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Glaube im Garten. Landschaftsgärtnerin Anja Möller entwirft Bibelgärten. Damit könne man Menschen einen neuen Zugang zur Geschichte geben. Sie hat auch einen Sinnesgarten für Menschen mit Behinderungen entworfen.

© Sebastian Gabsch

Gartenkunst aus Potsdam: Schöpfung im Beet

Anja Möller ist Landschaftsarchitektin. Gerne plant sie Gärten mit Bezug zum christlichen Glauben, in denen dann biblische Pflanzen wachsen.

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Da wo vor mehr als 100 Jahren Paula Modersohn-Becker am liebsten malte, in ihrem blauen Atelier im Brünjeshof der Künstlerkolonie Worpswede, „da weht so ein bestimmter Geist“, sagt Anja Möller. Sie hat ihn gespürt, als sie dort eine Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin machte. Bei Philipp Uphoff, renommierter Landschaftsgärtner in zweiter Generation. Für Anja Möller war es eine wichtige Zeit der Inspiration.

Heute ist Möller, 46 Jahre alt, selbstständige Landschaftsarchitektin, ihren Firmensitz verlegte sie vor Kurzem von Werder (Havel) nach Bornstedt. Gleich in der Nähe ist auch der Karl-Foerster-Garten. Ein guter Ort zum Arbeiten, wenn es einem um die Verbindung von Pflanzen, Kunst und Kulturgeschichte geht. Ein Garten, egal wo sie ihn anlegt, sollte in der Historie des Ortes und seiner Menschen verwurzelt sein. „Das Ergebnis ist dann ein einmaliges Gestaltungserlebnis, nicht ein Garten aus dem Katalog.“

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Gartenkunst heißt: Glauben sichtbar gestalten. Dabei geht es um die Gestaltung von Räumen, die im weitesten Sinne mit dem christlichen Glauben zu tun haben. Das kann ein Kirchgarten sei, Grünanlagen von Wohneinrichtungen, Kitas oder ein Friedhof. Beim Kirchentag in Berlin stellte Möller ihre Konzepte kürzlich vor. Und stieß auf großes Interesse der Besucher. Ein sinnliches Gartenerlebnis ist dabei ebenso gefragt wie eine gärtnerische, gestalterische Umrahmung für religiöse Handlungen, Rituale oder Sakramente. Das kann ein sogenannter Bibelgarten sein, in dem Pflanzen und Gehölze wachsen, die in den Büchern der Bibel vorkommen – Apfelbaum, Feige, Lilien und Himmelsleiter, auch Gewürze, die in den Texten erwähnt werden. Es kann ein Garten zum Beten und Meditieren sein, zum Ruhefinden. Auch biblische Geschichten oder christliche Anschauungen setzt sie gärtnerisch um: Eine Arche Noah im Garten kann zur Auseinandersetzung mit Umwelt und Schöpfung anregen. Dornige Pflanzen können die Leidensgeschichte, Leid und Trauer, in den Mittelpunkt stellen. „Mit einem Bibelgarten kann man biblische Geschichte mit neuem Zugang erzählen“, sagt sie. „Da gibt es so viele Möglichkeiten.“ Der Großteil der in der Bibel vorkommenden Pflanzen wächst auch im hiesigen Klima. Solche Pflanzen gibt es natürlich nicht im Baumarkt, sondern zum Beispiel in der Potsdamer Foerster-Staudengärtnerei.

Möller arbeitet auch mit Keramik aus der eigenen Werkstatt. Ein Wasserlauf aus Keramikelementen ist als Symbol für den Fluss des Lebens gedacht. Der von ihr entworfene Taufstein besteht aus einer hölzernen Schale, die auf eine Keramikstele gesetzt wird. Bei einer Taufe wird das Wasser über flache, sich kreuzende Rinnen zur Erde geleitet. Der Stein sei besonders beliebt, sagt Möller, der Prototyp steht in einer Gemeinde in Spandau. Man wollte dort im Freien taufen, das habe so etwas Ursprüngliches. Wenn er nicht benutzt wird, dient der Stein als Vogeltränke, ein hübscher Gedanke, findet sie.

Anja Möller wurde in Berlin-West geboren. Die Eltern hatten einen Schrebergarten, in dem sie als Kind viel Zeit verbringt, zum Beispiel Blumen gießen darf. Später entdeckte sie die großen Parks der eingemauerten Stadt für sich, dörfliche Landschaften wie in Lübars oder den Schlossgarten Charlottenburg. „Mein Lieblingsgarten in Berlin.“ 2001 lernt sie den Potsdamer Maler Siegwart Sprotte kennen, der ihr den Karl-Foerster-Garten zeigt. Es folgt ein intensiver Briefaustausch zwischen dem Maler, der 2004 verstarb, und Gärtnerin. Dabei habe sie die Zusammenhänge, die Dialoge zwischen den Dingen, zu sehen und zu schätzen gelernt, sagt sie. Ort, Geschichte, Mensch und Glaube – das könne man nicht trennen. Das Sinnliche, die Schöpfung, die Natur, gehören dazu.

Auch eine Gartenlandschaft ist natürlich zunächst und vor allem ein Ort, der mit allen Sinnen erlebt werden will. Ein gutes Beispiel ist der Sinnesgarten im Oberlinhaus, eine kleine Gartenanlage für Menschen mit Behinderungen, vor allem für Menschen, die mit mehrfachen Einschränkungen wie Taubblindheit leben müssen. Anja Möller hat den Sinnesgarten gestaltet – eine ganz besondere Erfahrung auch für sie. Auch hier hat sie zunächst die Geschichte des Ortes erspürt, ein Fleckchen Garten mit Obstgehölzen, Spielgerät und Bank hinter einer Ziegelmauer im historischen Alt Nowawes. Dann hat sie im Taubblindenbereich des Oberlinhauses hospitiert – in einer komplett anderen Wahrnehmungswelt, wo Kommunikation und Erleben hauptsächlich über Tasten, Fühlen, Riechen und Schmecken stattfinden. Es sei für sie selbst eine wichtige Erfahrung gewesen, sich mit der Lebenswirklichkeit auseinanderzusetzen, sagt Möller. So war es ihr aber möglich, einen passgenauen Garten für die künftigen Nutzer zu entwerfen.

Hier wachsen nun vor allem viele duftende und essbare, aromatische Pflanzen und Kräuter, dazwischen junger Salat, auf einem unterfahrbaren Hochbeet, damit auch Menschen mit Gehhilfen oder Rollstuhl gut herankommen. Mit Hilfe eines Leitsystems, zusammengesetzt aus hölzernen Handläufen oder Gestein mit unterschiedlichen Oberflächen, kann man selbstständig den Garten erkunden. Mittendrin findet sich ein Wasserlauf, den man ertasten kann. Wein und Spalierobst wächst an den warmen Ziegelwänden und windgeschützt steht ein Strandkorb auf ein paar Quadratmetern Sand. Wer mag, kann barfuß laufen. Mit den Füßen die Erde, den Grund und Boden, spüren zu können, sei ein Wunsch der taubblinden Bewohner gewesen, sagt sie. Es wurde ein Garten, der allen Teilhabe ermöglichen soll – ein Aspekt, der auch zum christlichen Glauben passt. Ein Garten, in dem nicht nur die Natur, sondern auch Glaubensgrundsätze sichtbar und sinnlich erfahrbar gestaltet wurden.

www.anjamoeller-design.de

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