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Klasse! Musik will Kinder so früh wie möglich an Instrumente heranführen und das Spiel im Ensemble fördern.

© Kitty Kleist-Heinrich

Von Antje Horn-Conrad: Schlummernde Talente entdecken

„Klasse! Musik“ – Das Land Brandenburg startet ein neues Musikprogramm an Grundschulen

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Venezuela hat es vorgemacht. Tausenden Kindern hat das lateinamerikanische Land kostenlos ein Instrument in die Hand gegeben und das Musizieren beigebracht. „El Sistema“ ist ein weltweit angesehenes Projekt sozialer Förderung durch Musik, das Talente wie Stardirigent Gustavo Dudamel hervorbrachte.

Mit der Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ existieren in Deutschland inzwischen ähnliche Ansätze. Und auch im Land Brandenburg startet jetzt ein musikpädagogisches Projekt, von dem vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien profitieren sollen.

„Klasse! Musik“ heißt das im Herbst beginnende Schulprogramm, das Bildungsminister Holger Rupprecht und der Vorsitzende des Landesmusikschulverbandes (LVdM), Hinrich Enderlein, gestern der Öffentlichkeit vorstellten.

Landesweit können zunächst dreißig Grundschulen spezielle Musikklassen einrichten, in denen die Schüler Instrumente spielen lernen, um miteinander zu musizieren. Drei Stunden pro Woche sollen die Klassen im Tandem von je einem Musikpädagogen und einem Musikschullehrer unterrichtet werden. Andere Fächer fallen dadurch nicht weg. Vielmehr kommt zum regulären Unterricht eine Musikstunde in der sogenannten Fachneigungsdifferenzierung hinzu. Eine weitere Stunde am Nachmittag in einer Arbeitsgemeinschaft dient dem Ensemblespiel.

Während die jüngeren Schüler mit der eigenen Stimme, mit Schlagwerk und Stabspielinstrumenten experimentieren, bilden sich ab der vierten Klasse kleine Streicher-, Bläser-, Gitarren- und Percussiongruppen. Ausgestattet werden sie mit Instrumentensätzen, die der Musikschulverband für rund 500 000 Euro anschaffen wird. Die Mittel stammen aus dem DDR-Parteivermögen, aus dem die Landesregierung im März insgesamt zwei Millionen Euro für die Musikschulen zur Verfügung stellte (PNN berichteten). Dank dieser Bildungsinvestition, die auf einen Vorschlag von Finanzminister Rainer Speer zurückgeht, entstehen den Eltern von Schülern der künftigen Musikklassen keine zusätzlichen Kosten. So werden auch Kinder erreicht, deren Familien ein eigenes Instrument und den entsprechenden Unterricht bislang nicht bezahlen konnten.

Für Holger Rupprecht ist dies ein Stück gewonnener Bildungsgerechtigkeit. Zum anderen erhofft er sich vom Projekt, dass die musisch-ästhetische Bildung wieder etwas stärker in den Fokus rückt. „In der PISA-Diskussion geht es stets um die Kernfächer Deutsch, Mathematik und die Naturwissenschaften“, sagt der Minister und beklagt die geringe Beachtung der musischen Fächer. Aus der eigenen Erfahrung als Schulleiter wisse er, wie wichtig die kulturelle Bildung für die Kreativität und soziale Kompetenz der Heranwachsenden sei. Chöre, Schülerbands und Ensembles würden zudem das Schulklima und die Außendarstellung verbessern.

Thomas Falk, Geschäftsführer des LVdM, freut sich, dass „Klasse! Musik“ mit einer Weiterbildung der Lehrkräfte verbunden ist, denn „nicht jeder Musiklehrer ist qualifiziert, ein Ensemble verschiedener Instrumentalisten zu leiten.“ Außerdem hofft er, in den neuen Musikklassen Talente zu entdecken, die bisher nicht den Weg in die Musikschulen fanden, „weil die Eltern vielleicht andere Sorgen hatten und die besondere Begabung ihres Kindes nicht erkennen und fördern konnten.“

Derartige Erfolgsgeschichten sind schon geschrieben. Der junge Venezolaner Edicson Ruiz hätte sicher niemals zu einem Streichinstrument gegriffen, wäre er nicht ins „Sistema“ integriert gewesen. Heute ist er Kontrabassist – bei den Berliner Philharmonikern.

Interessierte Grundschulen können sich beim LVdM bewerben. Ein Infotag findet am 14. Mai im Landesinstitut für Schule und Medien statt. Weiteres im Internet unter www.lvdm.de/klassemusik

Antje Horn-Conrad

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