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Landeshauptstadt: Schlimmer Suchtdruck

Verein Chill Out fordert neue und breitere Ausrichtung der Potsdamer Drogenpolitik

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Einen funktionsfähigen Drogennotdienst für die Stadt Potsdam sowie ein zentrales System, um Abhängige statistisch zu erfassen, hat gestern der Leiter der Suchtpräventions-Fachstelle der Stadt gefordert. „Es gibt in Potsdam zwar keine offene Drogenszene wie in Berlin oder Hamburg, aber trotzdem Konsumenten und Abhängige, die Hilfe benötigen“, sagte Frank Prinz-Schubert anlässlich eines Workshops seines Vereins Chill Out e.V. zum bundesweit begangenen nationalen Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige. Zu diesem Anlass wurde gestern auch ein symbolischer Gedenkstein samt Blumen auf den Bassinplatz niedergelegt.

Die Versorgung der von der „Krankheit“ Drogensucht betroffenen Potsdamer sei nicht zufriedenstellend, kritisierte Prinz-Schubert. So gäbe es noch nicht einmal einen Überblick, wie viele Suchtkranke überhaupt in der Stadt leben würden. „Ich gehe von einer dreistelligen Zahl aus.“ Für dringende Fälle müsse eine Stelle geschaffen werden, an die sich Betroffene rund um die Uhr wenden könnten. Vorbild könnte der Berliner Drogennotdienst mit Soforthilfe, Krisenberatung sowie Aufenthalts- und Übernachtungsmöglichkeiten sein. Nötig sei solch eine Stelle neben dem schon bestehenden Beratungsangebot der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für Drogenkranke in der Berliner Straße 61a. „Dort ist am Wochenende geschlossen – aber Drogenabhängige haben schnelle Hilfe nötig, weil der Druck der Sucht schlimm ist“, so Prinz-Schubert. Generell sei sein Eindruck, dass die AWO-Stelle zu wenig Mitarbeiter habe. „Wichtig wäre, dass jemand zu den Abhängigen geht, statt zu warten, dass sie von allein zur Beratung kommen.“

Von den Ärzten der Stadt forderte der Suchtexperte mehr Sensibilität und Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. So gäbe es in Potsdam mit dem Babelsberger Wolfgang Loesch nur einen Arzt, der Drogen-Ersatzstoffe wie Metadon vergeben könnte. „Vor drei Jahren wollten wir mit einem Fachkreis mehr Ärzte motivieren, die Betreuung von Süchtigen in ihrer Praxis anzubieten – es gab aber nur eine Anmeldung“, berichtete Prinz-Schubert. Vermutlich hätten Ärzte Vorbehalte, dass „Junkies“ in ihren Praxen säßen. Zudem würde die Betreuung solcher Patienten kaum Geld, aber viel Aufwand bedeuten. In diesem Zusammenhang lobte Prinz-Schubert jedoch die Psychiatrie-Außenstelle des städtischen Klinikums: Dort hätte bis jetzt nur ein Bett für die Entgiftung Drogenabhängiger zur Verfügung gestanden – doch dieses Angebot solle nun erweitert werden.

Längerfristig könne ein zentraler Sachbeauftragter der Stadt zur Drogenproblematik eingesetzt werde. Ebenso vorstellbar seien Präventionsbeauftragte an jeder Potsdamer Schule. Auch über Konsumräume müsse nachgedacht werden – und über die Teilnahme an einem Projekt, bei dem Heroinabhängige auf Rezept mit Heroin behandelt werden. Dies sei bundesweit erfolgreich erprobt worden, sagte Prinz-Schubert. Drogenabhängige müssten als Kranke betrachtet werden – und nicht als Kriminelle. Henri Kramer

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