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Steffi Pyanoe.

© Manfred Thomas

Kolumne PYAnissimo: Silvester: Noch alle Finger dran?

Die Weihnachtsfeiertage sind vorbei, die Vorbereitungen für Silvester laufen. Unsere Kolumnistin Steffi Pyanoe aber fragt sich in diesem Jahr: Schaffen wir das, eine Nacht ohne Böller?

Stand:

Das Schönste an den Feiertagen wird die Ruhe sein. Kein Piepen und Rattern auf der Baustelle vor dem Haus, keine Laubbläser, weniger Straßenlärm. Nirgendwo ist es in Potsdam richtig still. Selbst im Wald verfolgt einen das Rauschen von S-Bahn und Schnellstraße. Aber ab Dienstag werden Feuerwerkskörper verkauft, die spätestens in der Silvesternacht das Feinstaubkonto so richtig auffüllen. Damit gleich zu Jahresbeginn jeder Asthmatiker beherzt einen tiefen Zug vom Notfallspray nehmen kann. Ich bin jedes mal unsicher: Spaß haben oder knickerig sein? Knallerei oder frische Luft?

Rücksicht auf Flüchtlinge nehmen

Mein Sohn kann sich Silvester ohne Böller nicht vorstellen. Klar, als ich Kind war, war Feuerwerk auch etwas Besonderes, das gabs wirklich nur Silvester. Ich wurde damals zum Knallzeug-Holen in die Drogerie an der Ecke geschickt. An eine Altersbeschränkung kann ich mich nicht erinnern, ich bekam die Fünf-Raketen-Zuteilung, von einem Schnipsgummi zusammengehalten, kommentarlos über den Tresen gereicht. Fünf Raketen. Würde mir heute wieder reichen. Wenn überhaupt.

In diesem Jahr wird darum gebeten, auf die neu angekommenen Flüchtlinge Rücksicht zu nehmen. Flüchtlinge, die vor Krieg, Raketen und Bomben geflohen sind. Die Explosionsgeräusche mit Todesangst verbinden. Hatten wir auch in Potsdam, vor 70 Jahren. Eine alte Dame erzählte mir, wie sie als kleines Mädchen1945 den Bombenangriff auf Potsdam erlebte. Mit Mutter und kleiner Schwester saß sie im Keller. „Die Mutter hat alle Kinderlieder hoch und runter gesungen, gegen die Angst.“ Silvester verkrieche sie sich deshalb immer im Haus.

Keine Böller und noch viel mehr nicht

Schaffen wir das, eine Nacht ohne Böller? Kein Feuerwerk – keine verunsicherten Kriegsflüchtlinge, keine Babys, die nachts aufwachen, keine Katzen, die sich im Schrank verkriechen, keine demolierten Autos und initiativ-gezündeten Balkonbrände, keine gestressten Eltern, die ihren Teenagern hinterhertelefonieren und alleweil fragen, ob sie noch alle Finger dranhaben. Keine verpestete Luft und keinen Müll, der tagelang rumliegt, bevor er in Sonderschichten der Stadtreinigung abgeholt wird.

In Paris ist privates Silvesterfeuerwerk übrigens schon seit 2011 verboten. Nur am Eiffelturm wird kollektiv geballert. In Potsdam gibt es immerhin über die Feiertage einen Stummfilmklassiker im Filmmuseum. Live begleitet am Klavier – schönes Sinnestraining zum Jahresbeginn.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

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