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Voll beschäftigt. Fischer Mario Weber hat schon in der Nacht vor Silvester angefangen, die Karpfen zu schlachten. Er erwartet auch im neuen Jahr eine große Nachfrage.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Silvester gibt es Urlaubssperre

Nicht alle Potsdamer feiern an Silvester. Für einige ist es sogar der hektischste Arbeitstag des Jahres

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Wenn andere anfangen zu feiern, beginnt für die Potsdamer Feuerwehr eine der arbeitsintensivsten Nächte des Jahres: „Wir stehen um null Uhr alle in der Fahrzeughalle, wünschen uns allen ein Gutes Neues Jahr und dann geht’s auch schon los“, sagt Rainer Schulz, Bereichsleiter der Potsdamer Berufsfeuerwehr. Sprich: Ab Mitternacht gehen etliche Notrufe ein, nicht nur wegen brennender Mülleimer und Balkons, sondern auch immer wieder wegen Hand- und Gesichtsverletzungen durch Böller oder Raketen. „Die Rettungsdienstanfragen sind von der Häufigkeit her mit dem Herrentag zu vergleichen“, sagt Schulz. Um die Silvesternacht zu bewältigen, wird die normale Mannschaftsstärke von 30 auf 38 Mitarbeiter aufgestockt, hinzu kommen sieben der 14 Freiwilligen Feuerwehren, die sich Jahr für Jahr mit dem Silvesterdienst abwechseln. Zudem sind alle Löschfahrzeuge voll besetzt, das heißt: Die ganze Einsatztruppe ist sofort vor Ort, und trifft nicht in mehreren Wellen ein. Im letzten Jahr hatte es sieben Brandeinsätze in Potsdam gegeben. Etwa um drei oder vier Uhr ist dann der Hauptteil der Arbeit erledigt. Schlechte Stimmung, weil man an Silvester arbeiten müsse, herrsche unter den Kollegen nicht. Manche fühlen sich durch die besondere Situation sogar in erhöhtem Maße motiviert: „Manche sagen sich: Jetzt können wir mal zeigen, was wir können“, sagt Schulz.

Der Geruch von Pfannkuchen

In der Bäckerei Braune gibt es Silvester sogar Urlaubssperre. Alle 18 Mitarbeiter müssen da sein, sagt Bäckereimeister und Chef Werner Gniosdorz: „Egal welcher Wochentag ist.“ Denn die Potsdamer wollen Pfannkuchen. 7000 buken Gniosdorz und seine Mitarbeiter im vergangenen Jahr, deutlich mehr als am Rosenmontag oder am 11. November. Die Teilchen sind in der Traditionsbäckerei in der Friedrich-Ebert-Straße nicht nur Handarbeit, sie sind auch alle vom selben Tag. Vorproduzierte und eingefrorene Ware kommt bei ihm nicht in die Tüte, sagt Gniosdorz. Die Vorbereitung beginnt am 30. Dezember ab 22 Uhr, wenn der Hefeteig gemacht wird. „Anderthalb Stunden später schwimmen die ersten Pfannkuchen zum Ausbacken im Fett.“ Gefüllt werden sie erst danach – „sonst würden sie im Fett untergehen“. Und die Pfannkuchen hätten nicht den charakteristischen weißen Kragen über dem „Äquator“. Je nach Nachfrage wird bis 10 Uhr morgens gebacken, bis 14 Uhr können die Potsdamer die Pfannkuchen kaufen. Gniosdorz isst höchstens einen einzigen: „Man riecht das den ganzen Tag, man riecht schon selber wie ein Pfannkuchen“, sagt er und lacht.

Ein Karpfen muss sein

Der traditionelle Silvesterkarpfen darf für viele nicht auf dem Tisch fehlen. Dementsprechend viele Vorbestellungen konnte Potsdams Stadtfischer Mario Weber auch in diesem Jahr entgegennehmen – wie viele genau, habe er nicht gezählt. Für den Fischer und seine Mitarbeiter beginnt der Silvestertag bereits tief in der Nacht: „Dann beginnen wir zu schlachten, damit wir ab zehn Uhr verkaufen können.“ Der Verkauf läuft bis 14 Uhr, danach wird etwa bis 18 Uhr sauber gemacht und aufgeräumt. Danach können sich Weber und seine Familie den Fisch selber schmecken lassen, denn natürlich gehört auch für ihn unbedingt ein Karpfen zu Silvester: „Am liebsten als Karpfen blau.“ Allein mit seinen Einzelfängen aus heimischen Gewässern könnte Weber den Bedarf jedoch nicht decken: Einen Großteil der Karpfen bezieht er aus einer Teichwirtschaft in Forst. Die Nachfrage reißt nach Silvester nicht ab: „Auch im Januar essen die Leute gerne noch den zweiten oder dritten Karpfen“, sagt Weber.

Auf Handverletzungen eingestellt

Wenn eine ganze Stadt feiert, sind Unfälle leider nicht ausgeschlossen. Das Ernst-von-Bergmann-Klinikum hat daher seine Notfallambulanz um zusätzliches Personal in allen Schichten verstärkt. Dabei ist Silvester nicht mal der Tag mit den meisten Notfällen im Jahr, sagt Klinikums-Sprecherin Damaris Hunsmann: „Die Zeit während des Baumblütenfestes ist auch immer sehr nervenaufreibend.“

„Klassische“ Verletzungen am Silvesterabend sind natürlich Verbrennungen durch Feuerwerkskörper, vor allem an den Händen. „Darauf sind wir gut vorbereitet, da wir ja direkt im Haus 24 Stunden die Handchirurgie und die plastische Chirurgie einsatzbereit haben. Das kommt uns an Silvester zugute.“ Zu den anderen typischen Silvester-Verletzungen zählen neben Herzinfarkten, Schlaganfällen und Magen-Darm-Erkrankungen je nach Wetterlage auch Stürze wegen Glatteis. Ähnlich wie bei der Feuerwehr rotieren die Mitarbeiter: Wer in einem Jahr an Silvester arbeitet, kann im nächsten Jahr freinehmen. Wer Dienst hat, muss aber nicht völlig auf einen schönen Neujahrswechsel verzichten: Sofern sich die Möglichkeit ergibt, feiert auch das Krankenhaus-Personal, schmückt die Räume, bringt Essen mit und trifft sich. „Natürlich komplett ohne Alkohol“, sagt Hunsmann. (mit jaha)

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