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Gut aufgelegt. Hasso Plattner (l.) scherzte mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf dem Podium des Instituts für Softwaresystemtechnik.

© Andreas Klaer

Industrie 4.0 am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam: Sigmar Gabriel und Hasso Plattner über digitale Wirtschaft

Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Hasso Plattner sprachen beim Industrie-4.0-Treffen am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam über digitale Chancen für die Wirtschaft.

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Potsdam - Beim Thema Digitalisierung überfällt Hasso Plattner sichtliches Wohlgefühl. Der SAP-Mitgründer und Stifter des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts fläzt sich lässig in das Sofa auf dem HPI-Podium und scherzt locker mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Nein, in diesem Feld müsse Deutschland die USA nicht fürchten, zwar haben wir uns einst beim Gerätemarkt und dann bei den sozialen Netzwerken abhängen lassen, aber wir haben die Ingenieure für Softwarearchitekturen und die digitale Revolution der Industrie 4.0. „Die Kommunikation von Maschinen untereinander, das ist ein richtiges Ingenieur-Thema, das können wir“, sagte Plattner. Gabriel sieht zwar noch erheblichen Nachholbedarf bei der mittelständischen Wirtschaft. Doch es sei richtig gewesen, den Industriesektor nicht wie viele andere Länder aufzugeben. „Deutschland wird auch weiter der Ausrüster der Industrien in aller Welt bleiben.“ Doch Gabriel mahnte auch, dass es nicht ausgemacht sei, wer Innovationstreiber der Industrialisierung bleibe.

Industrie 4.0 war Thema eines Treffens von Wirtschaft und Wissenschaft am Donnerstag am HPI. In der Verschmelzung der Datenmengen aus den sozialen Netzwerken mit der Industrie sieht Plattner – Innovationstreiber, wie man ihn kennt – eine große Chance. Wenn Gabriel auch eingeschränkt wissen will, dass die großen US-Unternehmen, die als soziale Netzwerke bezeichnet werden, heute alles andere als sozial seien, sondern vielmehr Global Player der Wirtschaft. Das Gespräch der beiden war eher ein nettes Plaudern, von einem Thema sprang man zum anderen und spielte sich die Bälle zu. Hier Chancen und Herausforderungen, da aber wieder ein Zurückrudern. Etwa, dass das Autofahren doch viel zu viel Spaß mache, als dass man sich in Zukunft von Roboterautos herumkutschieren lassen wolle, so Plattner. Doch Gabriel weiß auch, wie wichtig das Thema für die Kfz-Branche ist – wird doch die Mobilität selbst zunehmend zum Geschäftsmodell, das Carsharing ersetze den individuellen Autobesitz zunehmend. „Dafür braucht es intelligente Geschäftsideen“, sagte Gabriel.

In Echtzeit über Probleme informiert

Von Intelligenz und Ideen war viel die Rede an diesem Tag am HPI. Und von Effizienz und Optimierung. Ein gutes Beispiel für die digitalisierte Industrie führte SAP-Vorstandsmitglied Bernd Leukert an. Durch ein gemeinsames Projekt mit dem Hamburger Hafen habe sich der Umschlag ohne Ausbau um 14 Prozent steigern lassen. Der Verkehr von Lkws und Schiffen sei mit den Hebebrücken nun soweit vernetzt, dass keine Staus mehr entstehen. Kommt ein Schiff zu spät, bleiben die Laster auf den Rastplätzen außerhalb. „Intelligente Lösungen sind keine Visionen“, sagte Leukert. Er schaute auf seine Smartwatch: Über sie lasse sich mittlerweile der Arbeitsablauf einer ganzen Fabrik steuern. Wichtig sei, dass sich die Unternehmen für die Entwicklung zusammenschließen. Ganz neue Berufsbilder seien im Entstehen. Hier werde auch die Ausbildung ein zentraler Treiber. In Zukunft würden Industrielle aktiv von intelligenten Systemen informiert, etwa wenn Probleme auftreten – und zwar in Echtzeit. „Darauf muss man reagieren können“, so der SAP-Chef. Hier sei auch die Wirtschaft gefragt, diese Entwicklungen voranzubringen.

Vor dem nächsten Vortrag rief der Moderator einen Autofahrer aus, er habe die Fenster offen gelassen. Aber vielleicht könne er das Problem ja auch mit der Smartwatch vom Hörsaal aus regeln. Die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine rückt für die Softwareentwickler immer mehr in den Vordergrund. Die Rede ist von direkter Interaktion zwischen Mensch und Roboter. Daimler widmet sich mittlerweile dem „Robot-Farming“, ein Mensch betreut sozusagen mehrere Roboter, sagt, was sie zu tun haben, die Roboter assistieren den Mitarbeitern, erklärt Michael Zürn von Daimler. Und das schaffe sogar neue Arbeitsplätze. Nun könnten Aufgaben erledigt werden, die bisher brach lagen. Der Betriebsrat sei mit dem Modell einverstanden. „Roboter sind keine Job-Killer“, sagte auch Heinrich Kunz von Kuka Roboter. Wobei „Safety“ ein wichtiges Thema sei, es gehe darum, die Menschen vor den Maschinen zu schützen.

Vernetzung und Vertrauen stehen auf der Agenda

HPI-Direktor Christoph Meinel spricht sogar von einer neuen Weltordnung: Die Digitalisierung dringe in alle Lebensbereiche ein. Seit 2008 sind mehr Geräte im Internet angemeldet als Menschen. „Die digitale Revolution ist in der Weltgeschichte ohne Vorbild, wir können auf keine vorhandenen Erkenntnisse zurückgreifen“, so Meinel. Vernetzung und Vertrauen seien die aktuellen Stichworte, Vertrauen in die Interaktion von Mensch und Maschine, Sicherheit für Automatisierung und das Cloud-Computing. Auf allen Ebenen seien Angriffe auf die digitale Welt denkbar und heute schon längst Praxis. „Wir müssen das Internet und die Technologien sicher machen“, sonst könnte beispielsweise über das Netz wirtschaftliches Know-how entwendet werden.

Den Workflow einer Smart Factory testet Informatik-Professor Norbert Gronau an einem Anwendungszentrum an der Uni Potsdam aus. Die Päckchen, die über das Fließband huschen, kommunizieren miteinander, teilen sich mit, wenn Nachschub nötig wird oder etwas hakt. Doch die Industrie 4.0 sei nicht menschenleer. Es gehe um Optimierung, neue Konzepte und Service, dazu müssten eben auch Menschen ausgebildet werden.

Für diesen Prozess ist auch eine neue einheitliche Sprache nötig. Die Systeme, Geräte und Dinge erhalten Namen und Intelligenz. Gerade das sei revolutionär, dass nun Dinge durch IP-Adressen Namen erhalten, so HPI-Chef Meinel. Das bedeute, dass sie angesprochen werden können, dass sie reagieren und Antworten geben. Maschinen werden sich in Zukunft nicht nur individuell steuern lassen, sondern sich auch untereinander abstimmen. Das sei eine große Chance, aber auch eine enorme Herausforderung.

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