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Welterbe in Potsdam: Schlösserchef Dorgerloh rechnet ab

In Potsdam sei man mit dem Welterbe sehr zufrieden, weil man dafür nichts machen muss. Das ist der Eindruck von Schlösserchef Hartmut Dorgerloh. Er wirft der Stadt, der Politik und Bürgern nun mangelndes Bewusstsein für das Welterbe vor.

Von Peer Straube

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Potsdam - Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es im Binnenklima zwischen Stadt und Schlösserstiftung einen heftigen Temperatursturz gegeben hat, so hat ihn Hartmut Dorgerloh nun geliefert. Der Generaldirektor der Stiftung nutzte am Dienstagabend die Gelegenheit zu einer Generalabrechnung mit Rathaus und Stadtpolitik. Anlass war eine von der Stadt im Bildungsforum ausgerichtete Podiumsdiskussion zu den Potsdamer Welterbestätten, die vor 25 Jahren in die Unesco-Liste aufgenommen wurden. Neben Dorgerloh nahmen an der Debatte Andreas Kalesse, Chef des städtischen Denkmalamtes, und Ramona Dornbusch vom Berliner Landesdenkmalamt teil.

Er habe den Eindruck, erklärte Dorgerloh, man sei in Potsdam sehr zufrieden mit dem Welterbe, „weil man dafür nicht viel tun muss“. Dabei stehe es trotz großer Erfolge bei der Sanierung keineswegs zum Besten mit dem Zustand der Welterbeschlösser. Noch immer gebe es einen Instandhaltungsbedarf von einer Milliarde Euro. Derzeit kämpfe die Stiftung um eine Neuauflage des Masterplans zur Rettung bedrohter Preußenschlösser. Wie berichtet wird mit dem Bund, Berlin und Brandenburg diesmal über 300 Millionen Euro verhandelt.

Dorgerloh: Stadt Potsdam geht nicht sensibel genug mit Welterbe um

Doch Dorgerloh vermisst in diesen Gesprächen den Rückhalt von der Stadt. „Haben sich die Stadtverordneten schon mal mit dem Thema beschäftigt?“, fragte er provokant. „Wo in Potsdam finde ich die politische Unterstützung, damit wir das Geld auch kriegen?“ Der Stadt warf er vor, nicht sensibel genug mit dem Kulturerbe umzugehen: Statt historisch unbebaute Flächen im direkten Welterbe-Umfeld zu schützen, werde ein Bauvorhaben wie am Humboldtring genehmigt, kritisierte er. Wie berichtet will ein Berliner Investor zwischen Nutheschnellstraße, Havel und dem Wohngebiet Zentrum- Ost mehrere bis zu fünfgeschossige Gebäude errichten, in denen rund 300 Wohnungen entstehen sollen. Stiftung und Landesdenkmalamt hatten ihr Veto eingelegt, weil sie historische Sichtbeziehungen zwischen dem Park Babelsberg und der Potsdamer Innenstadt beeinträchtigt sehen, die Stadtverordneten hatten der Aufstellung eines Bebauungsplans jedoch zugestimmt – nicht zuletzt, weil der Investor einen Teil der Wohnungen zu Sozialwohnungen mit moderaten Mieten machen will. „So etwas halte ich nicht für akzeptabel“, kritisierte Dorgerloh. Keine Mietpreisbindung bestehe ewig, wohingegen der Schaden am Welterbe nicht wiedergutzumachen sei. Besucher von außerhalb nähmen inzwischen vielfach an, das Ziel in Potsdam sei „maximale Verdichtung“. Annäherung an den historischen Stadtgrundriss heiße aber auch, „Maß zu halten“. Davon sei derzeit nicht viel erkennbar, erklärte der Stiftungschef.

Auch die Potsdamer Bürger bekamen ihr Fett weg: Auch im Bewusstsein der Einwohner sei der Wert des Welterbes noch zu wenig verankert, sagte er. Wer an einem heißen Sommertag über die Schwanenbrücke zum Heiligen See im Neuen Garten gehe, der könne kaum den Eindruck gewinnen, er befinde sich in einer Unesco-Stätte, sagte Dorgerloh. Wie berichtet hatte die geduldete Badestelle in diesem Jahr pro Tag bis zu 4000 Besucher gezählt – die Folge waren Müllberge und Vandalismus bislang ungekannten Ausmaßes. Diese Zustände seien unhaltbar, drohten mittlerweile aber auch im Park Babelsberg. Dort unterhalte die Stadt zwar ein Strandbad, die Badegäste tummelten sich aber lieber kostenlos auf den Uferabschnitten bis zur Höhe Glienicker Brücke, sagte Dorgerloh und kündigte Konsequenzen an: „Wir werden uns da etwas überlegen müssen.“

Zu hoch: Kritik am ILB-Neubau

Für Verwirrung sorgte eine Äußerung von Ramona Dornbusch, die noch bis vor Kurzem im Potsdamer Denkmalamt gearbeitet hatte und die in der Debatte den Neubau der Landesinvestitionsbank ILB neben dem Hauptbahnhof ins Visier nahm. Die ILB habe ihren Neubau einen halben Meter höher gebaut als laut B-Plan erlaubt und sich von dessen Vorgaben befreien lassen. Durch den Neubau werde die sogenannte Lange Sicht vom Babelsberger Park bis nach Geltow noch weiter beeinträchtigt, sagte sie. Grünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke, die im Publikum saß, übte daraufhin scharfe Kritik: Sie höre von der B-Plan-Abweichung zum ersten Mal. Es sei Aufgabe der Verwaltung, die Stadtverordneten auf solche Verfahren hinzuweisen. Stadt und ILB wiesen die Vorwürfe am Dienstag auf PNN-Anfrage zurück: Zwar habe es eine Umplanung gegeben, diese sei jedoch unter Beteiligung beider Denkmalbehörden und der Schlösserstiftung erfolgt. Niemand habe Einwände gehabt, denn bei einer Höhensimulation sei festgestellt worden, dass die Gebäude der Bahnhofspassagen so hoch sind, dass eine Erhöhung eines der ILB-Baukörper die bereits gestörte Sichtbeziehung nicht weiter beeinträchtige. Im Übrigen sei Hüneke in einer Bauausschusssitzung im Februar dieses Jahres auf Nachfrage explizit auf die Umplanungen hingewiesen worden.

Stadtkonservator Andreas Kalesse warb dafür, die Stadt nicht nur auf ihre Welterbestätten zu reduzieren, sondern als Gesamtkunstwerk mit einem kostbaren Herzen zu betrachten. Um das Bewusstsein für die Bedeutung dieser Denkmäler zu erhalten und zu schärfen, müsse man jede Generation neu dafür sensibilisieren, so Kalesse. Dies sei oft ein sehr mühseliger Prozess.

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