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Zehn Sekunden Tanzen, dann war alles vorbei. Der erste Harlem Shake Flashmob in den Bahnhofspassagen mit etwa 300 kurios verkleideten Teilnehmern verlief friedlich .

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Sich zum Affen gemacht

Harlem Shake Flashmob: 300 Jugendliche tanzten in den Bahnhofspassagen – für zehn Sekunden

Stand:

Der Kellner des italienischen Eiscafés in den Bahnhofspassagen schaut auf die Ansammlung von jungen Leuten. „Ist nur heute so“, sagt er achselzuckend. Da ist es kurz nach 16 Uhr am Dienstagnachmittag, und Lea, die gerade ihr Abi an einem Potsdamer Gymnasium macht, ärgert sich. „Das ist alles viel zu auffällig, die Leute sollen aus dem Nichts kommen und ins Nichts verschwinden.“

Lea ist Flashmob-erfahren, für das geplante Event in den Bahnhofspassagen ist sie gut vorbereitet, aber das Bärchen-Kostüm steckt noch in ihrer Tasche, erstmal trinkt sie einen Latte Macchiato. Die Schülerin will ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen, damit ihr Flashmob-Auftritt, jederzeit abrufbar auf dem Internet-Videoportal Youtube, ihr nicht später die Karriere vermasselt. Sie hat schon an mindestens zehn solcher Flashmobs, also öffentlichen Massen-Spaß-Aktionen, teilgenommen. Selbst initiiert hat sie auch schon welche, beispielsweise eine Kissenschlacht auf dem Alten Markt oder ein Tauziehen auf der Brandenburger Straße. „Es ist vielleicht sinnlos, aber es macht einfach Spaß, und man lernt manchmal coole Leute kennen“, sagt sie. Die Flashmob-Szene organisiere sich hauptsächlich über Facebook und Mund-zu-Mund-Propaganda, sagt sie. Gezielt suchen könne man einen Flashmob nicht: „Man wird von so einer Veranstaltung gefunden“, erklärt die Potsdamerin.

Den gestrigen, ersten Potsdamer „Harlem Shake Flashmob“ organisierten ein paar Freunde um Fabian, der passenderweise Veranstaltungskaufmann-Azubi im ersten Lehrjahr ist. „Ich weiß nicht, ob meine Chefin das so gut findet“, sagt er, und will lieber nicht seinen ganzen Namen nennen. Das sei schließlich auch der Kick: Sich anonym für wenige Sekunden beim Tanzen in der Masse zum Affen machen. Wer dabei in ein Kostüm mit Maske schlüpft, ist dann wirklich nicht erkennbar, vorteilhaft auch, weil von dem Flashmob ein Video für Youtube erstellt wird.

Dafür müssen zwei Kameras aufgebaut werden, es ist 16.20 Uhr, jetzt weiß auch der Kellner, dass etwas Ungewöhnliches passiert, weil die Jungs ein Stativ auf den Tresen stellen wollen. Die Kreuzung vor Tchibo und Blumenladen ist gut gefüllt, man sieht vereinzelt witzige Accessoires, Mützen, Hüte, Skier, eine Luftmatratze. Lea verabschiedet sich und sucht ihre Freundinnen. Und Fabians größte Befürchtung wird wahr, etwa zwei Dutzend Bundespolizisten mischen sich unter das Volk. „Um die Sicherheit der Benutzer der Einrichtung der Deutschen Bahn zu garantieren“, sagt Zugführer Oberkommissar Jens Kramp. Doch Rettungswege und Zuwegung zu den Bahnsteigen seien frei, und solange alles entspannt bleibt, werde man nicht einschreiten, sagt er. Auch das Bahnhofspassagenmanagement bleibt entspannt: „Wir sind davon ausgegangen, dass das eine friedliche Geschichte wird und so was jetzt nicht jeden Tag passiert“, sagt Managerin Jana Strohbach.

Dann stehen 300 meist junge Leute auf dem Platz und werden ungeduldig. Die Laufbänder stehen still, dort haben sich Polizisten platziert, direkt vor ihnen die Eintänzer. Die bitten kurz nach halb fünf um Ruhe: Leider ist die Musik aus dem batteriebetriebenen kleinen Ghettoblaster viel zu leise. Doch das Wunder Flashmob kommt trotzdem zustande: Für zehn Sekunden tanzt und wogt die Menge, irgendwoher kommen letzte Kostüme und Masken, Regenschirme, Wasserbomben. Und dann ist es vorbei. Um 16.40 Uhr fegt eine Reinigungskraft den Müll auf dem leeren Platz zusammen. Steffi Pyanoe

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