Landeshauptstadt: Sichtbar durch Musik
Christa Schröder engagiert sich für Flüchtlinge: Heute erhält sie einen Preis für „Mut und Verständigung“
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Am Anfang stand nicht Mut, sondern Wut: „Der Zorn darüber, dass Flüchtlinge hier mit so einer Unterschriftenaktion empfangen werden“, erinnert sich Christa Schröder. Als die ehemalige Pfarrerin 2001 nach Potsdam zog, musste sie schnell feststellen, dass diese „herrliche“ Stadt ihre unangenehmen Seiten hat: Zur Debatte stand damals der Umzug des Asylbewerberheims in die Kirschallee – und die Anwohner gingen dagegen auf die Barrikaden. Schröder verstand die Welt nicht mehr: „Das konnte ich absolut nicht begreifen.“ Die Bornstedter sammelten Unterschriften gegen die Asylbewerber und eine Bürgerinitiative rang dem Oberbürgermeister schließlich das Versprechen ab, dass die Flüchtlinge nach zwei Jahren wieder verschwinden müssen. Die Christin wählte einen anderen Weg: Sie gründete einen Chor, in dem Potsdamer und Flüchtlinge zusammen singen. Für ihr Engagement wird die 66-Jährige heute in Berlin ausgezeichnet: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) überreicht ihr am Mittag im Roten Rathaus den Sonderpreis des „Bandes für Mut und Verständigung 2007“. Der Preis wird vom 1991 gegründeten „Bündnis der Vernunft gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit“ vergeben.
Dabei war Christa Schröder eigentlich aus der Lausitz nach Potsdam gezogen, um hier den Ruhestand zu genießen: „Wenn ein Pfarrer nach seinem Dienst im selben Ort bleibt, wird es mit dem Ruhestand nichts“, erklärt sie lächelnd. Von ihrer Terrasse fällt der Blick in einen wunderschönen Blumengarten. Es ist ein Refugium, das sie mit ihrem siebzehnjährigen Kater Olli bewohnt. Und doch will die kleine Frau nicht ruhen.
Jeden Mittwoch trifft sie sich mit dem Chor im Gemeindehaus in der Ribbeckstraße – sieben Potsdamer und sieben Flüchtlinge sind dabei. „Ich sage ungern Ausländer“, erklärt Schröder. Denn damit werde zu sehr betont, dass jemand „draußen“ ist. Ihr dagegen geht es gerade um eine Einladung. Sie habe zeigen wollen, dass es Menschen gibt, an die sich die Flüchtlinge wenden können: „Mein Anliegen war auch, ein soziales Netz zu spannen.“ Allein hätte sie das nicht machen könne, sagt Schröder. Aber sie hatte eine einfache Idee: Den Chor.
Angefangen hat es dann im Januar 2003: Damals traf sich der Chor in der so genannten „Nähstube“ des Heims in der Kirschallee. Lieder aus dem französischen Kloster Taizé in Burgund singt die Gruppe seitdem regelmäßig. Denn die seien besonders einfach zu lernen. „Sie haben etwas Tröstliches, Wohltuendes“, beschreibt Schröder die Musik. Das helfe, wenn die Menschen gestresst sind.
Der Stress, weiß sie, kommt bei den Asylbewerbern auch durch das Nichtstun. Oder die Besuche bei verschiedenen Ämtern. Manchmal begleitet Schröder sie dabei. Auch Andachten habe sie schon gehalten – für im Ausland verstorbene Angehörige. Gemeinsame Geburtstagsfeiern und Ausflüge sind ebenso selbstverständlich.
„Wir sind eine Anlaufstelle geworden“, resümiert Christa Schröder. „Wir“, das seien auch die Potsdamer Chormitglieder: „Es ist einfach Interesse füreinander da“, meint sie. 60 Telefonnummern habe sie in ihrem Buch – von Potsdamern, die bereit sind, etwas für die Flüchtlinge zu spenden.
Die Flüchtlinge seien „sichtbarer geworden“, findet Schröder. Zum Beispiel bei den Konzerten, die alle zwei Monate in der Bornstedter Kirche stattfinden und zu denen oft auch Touristen aus dem Krongut kämen. „Berührungsängste sind unnötig“, sagt Schröder: „Es ist eine Horizonterweiterung für uns alle.“
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