschen mehr Kontakte gehabt, als mit Polen. Deutschen sei kaum bewusst, dass der Name „Schimanski“ ein polnischer Name ist. Auch wenn die Okkupation Polens durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg verheerend war, es gebe eine Chance zur Aussöhnung. Fisher: „Die Polen sind uns nicht so böse, wie sie es hätten sein können.“ Bei der Fußball-WM, erzählt er, haben seine polnischen Schüler, nachdem die Polen ausgeschieden waren, für Deutschland die Daumen gedrückt.Guido Berg

Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Brandenburg (DPG), Charlottenstraße 31, lädt ab sofort jeden ersten Dienstag im Monat ab 19 Uhr zum deutsch-polnischen Stammtisch ins Café Rothenburg, Gutenbergstraße 33, ein.

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