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Der Mittelstreifen auf der Hegelallee sei auch eine Falle für Radler, so das Gericht – weil sie bei Unfällen zu 100 Prozent haften.

© Andreas Klaer

Radfahren in Potsdam: Schuld hat immer der Radfahrer

Radler-Falle: Das Landgericht Potsdam hat klargestellt, dass Radfahrer auf der Mittelpromenade in der Hegelallee stets die Vorfahrt von Autofahrern beachten müssen – obwohl die Strecke wie ein normaler Radweg wirkt.

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Potsdam - Die Mittelpromenade in der Hegelallee stellt für Radfahrer eine juristische Falle dar. Denn weil der Rad- und Fußgängerweg nur mangelhaft ausgeschildert ist, müssen Radler bei einem Unfall mit einem Auto stets damit rechnen, für entstandene Schäden allein zu haften. Es gilt: Vorrang haben die Autofahrer. Das ist Tenor einer Entscheidung des Potsdamer Landgerichts vom Mittwoch. „Die Stadt sollte dieses Urteil zur Kenntnis nehmen, um diese missliche Situation zu entschärfen“, sagte Richter Christian Odenbreit während der Verhandlung. Der Verkehr an der Stelle müsse neu geregelt werden.

Anlass für das Urteil war ein Zivilprozess nach einem Unfall an einem Februarabend vor mehr als zwei Jahren. Damals war ein Radfahrer auf der Promenade an der Ecke zur Dortustraße mit einem Kleinwagen kollidiert, der Mittvierziger verletzte sich dabei – und verlangte von dem 60 Jahre alten Autofahrer Schadensersatz.

Gericht: Der Radfahrer hätte absteigen müssen

Doch das Amtsgericht hat die Klage des Radlers in einer früheren Entscheidung bereits abgewiesen – mit der Begründung, dass sich Radler bei der jetzigen Regelung des Verkehrs so verhalten müssen, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer – also auch von Autofahrern – ausgeschlossen ist. Zudem hatte das Amtsgericht geurteilt, gegebenenfalls hätte der Radler absteigen und die Fahrbahn im Schritttempo überqueren müssen. Dieser Auffassung schloss sich Richter Odenbreit jetzt an. Der Mittelstreifen trage den Charakter eines sogenannten anderen Straßenteils – damit gelte Paragraph 10 der Straßenverkehrsordnung. Demnach müssten Radfahrer, die von dem Mittelstreifen über etwa die Dortustraße fahren wollten, eine Unfallgefahr an der durchaus „gefährlichen Stelle“ ausschließen können.

Doch das Problem laut dem Richter: Die Art und Weise der Gestaltung des Mittelstreifens – etwa mit abgesenkten Bordsteinen – vermittelt Radlern das Gefühl, es handele sich um einen durchgehenden Radweg mit Vorrangregelung für seine Benutzer. Doch entsprechende Beschilderungen fehlten, es gebe lediglich kleine Hinweistafeln mit Warnungen wie „Vorfahrt beachten“. Dies unterstrich der Richter: Wegen der fehlenden Widmung des Mitteltreifens hätten Radler auch keinen Vorrang. Nach geltender Rechtsprechung müssten Radfahrer dann – bei einem Unfall mit einem Auto – zu 100 Prozent für die Schäden haften. Insofern gleiche der Mittelstreifen in der Hegelallee auch einer Falle für Radfahrer, weil eben nichts geregelt sei. Diesem Zustand könne nur die Stadtverwaltung mit einer neuen Regelung abhelfen.

Kleine Hinweisschilder weisen auf Vorfahrt der Autos hin

Der Mittelstreifen in der Hegelallee ist noch eine Hinterlassenschaft aus der Ära des im vergangenen Jahr abgewählten Baudezernenten Matthias Klipp (Grüne). 2010 war die Promenade umfangreich saniert und asphaltiert worden, zu einer mehr als fünf Meter breiten und 550 Meter langen Fahrradtrasse. Schon damals hatte es Sicherheitsbedenken gegeben, nach der Maßnahme häuften sich die Beschwerden – vor allem wegen unklaren Vorfahrtsregeln an den Einmündungen zur Dortu- und zur Hermann-Elflein-Straße. 2013 dann hatte Klipp zugesagt, den Radweg besser auszugestalten. Danach wurden besagte kleine Hinweisschilder angebracht, die auf die Vorfahrt für die Autos hinweisen. Mehr müsse dort aber nicht getan werden, befand Klipp damals: Die Unsicherheit aller Verkehrsteilnehmer an der Stelle befördere die gegenseitige Rücksichtnahme, die ohnehin generell höher sein müsse. Richter Odenbreit bezweifelte nun, dass die von Klipp genannten Schildchen überhaupt gesehen werden. Es müsse eine eindeutigere Regelung gefunden werden, empfahl er.

In der Stadtverwaltung reagierte man allerdings zurückhaltend. Man wolle sich zunächst die schriftliche Urteilsbegründung besorgen, sagte ein Stadtsprecher. Die Verkehrsregelung an der Stelle sei eigentlich eindeutig. Gleichwohl werde man Konsequenzen aus der Entscheidung des Gerichts prüfen, so der Sprecher. In der Vergangenheit hatten die städtischen Verkehrsexperten auch argumentiert, eine generelle Vorfahrt für Radfahrer an der Stelle würde die Strecke noch gefährlicher machen.

Richter: "Jeder weiß, wie gefährlich diese Stelle ist"

Auch die Potsdamer Stadtpolitik hat sich mit dem Thema schon beschäftigt und Ende 2014 in der Stadtverordnetenversammlung einen Prüfantrag der CDU/ANW-Fraktion beschlossen, die Vorfahrtsregelungen in den Kreuzungsbereichen auf dem Mittelstreifen in der Hegelallee deutlicher zu regeln. Die Stadt hatte wenige Wochen später mitgeteilt, die Regelung würde im Zuge der Fortschreibung des neuen Radverkehrskonzepts geprüft. Ein sofortiges Handlungserfordernis bestehe auch nicht, da Unfallhäufungen polizeilich nicht bekannt seien, so die Stadt damals. Dagegen sagte Richter Odenbreit: „Jeder weiß doch, wie gefährlich diese Stelle ist.“

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