Homepage: Schreiben aus Leidenschaft Eine Tagung an der Uni zu Marguerite Duras
Warum fasziniert uns noch heute der Diskurs der Leidenschaft, den Marguerite Duras (1914-1996) in ihren Büchern und Filmen führt? Und wie sieht dieser Diskurs aus?
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Warum fasziniert uns noch heute der Diskurs der Leidenschaft, den Marguerite Duras (1914-1996) in ihren Büchern und Filmen führt? Und wie sieht dieser Diskurs aus? Diesen Fragen stellte sich eine internationale, interdisziplinäre Tagung unlängst an der Universität Potsdam. Es war den Veranstaltern gelungen, nicht nur Wissenschaftler aus Polen, Frankreich und Deutschland für die Tagung zu gewinnen, sondern auch den Direktor des internationalen Kurzfilmfestivals Oberhausen, Lars Henrik Gass. Und Yann Andréa, den französischen Schriftsteller, der Marguerite Duras 1980 kennen lernte und bis zu ihrem Tod an ihrer Seite blieb. Von der weit verbreiteten Gefahr, die autobiografisch inspirierten Texte von Duras mit ihrem tatsächlichen Leben zu verwechseln, kam Christiane Blot-Labarrère (Universität Nizza) auf die Stellung zu sprechen, die das Schreiben bei Duras einnahm. Obwohl es in ihrem Werk immer und immer wieder um die Liebe gehe, das Begehren, die Leidenschaft, sei Duras keine Schriftstellerin von Liebesromanen. Vielmehr führe sie einen Diskurs der Liebe, in dem sich die Gleichwertigkeit zwischen dem ruhelosen Bemühen der Liebe und des Schreibens zeige. Es gehe, so Christiane Blot-Labarrère, um das Fieber des Anfangs, der wie eine Wiedergeburt sei und in dessen Leidenschaft schon das Leid des Endes und der Unerfüllbarkeit liege. Duras“ Schreiben als ein Aufrütteln aus der abgestumpften Existenz, die oft keinen Platz mehr lässt für das Neue, den Anfang. Als ein Kampf gegen Routine und Resignation. Der Titel der Tagung, „Leidenschaftliche Existenz“, sei besonders geeignet, um über die Facetten von Duras“ Werk zu sprechen, bemerkte Christiane Blot-Labarrère. Lars Henrik Gass problematisierte diese Vorstellung und zeigte, dass bei Duras Leidenschaft nichts mit dem Leben zu tun habe, sondern allein ein Symptom ihres poetologischen Verfahrens sei: „Das Begehren ist bei Duras nichts anderes als eine nicht-optische Vision.“ Über die ethische Leidenschaft bei Duras referierte Lydia Bauer (TU Berlin). Die Erfahrung des Holocaust brachte Duras zur Identifikation mit dem Anderen. Ihr Schreiben sei, so Lydia Bauer, der Versuch, die Trennung zwischen den Menschen aufzuheben und die Verantwortung für den anderen zu übernehmen, die jedem Menschen durch sein Menschsein auferlegt sei. Durch das Schreiben die Geschichte (auch das Verbrechen des Holocaust) mit den Anderen teilen. Lebendig wurde es auf der Tagung, als Studierende die Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppen vorstellten. Besonders bei der Gruppe, die sich mit der Frage auseinander gesetzt hatte, wie und ob sich Weiblichkeit und weibliches Schreiben bei Duras ausdrücke. Die Frage nach weiblichem oder männlichem Schreiben könne man gar nicht stellen, meinte ein Teilnehmer, denn was sei mit den Transsexuellen? Was sollen solche Fragen zur Literaturwissenschaft beitragen, sind sie nicht nebensächlich? Zwar komme bei Duras die Ambivalenz der Charaktere zwischen den Geschlechtern oder zwischen Mädchen und Frau vor, doch Duras haben feministische Fragen nie interessiert. „Eins ist sicher, Duras war eine Frau.“ Bemerkte Yann Andréa grinsend zum Schluss der langen Diskussion. Am Ende der Tagung fragte Helene Hardt, Professorin für Romanistik in Potsdam, was die einzelnen Teilnehmer mitgenommen hätten. „Alles bleibt offen, aber wir haben ein bisschen was gesehen.“ sagte Christiane Blot-Labarrère. Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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