Sport: „Sie haben angefangen, zu klatschen“
Der schwule Lychener Schiedsrichter Burkhard Bock über sein Outing und Homosexualität im brandenburgischen Fußball
Stand:
Herr Bock, ist der Männerfußball in Brandenburg tendenziell schwulenfeindlich?
Das kann man so nicht sagen. Denn es gab Öffentlichkeit bei der Homosexualität im Fußball bislang ja gar nicht. Es war einfach kein Thema.
Sie haben sich August 2012 auf einer Schiedsrichtertagung zu Ihrer Homosexualität bekannt. Wie haben die Kollegen reagiert?
Sehr positiv, sie haben angefangen zu klatschen, sind zu mir gekommen und haben mich umarmt, mich beglückwünscht. Beleidigungen sind vor allem im niederklassigen Fußball im Eifer des Gefechts an der Tagesordnung.
Was bekommen Sie in strittigen Situationen so zu hören?
Seitdem ich mich geoutet habe, warte ich direkt auf eine solche Situation. Bisher habe ich aber nichts dergleichen erlebt. Alle gehen damit bislang respektvoll um. Was man am häufigsten hört, sind schwule Sau oder Schwuchtel. Früher wurde mir so etwas auch hinterhergerufen, seit dem Outing aber nicht mehr. Allerdings hat sich die Gesellschaft in den vergangenen drei bis fünf Jahren dahingehend positiv verändert.
Mittlerweile sind Sie Berater beim Landesfußballverband Brandenburg für homosexuelle Spieler. Wie groß ist der Bedarf?
Wir sind der erste Landesverband in ganz Deutschland, der so eine Beratungsposition geschaffen hat. Noch ist der Bedarf allerdings gering. Es gibt vereinzelt Kontakte zu Personen, die sich an mich gewandt haben. Aber die Hemmschwelle, die Angst, ist eben noch zu groß.
Welche Ängste und Sorgen haben die Hilfesuchenden?
Nicht mehr anerkannt zu werden, die fehlende Akzeptanz bei anderen Leuten, etwa Freunde zu verlieren, aber auch die Eltern damit zu belasten. Speziell in einem Mannschaftssport wie dem Fußball fragt man sich, wie reagieren die Mitspieler, die Vorstände im Verein? Was passiert in der Kabine oder nach dem Spiel unter der Dusche? Aber besonders auf dem Land, wenn dann da ein paar Idioten unter den Zuschauern dabei sind, hat man Angst.
Haben sich Spieler in Brandenburg nach Ihrer Beratung bereits geoutet?
Meines Wissens nicht. Aber ich kenne einige, die versteckt leben.
Das haben Sie lange Zeit auch getan. Was bedeutet das?
Das ist die Hölle gewesen. Das ständige Schauspielern, anders sein, als man wirklich ist, die Angst einen Fehler zu machen. Ich habe wirklich immer versucht, anders zu wirken, betont männlich zu sein.
Wie kompensiert man das ?
Ich bin dadurch alkoholabhängig geworden. Das Outen selbst ist ein langwieriger Prozess. Aber ich rate jedem, Kontakt zu suchen, mit Leuten zu sprechen. Man muss die Isolation aufbrechen. Ich selbst habe mich auch in die Einsamkeit geflüchtet, war zwar ständig unter Menschen, aber doch einsam.
Rechnen Sie nach dem Outing von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger mit weiteren Bekenntnissen im männlichen Profifußball?
Ja, weil der Fall Hitzlsperger jetzt der erste Schritt ist. Das macht Mut und hat die Diskussion angefacht.
Hat Ihr Outing Ihnen im Privatleben außerhalb des Fußballs geschadet, haben sich alte Freunde von Ihnen abgewandt?
Im familiären Bereich nicht. Aber es gibt enge Freunde von damals, die den Kontakt zu mir nicht mehr suchen. Wenn man sich zufällig trifft, sagt man Hallo oder Guten Tag und vielleicht noch zwei oder drei andere Worte und geht dann auseinander. Dafür habe ich andere Freunde gewonnen und der wahre Freund zeigt sich erst danach.
Wie selbstverständlich ist Homosexualität in Brandenburg fernab größerer Städte?
In den ländlichen Regionen ist es nach wie vor ein riesengroßes Problem. Auf dem Land leben fast nur noch Alte. Die Jungen gehen weg, weil sei keine Arbeit finden. Die älteren Leute aber haben mit Homosexualität noch immer ein Problem, können damit einfach nicht umgehen. Dass in Berlin ein schwuler Bürgermeister regiert, interessiert auf dem Lande keinen. Die Vorbilder müssten viel mehr von dort selbst kommen. Viele Homosexuelle fahren auf der Suche nach Kontakt in die größeren Städte. Auch ich habe darüber nachgedacht, nach Berlin zu ziehen. Wäre ich 15 oder 20 Jahre jünger gewesen, hätte ich keinen Augenblick gezögert.
Kann man mehr Akzeptanz für Homosexualität in der Gesellschaft auch von oben steuern? Was kann die Politik machen?
Das Thema muss einfach in der Öffentlichkeit bleiben. Meist wird ja ein, zwei Wochen darüber geredet und dann verschwindet das Thema wieder. Es müsste ein größeres Netzwerk für Betroffene im Land geschaffen werden. Dabei könnte die Politik helfen, auch mit Geld.
Das Interview führte Matthias Matern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: