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Landeshauptstadt: Signal gegen Resignation

MICHAEL MARA

Stand:

MICHAEL MARA Politiker fassen ungern unpopuläre Beschlüsse. Schon aus Sorge, dafür bei der nächsten Wahl die Quittung zu bekommen. Umso bemerkenswerter ist, dass Brandenburgs Volksvertreter der ehemaligen preußischen Residenzstadt Potsdam die verlorene Mitte zurückgeben wollen: Auf dem Alten Markt, der Wiege der Stadt, soll bis 2011 das in den letzten Kriegstagen ausgebrannte und von der SED 1959/60 demonstrativ gesprengte Stadtschloss wieder erstehen – als Sitz des gemeinsamen Parlaments von Berlin-Brandenburg. Anders als in Berlin, wo die Pläne auf Eis liegen, bekommt Potsdam sein Schloss in absehbarer Zeit zurück. Präziser: die Schlosshülle, denn dahinter wird ein modernes Parlamentsgebäude entstehen. Die Entscheidung ist richtig, weil dieser Ort, die Mitte des Gesamtkunstwerks Potsdam, keine beliebige Architektur verträgt. Weil die offene Wunde inmitten des UNESCO-Weltkulturerbes endlich geheilt werden muss. Aber auch, weil sich die Hoffnung auf einen privaten Investor als trügerisch erwiesen hat. Und selbst wenn sich einer gefunden hätte, wäre zu fragen, ob etwa ein Luxus-Hotel oder eine Luxus-Wohnanlage für diesen Platz angemessen wären. Ein Parlament, erst recht für das geplante große Bundesland Berlin-Brandenburg, ist akzeptabel. Wenn es denn als „offenes Haus des Volkes“ mit Restaurants, Galerien, Bibliotheken, Vortragssälen konzipiert wird. Darauf sollten die Parlamentarier bestehen. Gleichwohl wird das Schloss in den verarmenden Randregionen keine Jubelschreie auslösen. Die Arbeitslosenzahlen schnellen dort in die Höhe, die Jungen flüchten mangels Perspektive, der Geldhahn wird vom Land weiter zugedreht. Was soll da ein Schloss, werden viele fragen? Nur eine von vielen Antworten: Es ist auch ein selbstbewusstes Signal gegen die Resignation - weit in die Zukunft gerichtet. Dresden hat es vorgemacht: Der entschlossene Aufbau der früheren Wahrzeichen lockt Gäste und Investoren aus aller Welt nicht nur ins schöne Elbflorenz, sondern nach Sachsen überhaupt. Man soll sich vor übertriebenen Wertungen hüten. In diesem Fall haben Brandenburgs Parlamentarier eine weitsichtige, ja historische Entscheidung getroffen.

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