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Landeshauptstadt: Schüsse, Schminke und jede Menge Bücher

Am Wochenende zog das zweite Theaterfest viele Besucher an. Der Sonntag gehörte dann den Bücherfreunden

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„Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ gibt es im Hans-Otto-Theater nur, wenn es um das neue Musical geht, das so heißt und im Oktober Premiere hat. Ansonsten zeigten sich die Frauen topfit und standen Intendant Tobias Wellemeyer bei der Organisation des zweiten Theaterfestivals am Samstag und Sonntag versiert zur Seite. „Beim ersten Theaterfest 2012“, erzählt Wellemeyer, „hatten wir über 3000 Besucher und waren total überrascht, dass so ein Andrang herrschte.“

Dieses Interesse wollte er unbedingt weiter pflegen. Und wieder war es rappelvoll. Von 3500 Besuchern am Samstag spricht Pressereferentin Stefanie Eue. Es wurde flaniert, geguckt, gefragt und schon für die neue Spielzeit ein Theaterbesuch eingeplant. Er sehe viele bekannte Gesichter, sagte Wellemeyer, aber es seien auch neugierige Neulinge unter den Besuchern. „Wir gehen auf das Publikum zu“, meint der Intendant, glaubt aber, sich mit Besucherzahlen von 120 000 pro Spielzeit nicht verstecken zu müssen, auch nicht im Vergleich mit Berliner Bühnen.

Am Samstag wollten sich viele der Besucher eine „kleine Theaterweltreise“ nicht entgehen lassen, bei der Szenen aus Stücken der neuen Spielzeit vorgestellt wurden. 20 Premieren soll es 2013/14 geben. Und bei „Netboy“ oder „Die Opferung von Gorge Mastromas“ wurde auch gleich noch ein Blick hinter die Bühne und in die Tischlerwerkstatt gestattet.

Die Werkstätten standen diesmal überhaupt im Mittelpunkt des Theaterfestes. Sie waren neben oder sogar vor die Bühne gerückt. Dicht umringt von Kindern und Jugendlichen hatten zum Beispiel die Maskenbildner alle Hände voll zu tun, um aus den Mädchen kleine Prinzessinnen und Hofdamen zu machen und die Jungen in adlige Herren oder Seeräuber zu verwandeln. Seine aufwendigste Aufgabe sei es gewesen, erzählt Nikolai Kraatz, in der Komödie „Volpone“ den betrogenen Betrüger so richtig krank aussehen zu lassen. Auch bei Requisiteur Manuel Förster ist alles auf Wirkung angelegt. Er präpariert die Waffen, mit denen in den Stücken hantiert wird. Damit sich niemand verletzen kann, sind die Messerschneiden stumpf und geschossen wird nur mit Platzpatronen. „In der letzten Spielzeit wurde ziemlich viel herumgeballert“, sagt er lachend und zeigt eine ganze Büchse Patronenhülsen vor. „Vor jedem Probenbeginn gibt es eine Unterweisung“, erklärt er. Auch Platzpatronen seien nicht ungefährlich und könnten zu Verbrennungen führen. Sebastian Seidemann muss ebenfalls auf Sicherheit bedacht sein, wenn er das Maschinenpult bedient und die Drehscheibe bewegt, Saalpodien hebt oder Prospekte durch die Gegend schweben lässt.

Da es für den Fundus nur zwei Kellerräume gibt und die Stücke immer wieder ihre ganz speziellen Requisiten brauchen, muss auch mal ausgemistet werden. Und dabei sollte eine Versteigerung helfen. Während Peter Pagel Kleider, Stolen und Jacken anpries, erwies sich Eddie Irle als so perfektes Model, dass ihn wohl einige Frauen am liebsten mitersteigert hätten.

Am Sonntag gingen die Besucher ihre Visite des Büchermarktes mit 21 Ständen etwas ruhiger an. Doch jeder Anbieter hatte sein Publikum vom signierenden Bernhard Roetzel, der einen Mode-Guide für Männer geschrieben hat, bis zur Buchbinderin Vera Schalinski. Bea Marquardt erwarb den Mode-Knigge für ihren 22-jährigen Sohn, der „sehr modebewusst“ sei. Schalinski gibt Büchern und Alben Form.

In der Stiftungsbuchhandlung setzt man dagegen eher auf den neuen Daniel Kehlmann. „F“ ist eine Geschichte über drei Brüder. Kehlmann selbst wird am 17. September im Hans-Otto-Theater daraus lesen. Auf sichere Favoriten setzte ein Verlagstrio, das mit Kunst und Kochbüchern warb. Die beiden Potsdamer Studenten Katharina Süss und Konrad Krüger entschieden sich für die spanische Kochkunst. Sie kochen beide gern, haben aber bisher vor allem das zubereitet, was sie bei Freunden ausprobiert haben.

Der Supposé-Verlag Berlin warb dagegen für CDs, die Originalaufnahmen aus Geschichte und Gegenwart enthalten. Von Einsteinreden bis Herta Müllers Kindheitserzählungen reicht das Angebot. Man kann aber auch seine eigene Geschichte erzählen und sie dann in Buchform herausgeben lassen. Wer Krimis – eine sehr beliebte Lektüre – nicht lesen, sondern einen Fall selbst aufklären wollte, hatte auch dazu Gelegenheit. Anne-Christin Schicketanz bot einen Krimiparcours an und loste dann den besten Kriminalkommissar aus. Auch die Vorleser hatten immer wieder ihr Publikum. Deshalb kann man Petra Holler, die im Namen der Kultur- und Konzeptagentur Graf & Frey das Literaturfestival rund ums Theater in der Schiffbauergasse organisiert hatte, nur beipflichten: Das Buch wird seinen Platz trotz neuer Medien in der Kulturlandschaft behalten. Das bestätigte auch eine Leserfamilie, deren jüngstes Mitglied Bruno (10) Harry Potter verschlingt, während sich der Senior Joachim (55) an geschliffener Sprache erfreut.

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