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Hoch oben ist die Luft am besten. Schornsteinfeger Volker Hey, dessen Revier Bornstedt, Bornim, Grube, Nedlitz sowie einen Teil von Eiche umfasst, bei der seltenen Arbeit auf dem Dach.

©  Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Schmutzig war früher

Schornsteinfeger sind heute mehr in Kellern statt auf Dächern unterwegs und das Kehrmonopol ist auch nicht mehr das alte. Die PNN begleiteten Volker Hey in seinem Revier

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Wo Öfen und Kamine rauchen und qualmen, werden sie nach wie vor gebraucht: die Schornsteinfeger. Doch wer glaubt, dass die Männer in Schwarz die meiste Zeit auf Dächern herumkraxeln, irrt: In dem Haus, in das Volker Hey heute bestellt wurde, führt sein erster Weg nicht nach oben, sondern in den Keller. „Ich muss die jährliche Abgaswegüberprüfung und die zweijährige Emissionsschutzmessung am Gasheizkessel durchführen“, sagt der selbstständige Schornsteinfegermeister und bringt sein elektronisches Messgerät in Bereitschaft.

Man merkt schnell: Das klassische Bild vom verrußten Handwerker mit Zylinder, Bürste und langer Leiter ist etwas überholt. „Früher waren wir schwärzer“, bestätigt Hey. Der 47-jährige Potsdamer arbeitet seit 1983 als Schlotkehrer – im wahrsten Sinne des Wortes, denn vor der Wende war Hey etwa 44 von 48 Arbeitswochen mit Kehrarbeiten beschäftigt.

Dann kam die große Umstellung auf Öl- und Gasheizungen in den 90er-Jahren. „Heute machen Kehrarbeiten vielleicht noch 10 bis 15 Prozent meiner Arbeit aus“, sagt Hey. „Das meiste sind Mess- und Prüfarbeiten.“ Auch historische Schornsteine muss er nicht mehr kehren: Die ältesten Anlagen, mit denen Hey zu tun hat, stammen von 1990. Lediglich Öl- und Ofen-Schornsteine können noch recht schmutzig sein.

Es sind nicht die einzigen Änderungen in der Branche: Anfang November wurde Hey für weitere sieben Jahre als Schornsteinfeger für seinen Kehrbezirk von der Stadt Potsdam bestellt. Eine Regelung, die erst seit 2008 besteht, davor wurden die Handwerker bis zum Eintritt ins Rentenalter bestellt, so Hey: „Jetzt muss man Nachweise und Zeugnisse vorlegen, denn man bewirbt sich schließlich um eine Landesverwaltungsstelle.“

Im Keller ist Hey nun fertig: Die Messwerte sind gut, allerdings sind an der Frontseite über dem Brenner der Heizanlage weiße Ablagerungen zu sehen. „Wir haben da etwas Abgas-Austritt, da muss demnächst der Heizungsbauer ran“, sagt Hey der Eigentümerin. Nun geht es ein Stockwerk höher, zu einer Etagenheizung. „Ich muss schauen, ob die Brennkammer dicht ist“, sagt Hey und fährt mit einem sogenannten Tau-Spiegel in der Heizungsanlage entlang – wenn er beschlägt, ist irgendetwas faul, doch der schmale rechteckige Spiegel bleibt klar.

Heutzutage sind Schornsteinfeger vor allem Brandschutzexperten und nicht so sehr Reinigungskräfte. So prüft Hey mit einer Messsonde den Sauerstoffanteil in der Verbrennungsluft und anschließend den Schadstoffgehalt in der Verbrennungsanlage. „Alles spitze“, sagt er, trägt die Werte in eine Tabelle ein und klebt die blaue Jahresplakette auf die Heizung.

Den Großteil der praktischen Arbeiten übernehmen die Gesellen, heute ist Hey aber allein unterwegs. In Brandenburg sorgt sich die Branche um den Nachwuchs: „Es könnte schon etwas mehr Bewerber geben“, sagt Hey. „Bundesweit ist die Ausbildungssituation eigentlich gut, nur in Brandenburg fehlt es aus irgendeinem Grund an Auszubildenden.“

Elf Schornsteinfegermeister gibt es in Potsdam, jeder hat seinen zugewiesenen Kehrbezirk. Die können ziemlich umfangreich sein: Heys Bezirk etwa umfasst Bornstedt, Bornim, Grube, Nedlitz sowie Teile von Eiche. „Pro Woche bin ich in etwa 40 bis 60 Häusern“, sagt er.

Auch hier haben sich Dinge verändert: Bis vor Kurzem galt noch das staatliche Kehrmonopol, das heißt, dass der für seinen Bezirk bestellte Schornsteinfeger für alle dortigen Arbeiten zuständig war. Dies gilt seit der Abschaffung des Monopols im Jahr 2013 nur noch für drei Aufgaben: Die Bauabnahme nach Landesrecht, die Kehrbuchführung und die Feuerstättenschau, also die Überprüfung von Schornsteinen, Feuerstätten und angrenzenden Einrichtungen auf ihre Betriebs- und Brandsicherheit.

Alle anderen Arbeiten wie die Reinigung von Schornsteinen oder das Messen von Schadstoffen können je nach Bedarf vom Hauseigentümer vergeben werden – egal an welchen Schornsteinfeger. Das habe durchaus Vorteile, sagt Hey: „Dadurch kommt man zum Beispiel auch mal in andere Kehrbezirke.“ Wirklich negative Auswirkungen habe er durch die Gesetzesänderung nicht erfahren: „Es gab ein paar Kunden-Abgänge, aber damit muss man leben.“

Nun geht es doch noch aufs Dach: Hey steigt über die Dachstufen zu den drei Schornsteinen und lässt seine Prüfleine mit der Gummi-Kugel in die Schlote herab. „Das dient nicht der Reinigung, sondern nur zur Überprüfung, ob keine Hindernisse im Rohr sind.“ Das können leider auch mal tote Spatzen sein; deren Beseitigung sei keine so schöne Angelegenheit, sagt Hey. Einen Zylinder trägt er heute nicht: „Den tragen wir nur bei Kehrarbeiten, aber das ist keine Pflicht. Mein Lehrmeister hat früher auch immer nur ein Käppchen getragen.“

In den Schornsteinen ist alles in Ordnung, Hey zieht seine Leine wieder hoch und macht sich an den Abstieg. Trotz der vielen Veränderungen in der Branche hat sich das romantische Bild vom Schornsteinfeger und Glücksbringer bis heute gehalten. „Es passiert schon, dass mir mal jemand an den Goldknöpfen dreht“, sagt Hey. Doch auch wenn der Beruf inzwischen sehr technisch ist und Kohle- und Holzöfen immer seltener werden, gibt es auch für ihn immer wieder traditionell schmutzige Arbeit zu tun. „Denn seit einigen Jahren bauen sich viele Leute wieder verstärkt Kamine in ihre Häuser ein“, sagt Hey.

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