Landeshauptstadt: Schnitzeljagd statt Balkonien
Der Potsdamer Robin hat im letzten Sommer mit „Ein Platz an der Sonne“ Kinder-Urlaub gemacht
Stand:
War das ein Abenteuer. Robins Augen leuchten, wenn er an den August vor einem Jahr denkt. „Wir haben gelebt wie bei den Indianern“, sagt der zwölfjährige Junge, als er sich in Gedanken wieder in die Zeit im Feriendorf „Drei Eichen“ in der Märkischen Schweiz versetzt. Die rund zehn Tage in dem idyllischen Gelände bei Buckow seien „unvergessliche Erlebnisse“, sprudelt es aus ihm heraus. Seine Eltern waren nicht dabei. Dankbar sind sie trotzdem. „Wegen meiner Arbeitslosigkeit ging es unserer Familie damals nicht sehr gut. Robin hätte seinen Urlaub auf Balkonien verbringen müssen“, sagt Familienoberhaupt Sven Heße.
Dass Robin dennoch auf Reisen gehen konnte, hat er seiner Lehrerin Sigrid Heller und der Aktion „Ein Platz an der Sonne“ der ARD-Fernsehlotterie zu verdanken. Das Projekt versucht jedes Jahr Kindern aus ganz Deutschland einen kostenlosen Urlaub zu ermöglichen, den sich ihre Eltern sonst nicht leisten könnten. Dazu müssen allerdings erst Freunde oder Verwandte die Kinder vorschlagen. Dann entscheidet in jedem Bundesland ein anderes Gremium, wer fahren kann und wer nicht. Die Fürsprecherin für Robin war seine Lehrerin Sigrid Heller. Sie hatte von der Aktion aus dem Radio erfahren und kannte die missliche Situation der Familie. Ihr Anruf brachte dem Jungen schließlich seinen Platz im „Drei Eichen“-Dorf.
Die Erinnerungen daran sind auch ein Jahr später noch recht frisch. Detailliert beschreibt Robin, wie es sich beispielsweise angefühlt hat, als er mit verbundenen Augen und ohne Schuhe im Wald gehen sollte. „Ich habe genau die Tannennadeln an meinen Füßen gespürt, die gar nicht so spitz waren.“ Das gesamte Konzept des Kinder-Urlaubs war, so erzählt es Robin, auf solchen Selbsterfahrungs-Abenteuern aufgebaut: Verstecken spielen, Wasserschlachten, mit Holz und Messer schnitzen, die Umgebung erkunden, mit den neuen Freunden quatschen, draußen im Zelt übernachten. „Wir möchten den teilnehmenden Kindern viel Bewegung, gesunde Ernährung und Entspannung in der Natur bieten“, sagt Anja Erdmann vom Landesverband für Kinder- und Jugendreisen in Brandenburg, der die Reisen in der Mark organisiert. Dieses Jahr geht es in das Kinder- und Jugenderholungszentrum am Hölzernen See, etwa 40 Kilometer östlich von Berlin. Zehn Kinder aus Potsdam und Umgebung können dorthin fahren, wenn sie von jemanden vorgeschlagen werden – die Möglichkeit dazu besteht im Rahmen der gemeinsamen Aktion von PNN und ARD-Fernsehlotterie (siehe Kasten).
Die Eltern von Robin wünschen allen Bewerbern viel Glück. „Als Robin wieder zurück kam, war er wie aufgeblüht“, sagt Kerstin Heße. Und ihr Sohn erzählt weiter: Wie spannend es zum Beispiel war, in der Nacht im Zelt zu schlafen und die Geräusche des Waldes zu hören, das Knacken der Äste. „Das war ich gar nicht gewöhnt.“ Auch habe er ein wenig Kochen gelernt, da die Kinder selbst ihr Essen zubereiten mussten. Und dann die Spiele: Lange erzählt Robin von der Suche nach einer vergrabenen Truhe. Um die Wette mussten zwei Gruppen nach dem Schatz ausschwärmen: eine klassisch-turbulente Schnitzeljagd im Wald, wie sie für Stadtkinder oft kaum noch bekannt ist. Dabei hat Robin etwas herausgefunden, was er so vorher von sich nicht wusste: „Ich bin inzwischen richtig gut darin, mich im Wald tarnen zu können.“ Henri Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: