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Szenarien der Potsdamer Klimaforscher rechnen in 50 Jahren bei uns kaum noch mit Schnee und Frost

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Szenarien der Potsdamer Klimaforscher rechnen in 50 Jahren bei uns kaum noch mit Schnee und Frost Von Jan Kixmüller So schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Konnte man Sonntag noch durch Schnee stapfen, so war am Montag Morgen alles wieder weg. Der Winter ist bei uns ein rarer Geselle geworden. Nach den viel zu warmen ersten Januarwochen konnte die letzte kalte Woche der Statistik auch nicht mehr helfen: Ein bis drei Grad zu warm war der Januar in Deutschland, im Berliner Raum sogar 3,5 Grad über dem langjährigen Mittel. Eine Tendenz, die die Szenarien der Klimaforscher bestätigt. In den kommende Jahrzehnten sollen demnach Schnee und Frost in unseren Breiten immer seltener werden. „Die Winter werden milder, das ist heute schon zu beobachten“, sagt Prof. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das bedeute zwar nicht, dass es immer mal wieder, auch strengere Kälteeinbrüche geben kann. Doch die Kältewelle der vergangenen Woche sei vergleichsweise schwach ausgeprägt gewesen. Auch dass der Schnee bis Nordafrika herunter kam, findet Prof. Gerstengarbe nicht außergewöhnlich. „Das lag an der Zirkulation und kommt schon mal vor“, sagt der Experte für das Klimasystem. Ursache für die warmen Winter ist der vom Mensch verursachte Klimawandel. Global ist die Temperatur aufgrund des Verbrauchs fossiler Brennstoffe in den vergangenen 100 Jahren schon um 0,6 Grad gestiegen, in Deutschland ist es sogar schon um 1 bis 1,5 stellenweise sogar um 2 Grad wärmer geworden. Seit den 70er Jahren beobachten die Forscher eine Zunahme an Westwetterlagen im Winter. Die Anzahl und Lebensdauer dieser feuchten und relativ milden Tiefdruckgebiete vom Atlantik hat zugenommen, während sie früher sieben Tage ausdauerten sind es heute elf bis zwölf. In den Westen Deutschlands bringen sie viel Niederschlag, so viel, dass es in den vergangenen Jahren gehäuft zu Winterhochwasser kam.Die drei so genannten Jahrhundertfluten am Rhein, Main und Mosel 1993, 1995 und 1999 belegen den Trend. Brandenburg hingegen bekommt andere Probleme. Hier im Osten kommt besonders im Sommer nicht mehr ausreichend Niederschlag an. „Die Trockenperiode im Sommer 2003 war schon heftig“, sagt Gerstengarbe. Vor allem für die Forstwirtschaft, einem wichtigen Wirtschaftszweig Brandenburgs, werde die Entwicklung zum Problem. „Die Wälder nehmen durch Trockenheit extremen Schaden.“ Das Grundwasser sei jetzt schon ein Problem: „Es sinkt kontinuierlich.“ Auch die Flussschifffahrt wird in den kommenden Sommern häufiger trocken liegen. Andererseits sind auch extremen Sommerhochwassern wie in den vergangenen Jahren auf Oder und Elbe nicht auszuschließen. Insgesamt zeigen die Szenarien der Forscher in den kommenden 50 Jahren weniger Schnee, Frost- und Eistage im Winter und mehr heiße Tage im Sommer. Auch in den Alpen wird es wohl erst ab 2000 Metern Schneesicherheit geben, heute schon kämpfen Wintersportorte wie Todtmoos im Schwarzwald mit den Folgen der Erwärmung. Die Gruppe von Prof. Gerstengarbe geht von einem „plausiblen“ Szenarium aus, das eine Verdopplung des Kohlendioxids in den kommenden 100 Jahren zur Grundlage hat. Ein eher moderates Modell, denn momentan nimmt der Anteil des Klimagases in der Atmosphäre sogar sehr viel schneller zu. Als einen der Gründe dafür nennt Gerstengarbe beispielsweise den wirtschaftlichen Aufschwung in China, der einen hohen Verbrauch fossiler Brennstoffe mit sich bringe. „Die Klimaänderung ist zur Zeit schon dramatisch“, sagt der Meteorologe Gerstengarbe. Zu beobachten sei etwa auch die Zunahme von Wüsten auf dem Erdball. Eine große Gefahr sieht der Forscher auch in dem Auftauen der Permafrostböden in den Polarregionen. In ihnen ist Methan gespeichert, das beim Auftauen freigesetzt wird. Auch Methan ist ein Treibhausgas, nur 30 mal stärker als Kohlendioxid. In der Erdgeschichte ist es schon vorgekommen, dass nach einer moderaten Klimaerwärmung durch das Freiwerden von Methan zu einer so genannten positiven Rückkopplung kam: auf die Erwärmung folgt eine noch stärkere Erhitzung des Globus. Von jüngst verbreiteten Horroszenarien die von einer Erwärmung von 11,5 Grad in diesem Jahrhundert sprechen, hält Gerstengarbe allerdings nichts. Die Zahl sei der oberste Extremwert einer Studie aus Oxford, die aus über 1000 Modelldurchläufen resultiert. Mit 0,1 Prozent Wahrscheinlichkeit sei dieser hohe Temperaturanstieg äußerst unwahrscheinlich. Der größte Teil der Modelldurchläufe liege bei 3,5 Grad Temperaturanstieg, was wiederum die Mitte der bislang angenommenen 1,5 bis 5,8 Grad Erwärmung ist. „Irgendwo in diesem Bereich dürfte es sich also einpendeln“, schließt der Meteorologe. Die kürzlich auf einer Konferenz inLondon geäußerte Annahme, dass der Klimawandel in zehn Jahren unumkehrbar ist, hält der Potsdamer Forscher für unhaltbar. Das Klimasystem verlaufe nicht linear, niemand können diesen Zeitpunkt vorhersagen. „Dafür wissen wir immer noch zu wenig über die Abläufe in der Atmosphäre.“ Auch was die Eigendynamik der Ozeane anbelangt, bleibt Gerstengarbe vorsichtig. Wenn es nach der Hypothese seines Potsdamer Kollege Prof Stefan Rahmstorf ginge, dann würde in Mitteleuropa nach 100 bis 150 Jahren Erwärmung die Warmluftzufuhr des Nordatlantikstroms ausbleiben. Die Folge wären moderate Sommer und sehr strenge Winter. Ob tatsächlich der verstärkte Niederschlag und das abtauende Polareis den Salzgehalt des Atlantiks so verdünnen, dass der nördliche Arm des Golfstroms ausbleibt – in der Erdgeschichte öfter vorgekommen – sei wie gesagt eine Hypothese, die man nun versuchen muss zu widerlegen oder zu bestätigen. Sicher ist sich Gerstengarbe allerdings darin, dass die Zeit eilt: „Der Bremsweg vor dem Chrash ist verdammt kurz geworden.“ Auch die vollständige Umsetzung des Kyoto-Protokolls sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Allerdings ein positiver Tropfen.“ Wobei auch die Deutschen noch ihre Hausaufgaben machen müssen. In Sachen Energieverbrauch würden sie den Amerikanern dicht folgen. Japan stehe besser da, obwohl es auch ein moderner Industriestaat ist.

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